Die MotoGP-Weltmeisterschaft erlebte am Sonntag in Katar ihre nächste dramatische Wendung. Nach einem katastrophalen Auftritt steht Pramac-Pilot Jorge Martin mit dem Rücken zur Wand. Im Sprint noch als Sieger abgewunken, wurde er im Grand Prix durchgereicht und kam nur auf Platz 10. Für den Spanier war klar, wer dafür verantwortlich war. Ein defekter Reifensatz soll ihn ausgebremst haben. Gegenüber Reifenlieferant Michelin erhob er gar den harten Vorwurf, sie hätten ihm die Weltmeisterschaft gestohlen.

Michelin sieht guten Job in widrigen Katar-Umständen

Michelins Sportdirektor Piero Taramasso war einmal mehr ein gefragter Mann im Paddock. Für den Reifenhersteller war Losail diesmal ein hartes Pflaster: "Es waren 22 Runden auf einer schwierigen Strecke mit neuem Asphalt. Wir kamen also ohne Informationen hierher." Durch die Renovierungsarbeiten der Strecke für die Formel 1 kam es zu zwei Unbekannten: Der bereits angesprochene neue Asphalt und neue Bedingungen, da nun im November und nicht im März gefahren wurde.

WM-Vorentscheidung durch Michelin! Martin hadert mit Schicksal (07:14 Min.)

Die Belastungen auf die Reifen waren hoch, aber Taramasso sieht einen guten Job seines Produktes: "Aufgrund des Reifenverschleißes, den wir [im Sprint, Anm. d. Red.] gesehen haben, wählten die Fahrer den harten Reifen. Die Rundenzeiten waren schnell. Wir hatten eine langsamere Rennpace erwartet. Die Rundenzeiten waren aber sehr schnell und konstant. Bastianini gelang in der letzten Runde die schnellste Zeit. Das war also ein positives Rennen."

Keine Erklärung für Martin-Drama, Analyse soll nachgereicht werden

Ein positives Rennen, gäbe es da nicht das Drama um Jorge Martin. Der Italiener in Diensten des französischen Reifenproduzenten konnte nur vertrösten: "Das einzig Negative war Jorge Martins Leistung. Er beschwerte sich zunächst über den Hinterreifen, aber dann auch über die Front, weil er über diese gepusht hat. Wir sehen uns die Daten an. Momentan ist es nicht leicht, etwas zu diesem Reifen zu sagen."

Michelin-Sportdirektor Piero Taramasso
Piero Taramasso muss sich derzeit vielen unangenehmen Fragen stellen, Foto: LAT Images

Michelin stochert noch im Dunkeln: "Alles, was wir sagen können, ist die Geschichte des Reifen. Er wurde in Frankreich hergestellt und dann direkt hierher [nach Katar] gebracht. Er wurde zuvor nie benutzt und nie erhitzt. Momentan gibt es also keinen Anhaltspunkt." Es handelte sich also nicht um einen sogenannten 'Pre-Heated-Tyre'. Diesen Effekt beklagten die Fahrer schon einmal 2021 beim Katar GP. Reifen, die schon einmal in Heizdecken erwärmt waren, lieferten schlechteren Grip, nachdem sie wieder auskühlten und erneut erwärmt wurden. Dies ist also keine Erklärung für Martins Misere. Taramasso kündigte aber Aufklärung an: "Sobald wir die Daten des Teams haben, werden wir das untersuchen und dann Jorge, Pramac und euch alle darüber informieren, was passiert ist."

Michelin am Pranger: Martin-Vorwurf und Mindestdruckregel

Michelin steht nun gehörig unter Druck. Nach seinem Horrorcrash in Barcelona forderte auch Martins WM-Rivale Francesco Bagnaia Aufklärung von Michelin ein, und bekam nie eine Antwort. Dazu ist der Reifenhersteller für die ab Silverstone durchgesetzte Mindestdruckregel verantwortlich, die Fahrer und Teams unisono als unsinnig und schlecht für den Sport ansehen. Als wäre dies alles nicht genug, meldet sich bald ein möglicher Konkurrent in der Motorrad-WM an. Formel-1-Austatter Pirelli beliefert seit Jahren die Superbike-WM und wird ab 2024 auch die Moto3- und Moto2-Kategorien mit Reifen bestücken. Der Vertrag von Michelin mit der MotoGP läuft noch bis 2026.