Die Königsklasse des Zweiradmotorsports? Das ist natürlich die MotoGP! Und das hat einen triftigen Grund, denn MotoGP-Bikes sind nicht nur waschechte Prototypen, sondern auch die schnellsten Motorräder der Welt. Das zeigt sich in diesem Jahr einmal mehr eindrucksvoll. Egal ob Katar, Portimao, Austin oder Jerez: An jedem der bisherigen vier Rennwochenenden der MotoGP-Saison 2024 wurden neue Rundenrekorde aufgestellt, teils mit gigantischen Zeitsprüngen gegenüber den vorangegangenen Bestwerten. Das liegt zum einen an der immer ausschweifenderen Aerodynamik an den Motorrädern von Ducati, Aprilia und Co., die 2024 ein neues Level erreichte. Aber es gibt auch noch einen weiteren Faktor, den wohl nur die Wenigsten auf dem Zettel haben.
"Die Motorräder verbessern sich jedes Jahr enorm. Bei der neuen Aerodynamik können schon kleine Veränderungen große Unterschiede bewirken. Und dann sind da noch diese neuen Reifen, sie bringen so viel mehr Performance [als in den vergangenen Jahren, Anm.]. Wir haben das schon beim Sepang-Test in Malaysia gesehen, sind dort 1:56er-Zeiten gefahren. Das ist unglaublich. Danach haben wir es in Katar und Austin gesehen", stellte etwa Weltmeister Francesco Bagnaia am Rande des Jerez-Wochenendes fest und sprach MotoGP-Einheitshersteller Michelin damit ein großes Lob aus. Worte, die in den zurückliegenden Jahren nur selten zu hören waren. Vielmehr fand sich das französische Unternehmen zumeist im Mittelpunkt zahlreicher Reifendramen wieder.
Neue Michelin-Reifen 2024: Fast schon zu gut!
Ein solches erlebte 2023 in Katar etwa Jorge Martin, der anschließend sogar von einer ihm gestohlenen Weltmeisterschaft sprach. Doch nun findet auch er ganz andere Worte für das Michelin-Gummi: "Sicherlich haben sich die Motorräder etwas verbessert, aber ich glaube, dass diese Saison vor allem die Reifen in ihrer neuen Generation einfach viel besser geworden sind. Dadurch haben wir sogar ein paar Probleme mit dem Bike, weil sie zu viel Randgrip bieten." Enea Bastianini stimmt zu: "Die Reifen haben sich dieses Jahr stark verbessert. Du kannst die Front jetzt viel stärker belasten." Und dann ist noch Maverick Vinales, der weiß: "Die neue Reifentechnologie ist viel konkurrenzfähiger. Kombiniert mit den Verbesserungen im Aerodynamikbereich kannst du die Kurven viel stärker attackieren und später bremsen."
Speziell Michelins Vorderreifen hatte in der MotoGP in den vergangenen Jahren für viel Gesprächsstoff gesorgt. Die Piloten klagten regelmäßig, dass das Gummi viel zu temperaturanfällig sei und der Luftdruck beim Fahren in der 'Dirty Air' eines Vordermanns zu stark ansteige. Das wiederum führte nicht nur zu schlechterem Racing, weil Überholen immer schwerer wurde, sondern auch zu einem schwammigen Gefühl für die Front, was die Sturzgefahr erhöhte. Durch die im Spätsommer 2023 eingeführte Reifen-Mindestdruckregel wurde dieses Problem zusätzlich verschärft. Zur Saison 2024 reagierte Michelin allerdings und brachte in einem ersten Schritt eine neue Gummimischung, die besser an die Herausforderungen der modernen MotoGP angepasst wurde. Die vorherige Variante kam bereits seit 2017 zum Einsatz, als die Bikes noch gänzlich anders aussahen und funktionierten. Das 'Update' zur neuen Saison entpuppte sich dabei als voller Erfolg, das zeigt ein Blick auf die Rundenzeiten der ersten Rennwochenenden 2024.
Alle MotoGP-Rundenrekorde 2024 in der Übersicht:
Grand Prix | Neuer Rundenrekord | Bisheriger Rundenrekord | Neuer Rennrundenrekord | Bisheriger Rennrundenrekord |
---|---|---|---|---|
Katar | 1:50.789 Minuten (Jorge Martin) | 1:51.762 Minuten (Luca Marini) | 1:52.657 Minuten (Pedro Acosta) | 1:52.978 Minuten Enea Bastianini) |
Portugal | 1:37.226 Minuten (Marc Marquez) | 1:37.226 Minuten Marc Marquez) | 1:38.685 Minuten (Marc Marquez) | 1:38.872 Minuten (Aleix Espargaro) |
Amerika | 1:00.864 Minuten (Maverick Vinales) | 2:01.892 Minuten (Francesco Bagnaia) | 2:02.575 Minuten (Maverick Vinales) | 2:03.126 Minuten (Alex Rins) |
Spanien | 1:36.025 Minuten (Francesco Bagnaia) | 1:36.170 Minuten (Francesco Bagnaia) | 1:37.449 Minuten (Francesco Bagnaia) | 1:37.669 Minuten (Francesco Bagnaia) |
Schon beim Saisonauftakt in Katar sorgte Martin für Aufsehen, als er den bisherigen Rundenrekord, den Luca Marini erst wenige Monate zuvor beim Gastspiel im November 2023 aufgestellt hatte, im Qualifying um fast eine ganze Sekunde unterbieten konnte. Rund einen Monat später in Austin dann das gleiche Bild: Vinales pulverisierte den bestehenden Rundenrekord um 1,028 Sekunden. In Jerez fiel der Allzeit-Rundenrekord sogar schon am Trainingsfreitag um wenige Hundertstel und wäre im Qualifying wohl nochmal deutlich gedrückt worden, hätten leichte Regenschauer nicht für eine nasse Strecke gesorgt. Einzig in Portimao sah die MotoGP keinen neuen Bestwert. Dort hatten jedoch Regen und Sand auf der Strecke für schlechte Gripverhältnisse gesorgt und Verbesserungen unmöglich gemacht.
Als die Strecke bis zum Grand Prix am Sonntagnachmittag 'freigefahren' war, fiel beim Gastspiel an der Algarve immerhin noch der bisherige Rennrundenrekord von Aleix Espargaro aus dem Jahr 2023. Marc Marquez war knapp zwei Zehntel schneller unterwegs gewesen. Eine Verbesserung, die auch am vergangenen Wochenende in Jerez zu erkennen war. Beim Saisonstart in Katar drückte Pedro Acosta den bestehenden Rennrundenrekord sogar um drei Zehntel nach unten und in den USA fuhr Vinales am Rennsonntag auf dem Weg zu seinem ersten Grand-Prix-Sieg seit 2021 nochmal fast sechs Zehntel schneller als Alex Rins im Vorjahr. In sieben von acht Fällen konnte die MotoGP 2024 also neue Bestwerte aufstellen.
Und das neue Michelin-Gummi kann übrigens nicht nur schneller, es kann die verbesserte Performance auch über die Renndistanz aufrechterhalten. 2024 sind die MotoGP-Sprints im Schnitt um sieben Sekunden schneller geworden, die Hauptrennen sogar um knapp zehn Sekunden - trotz zahlreicher Duelle an der Spitze. Einzig am vergangenen Wochenende in Jerez waren die beiden Rennen dezent langsamer als im Vorjahr.
Konkurrenz für Michelin: Pirelli seit 2024 neu in der Motorrad-WM dabei
Nach der harten Kritik an Michelin in den vergangenen Jahren war diese Verbesserung allerdings auch notwendig, denn im Hintergrund brachte sich diese Saison ein potenzieller Nachfolger in Stellung. Die Moto2- und Moto3-Klassen werden nämlich seit 2024 von Pirelli beliefert. Der italienischer Reifenhersteller ersetzt Dunlop und überzeugte in den kleinen Kategorien von den ersten Testfahrten weg mit deutlichen Rundenrekorden. Michelins aktueller Vertrag als Einheitsreifenhersteller der MotoGP läuft noch bis 2026, danach könnte theoretisch Pirelli übernehmen.
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