"Nächstes Mal wird mir das nicht mehr passieren, wir lernen daraus. Wir werden ab jetzt mit den gleichen Waffen kämpfen, darüber gibt es keine Diskussion." - Mit diesen Worten hatte Jorge Martin vor knapp elf Monaten den Australien Grand Prix 2023 aufgearbeitet, in dem er soeben Big Points im WM-Kampf mit Titelrivale Francesco Bagnaia verloren hatte. Anstatt die Rennstrategie seiner Kontrahenten zu spiegeln, hatte er damals auf die riskante Soft-Hinterreifen-Taktik gesetzt und wurde dafür gnadenlos bestraft. Aus einem möglichen Zehn-Punkte-Plus wurde auf Philipp Island ein Verlust von neun Zählern. Ein kombiniertes Punktedefizit von 19 Zählern also, welches letztlich großen Anteil an der WM-Niederlage gegen Bagnaia hatte - und eines, aus dem Martin offensichtlich doch nicht gelernt hat.
Denn am MotoGP-Sonntag in Misano unterlief ihm ein ähnlich gravierender Fehler: Als im San-Marino-GP zu Beginn von Runde sieben stärkerer Regen einsetzte, entschied sich der 26-jährige Spanier - zu diesem Zeitpunkt auf Platz zwei liegend, direkt hinter WM-Rivale Bagnaia - als einziger Fahrer aus der Spitzengruppe, zum Motorradwechsel auf Regenreifen an die Box zu kommen. Schon nach wenigen Augenblicken wurde jedoch klar, dass sich Martin damit verzockt hatte. Der Regen stoppte, die Strecke trocknete wieder auf und der Pramac-Pilot musste erneut zum Bike-Wechsel an die Box kommen. Das Rennen war gelaufen, Platz 15 plötzlich das Maximum.
Jorge Martin gesteht: Wollte nur das Rennen gewinnen
Bagnaia triumphierte hingegen im direkten Duell mit Martin ein weiteres Mal mit seiner Strategie und bestrafte den Spanier in der Fahrer-WM erneut brachial. Trotz des Verlustes von Platz eins an Marc Marquez konnte der Ducati-Star wie schon 2023 auf Phillip Island 19 Punkte auf Martin gutmachen, womit dessen zuvor komfortabler WM-Vorsprung von 26 Zählern nun schon wieder auf mickrige sieben Punkte zusammengeschmolzen ist.
"Weil es geregnet hat. Was soll ich sagen?", fragte ein sichtlich enttäuschter und kurzangebundener Martin wenige Stunden später zu Beginn seiner Medienrunde, als er von den anwesenden Journalisten nach seiner Entscheidung zum Bike-Wechsel befragt wurde. Er erklärte: "Ich habe nicht die richtige Strategie gewählt, so viel ist sicher. Ich dachte mehr an das Rennen und nicht an die Meisterschaft. Ich dachte, wenn ich das Rennen gewinnen will, dann wäre es besser zu stoppen."
Rückblickend eine fatale Entscheidung, weshalb sich der 'Martinator' nun auch selbst wieder an seine Worte von Philipp Island zurückerinnern muss: "Das nächste Mal werde ich einfach hinter Pecco warten und dasselbe [wie er] machen." Dass er zuvor auf das falsche Pferd gesetzt hatte, war ihm dabei recht schnell bewusst. Nach der Nässe auf der Strecke befragt, antwortete er: "Sehr, [Franco] Morbidelli kam ja zu Sturz. Es war also nass. Wenn es so weitergegangen wäre, dann hätte ich gewonnen. Aber von einer auf die andere Runde hat es aufgehört. Sobald ich aus der Box fuhr, habe ich das realisiert. Ich wartete noch ein bisschen, weil es vielleicht ja wieder zu regnen beginnen hätte können. Aber ich verstand dann, dass die beste Option war, wieder zurückzuwechseln. Wenigstens habe ich so noch einen Punkt bekommen."
Marc Marquez pokert korrekt: Du musst den Locals folgen!
Wie es besser gewesen wäre, zeigte am Sonntag Marc Marquez, der sich in den schwierigen Bedingungen all seine Erfahrungen aus 12 Jahren MotoGP zunutze machte. "Die Strategie von Martin war nicht verrückt. Wenn es noch eine Runde lang so weiter geregnet hätte, hätte er sogar die beste Strategie gehabt", verteidigt er die Entscheidung seines Landsmannes zunächst. Anschließend erklärt er aber: "Ich habe mir gesagt, dass ich den Jungs aus der Gegend folgen werde. Die italienischen Fahrer sind draußen geblieben, also habe ich das auch gemacht."
Eine Taktik, für die Marquez später mit dem Rennsieg belohnt wurde. Und dass er dabei ein gutes Näschen bewiesen hatte, bestätigten die Ducati-Werkspiloten wenig später. "Wenn es hier stark regnet, riecht die Strecke nach Wasser. Das war heute aber nicht der Fall, daher wusste ich, dass es nur ein kurzer Schauer sein würde und habe es daher bevorzugt, weiterzufahren. Das war die richtige Entscheidung", strahlte Enea Bastianini im MotoGP-Format 'After the Flag' und Francesco Bagnaia ergänzt: "Am Donnerstag hat es hier stark geregnet und sehr intensiv gerochen. Das kenne ich sehr gut. Heute hat es nicht so gerochen. Ich wollte daher kein Risiko eingehen."
Die beiden Italiener machten sich also ihre Expertise von tausenden Runden auf dem Misano World Circuit zunutze. Erfahrungswerte, auf die Martin eigentlich auch hätte zurückgreifen müssen. Schließlich hatte er Bagnaia ja direkt vor sich und hätte einfach nur auf ihn reagieren müssen. Der Spanier entschied sich aber anders und muss nun - wieder einmal - den Preis dafür bezahlen. Hilfe von seinem Team bekam er übrigens nicht, als Ausrede wollte der Pramac-Pilot dies aber nicht gelten lassen. "Wir haben vorher nicht darüber gesprochen. Ich wusste nicht genau, was kommen würde", sagt er und meint: "Vielleicht ist das der Grund, warum ich stoppte. Die Kommunikation mit dem Team ist immer sehr wichtig, diesmal hat vielleicht ein bisschen Verständnis zwischen uns gefehlt. Es war aber zu 100 Prozent meine Schuld."
Was sagt ihr: Hätte Jorge Martin mit Blick auf die WM weniger Risiko gehen müssen? Oder hättet ihr an seiner Stelle auch so gehandelt? Sagt es uns in den Kommentaren!
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