Die MotoGP-Saison 2022 war für Franco Morbidelli eine einzige große Ohrfeige. In 20 Rennen holte er gerade einmal und landete so auf dem 19. Rang der Gesamtwertung. Es war somit die schlechteste seiner bislang fünf Saisons in der Königsklasse. Gerüchte mehren sich, wonach Morbidelli, dessen Vertrag mit Ende 2023 ausläuft, schon bald ersetzt werden könnte, etwa durch Superbike-Ass Toprak Razgatlioglu.

Denn Morbidelli fehlte es in der abgelaufenen Saison nicht nur an Speed, er fiel auch immer wieder durch Unkonzentriertheiten unangenehm auf. Beim Deutschland-Grand-Prix wurde der Italiener erstmals abgemahnt, nachdem er langsam auf der Ideallinie unterwegs war. Eine Woche später wiederholte Morbidelli sein Vergehen in Assen, blockierte Marco Bezzecchi sowie Enea Bastianini und kassierte dafür eine Longlap-Penalty im Rennen.

Lerneffekt schien sich dadurch bei Morbidelli aber keiner eingestellt zu haben. Denn am Rennwochenende in Sepang fand sich der Yamaha-Mann schon wieder im Fokus der Stewards wieder. Er hielt im 3. Freien Training Marc Marquez und pikanterweise auch Francesco Bagnaia, damals WM-Rivale von Morbidellis Teamkollegen Fabio Quartararo auf. Sowohl Marquez als auch Bagnaia verpassten dadurch den direkten Einzug in Q2. Morbidelli wurde bestraft, dieses Mal sogar mit einer doppelten Longlap-Penalty für das Rennen am Sonntag. In diesem krachte Morbidelli nach einem übermotivierten Manöver in der Schlussphase in Aleix Espargaro und erhielt erneut eine Strafe: Drei Sekunden wurden auf seine Rennzeit addiert.

Eine erstaunliche Strafenserie für Morbidelli, der nie als unfairer Fahrer bekannt war. Und seine Strafen sind auch kaum auf böse Absicht zurückzuführen. Viel eher wirken seine Handlungen unbedacht, führen aber dennoch zu gefährlichen Situationen. Auch die Tatsache, dass er sich in relativ eindeutigen Situationen wie seiner Kollision mit Aleix Espargaro in Sepang keiner Schuld bewusst war, spricht nicht unbedingt für Morbidelli.

"Glücklicherweise gibt es überall Kameras", schmunzelt Opfer Espargaro. Angesprochen auf das Verhalten Morbidellis wird der Aprilia-Star aber schnell ernst: "Ich habe mit ihm nicht über diese Aktion gesprochen und habe auch absolut kein Interesse daran, es zu tun. Er kassiert ständig Strafen. Ich verstehe nicht, warum ihm die Stewards keine härtere Strafe aufbrummen, etwa eine Sperre für ein Rennen. Die bisherigen Strafen bringen ja offensichtlich nichts. Für mich ist die Situation absolut klar, aber Strafen auszusprechen ist nicht meine Aufgabe."

Vom Reglement gedeckt wäre die von Espargaro geforderte Strafe auf jeden Fall. Die FIM MotoGP Stewards dürfen neben den üblichen Bestrafungen wie Longlap-Penaltys, Zeitstrafen oder Startplatzstrafen Fahrer auch sperren oder völlig von der Weltmeisterschaft ausschließen. Derart radikal greifen die Stewards bei Vergehen auf der Rennstrecke aber normalerweise nicht durch. Als bislang letzter Pilot wurde Andrea Iannone von der MotoGP-WM ausgeschlossen. Der Grund war ein Dopingvergehen im Malaysia-Grand-Prix 2019.