Lange Zeit sah es im Australien Grand Prix der MotoGP so aus, als könnte Polesitter Jorge Martin mit einem Rennsieg die perfekte Antwort auf seinen Indonesien-Patzer aus der Vorwoche liefern und den Rückstand auf WM-Rivale Francesco Bagnaia auf bis zu sechs Punkte verkürzen. Doch in den letzten drei Runden wendete sich das Blatt dramatisch: Der führende Pramac-Pilot brach völlig ein und fiel in der letzten Runde noch bis auf Platz fünf zurück. Der Rückstand in der Fahrer-WM wuchs auf 27 Zähler an.

"Wir haben die falsche Entscheidung getroffen, aber im Nachhinein ist es natürlich immer leicht zu sagen, welche Reifenmischung die Richtige war", klagte Martin am Samstagnachmittag bei 'DAZN'. Er war im 27 Runden umfassenden Hauptrennen auf Phillip Island Risiko gegangen und hatte als einer von nur drei Piloten den weichen Hinterreifen gewählt, das restliche Feld setzte auf den härteren Medium-Reifen. Das machte sich bezahlt: Während der WM-Zweite in den letzten Runden kein Gummi mehr übrighatte, holte die Konkurrenz um Pramac-Teamkollege Zarco und WM-Kontrahent Bagnaia in großen Schritten auf und ging schließlich noch vorbei. Martin fiel bis auf Platz fünf zurück.

Brad Binder, Johann Zarco, Fabio Di Giannantonio, Jorge Martin und Francesco Bagnaia in der letzten Runde des Australien-GP
Jorge Martin wurde in der letzten Runde noch von der Konkurrenz abgefangen, Foto: MotoGP

Doch warum hatte sich der Spanier überhaupt entgegen der Mehrheit entschieden? "Mit dem Medium hatte ich nicht das Gefühl, ausbrechen zu können", erklärt er. "Mit dem Soft-Reifen gab es da einen großen Unterschied und ich sagte mir, dass ich mir mit ihm drei Sekunden Vorsprung herausfahren und dann kontrollieren kann. Und genau das habe ich auch getan. Diese drei Sekunden habe ich sogar mit einem weichen Fahrstil erreicht, ich habe nicht stark gepusht." Umso überraschender wurde der Pramac-Pilot dann vom Einbruch in den letzten Runden erwischt: "Das macht mich wütend. Denn obwohl ich den Reifen das ganze Rennen über geschont habe, war am Ende nichts mehr übrig."

Auch Marc Marquez und Pol Espargaro brechen ein: Soft-Reifen falsche Wahl!

Die anderen beiden Fahrer, die sich auf dem weichen Hinterreifen ins Rennen gewagt hatten, ereilte ein ähnliches Schicksal. Pol Espargaro fiel schon ab Rennmitte aus dem Verfolgerfeld bis ans hintere Ende des Feldes zurück und Marc Marquez brach knapp sieben Runden vor Schluss ein. Der Repsol-Honda-Pilot, zwischenzeitlich mit Jack Miller und Aleix Espargaro im Kampf um Platz sechs, konnte letztlich gerade so als 15. noch einen WM-Punkt ins Ziel retten. "Wir wussten, dass der Soft schneller abfallen würde als der Medium, aber nicht so schnell und so stark", ärgerte sich Espargaro und Marquez meinte: "Letztes Jahr hat uns der Soft das Podium beschert, dieses Jahr ist der Reifenpoker nicht aufgegangen."

Im restlichen Feld herrschte dagegen schnell Einigkeit, dass der Medium die korrekte Variante für das Hauptrennen war. "Jorge war der Einzige, der eine Chance auf dem Soft hatte, weil er gestern viele Runde gefahren ist und sehr schnell war. Sein Maximum waren aber 19 Runden mit Zwischenstopp, das Rennen ist da nochmal eine andere Geschichte", erklärte Bagnaia seine Entscheidung gegen den Soft-Hinterreifen. Rennsieger Zarco fand in der offiziellen MotoGP-Pressekonferenz ähnliche Worte: "Ich habe über den Soft nachgedacht, mich dann aber daran erinnert, dass ich eine Time-Attack damit gefahren bin und er schon im zweiten Umlauf etwas langsamer war. Wie sollte das also erst nach 27 Runden werden?"

Jorge Martins Soft-Hinterreifen war nach Rennende völlig zerstört, Foto: LAT Images
Jorge Martins Soft-Hinterreifen war nach Rennende völlig zerstört, Foto: LAT Images

Lehren gezogen: Martin will in Zukunft mit gleichen Waffen kämpfen

"Nächstes Mal wird mir das nicht mehr passieren, wir lernen daraus", sagt Martin und versucht, positiv gestimmt zu bleiben: "Wir hatten heute einen guten Tag. Die Pole war stark, dann konnte ich sehr schnell und kontrolliert fahren. Ich hatte einfach nicht erwartet, dass der Reifen so stark einbrechen und ich meine drei Sekunden Vorsprung verlieren würde. Das ist jetzt nunmal so, wir machen weiter."

Darüber hinaus steht bereits jetzt fest: Im restlichen Saisonverlauf will Martin kein Risiko mehr bei der Reifenwahl eingehen. "Wir werden ab jetzt mit den gleichen Waffen [wie Bagnaia, Anm.] kämpfen, darüber gibt es keine Diskussion."