Auf den ersten Blick wirkt das MotoGP-Qualifying-Ergebnis wie ein entscheidender Moment im Kampf um den Weltmeistertitel 2017. Marc Marquez fährt zur souveränen Pole Position, obwohl er seine Taktik aufgrund vieler Fahrer, die sich an sein Hinterrad hängen wollen, spontan ändern muss. Andrea Dovizioso hingegen kommt im Qualifying überhaupt nicht auf Speed und kommt nur auf Startplatz elf. Über 1,1 Sekunden fehlen ihm auf Marquez.

Betrachtet man den Samstag auf Phillip Island näher und bedenkt, wie das Rennen am Sonntag verlaufen könnte, sieht man ab, dass der Australien-GP alles andere als ein Selbstläufer für Marquez wird.

Beginnen wir mit den Umständen, die zum schlechten Qualifying Doviziosos geführt haben. In FP4 stürzte er bei der Anfahrt zu Kurve zehn. In der Bergabpasse klappte ihm einfach das Vorderrad weg. Ein Sturz, wie man in diesem Abschnitt auf Phillip Island häufig sieht. Die Piloten erhalten hier keinerlei Vorwarnung und wissen oft selbst nicht, wie es eigentlich zum Sturz kam. So auch bei Dovizioso, dem der Sturz eine Menge an Selbstvertrauen kostete. "Ich habe mich danach etwas verloren gefühlt. Und wenn du dich auf dieser Strecke nicht völlig sicher fühlst, verlierst du gleich eine Menge Zeit", verweist Dovizioso auf die vielen schnellen Kurven auf Phillip Island.

Dovizioso strauchelte im Qualifying, Foto: Ducati
Dovizioso strauchelte im Qualifying, Foto: Ducati

Dovizioso trotz schwachem Quali optimistisch

Dementsprechend weit von seinen Möglichkeiten entfernt war Dovizioso dann im Qualifying. "Auf meiner schnellsten Runde hatte ich drei gröbere Fehler", gestand er und schickte direkt eine Kampfansage nach. "Im Rennen wird meine Pace eine ganz andere sein. Ich mache mir keine Sorgen." Zusammen mit Marquez war Dovizioso der einzige Fahrer der in FP4 einen Run mit der Reifenkombination Medium/Medium abspulte, die Konkurrenz setzte auf den Soft am Hinterrad. Mit der weicheren Mischung könnten die Piloten in der Schlussphase des Rennens am Sonntag aber in große Probleme geraten, da der Streckenbelag auf Phillip Island für extrem hohen Verschleiß sorgt.

Mit guter Rennpace sollte Dovizioso also in der Lage sein, schnell Positionen gutzumachen. Das weiß auch Marquez: "In Motegi ist Dovi auch nur von Platz neun gestartet und nach vier Runden war er schon direkt hinter mir." Hinzu kommt, dass Phillip Island sehr gute Überholmöglichkeiten bietet - vor allem für die topspeed-starke Ducati.

Schafft es Dovizioso tatsächlich, relativ schnell ins Spitzenfeld vorzudringen, ist es durchaus realistisch, dass Marquez ihm noch nicht enteilt ist. Zwar war der Repsol-Honda-Star über das gesamte Wochenende deutlich der schnellste Pilot, doch wird er sich hüten, im Grand Prix am Sonntag eine Flucht nach vorne anzutreten.

Marquez ging auf Phillip Island schon zwei Mal auf P1 liegend zu Boden, Foto: MotoGP.com
Marquez ging auf Phillip Island schon zwei Mal auf P1 liegend zu Boden, Foto: MotoGP.com

Denn das Rennen der MotoGP beginnt, wie schon in den letzten Jahren, erst um 16 Uhr Ortszeit, um bessere TV-Zeiten für Europa - hier beginnt das Rennen um 7 Uhr lokaler Zeit - zu ermöglichen. Eine Tageszeit, zu der die Königsklasse das gesamte Wochenende noch nicht unterwegs war und zu der die Streckenverhältnisse auf Phillip Island stets kritisch werden. Die Temperatur sinkt oft rapide ab, Feuchtigkeit sammelt sich am Asphalt. Marquez stürzte bei diesen Bedingungen bereits 2014 und 2016 in Führung liegend aus dem Rennen. "Diese Strategie funktioniert hier nicht", musste er am Samstag zugeben. "Man muss die Reifen gut auf Temperatur bekommen und halten, ein Gefühl für das Motorrad aufbauen und sich langsam an das Limit herantasten."

Marquez: Dovizioso schlagen großes Ziel

Der ansonsten stets risikobereite Marquez will daher am Sonntag nicht alles für einen Sieg aufs Spiel setzen. "Ich werde versuchen, auf das Podium zu kommen. Das Wichtigste ist, vor Dovi ins Ziel zu kommen", erklärt er. Sämtliche Strategien könnten aber ohnehin Makulatur werden, wenn sich das wechselhafte Wetter auf Phillip Island wieder von seiner schlechtesten Seite zeigt. Für den MotoGP-Start liegt die Regenwahrscheinlichkeit zwar nur bei 20 Prozent, zuvor beträgt das Niederschlagsrisiko aber 40 Prozent. Gut möglich also, dass die Fahrer der Königsklasse mit Mischverhältnissen konfrontiert werden.