McLaren krönte sich in Singapur zum Konstrukteurs-Weltmeister. Doch die Berührung in Kurve 3 zwischen Oscar Piastri und Lando Norris überschattete die Feierlichkeiten. Die "Papaya-Rules" standen beim Flutlichtrennen ein weiteres Mal auf dem Prüfstand. Soll McLaren nach dem Titelgewinn auf die internen Racing-Regeln verzichten? Die Motorsport-Magazin.com-Redakteure Markus Steinrisser und Edda Holweg sind sich uneinig.

Pro: Angst vor Rüge hat im WM-Kampf nichts verloren

McLaren hat in Singapur mit haushohem Vorsprung die Konstrukteurs-WM gewonnen. Können wir jetzt endlich ein richtiges Duell um den Weltmeistertitel sehen? Mit den berühmt-berüchtigten "Papaya-Rules" verwehrte das Team aus Woking der Formel 1 bisher einen spannenden WM-Kampf. Bei gewagten Überholmanövern wurden die Fahrer zurückgepfiffen, bei langsamen Boxenstopps musste Platz getauscht werden. Die beiden WM-Kontrahenten frei fahren zu lassen, sieht anders aus.

Nach drei Jahren Verstappen-Dominanz hat die F1-Welt wieder einen Titelkampf verdient. Und jetzt hat McLaren, was sie wollten. Der Konstrukteurspokal ist im Gepäck, sie müssen für Erfolg nicht mehr auf Händchenhalten bauen – und sollten das auch nicht. In Singapur gab uns Lando Norris einen ersten Vorgeschmack, wie das Duell um die WM-Krone in den letzten sechs Rennen aussehen könnte. Das Manöver war toll, mehr davon! Dass Oscar Piastri am Funk wütete, war der perfekte Auftakt für das Ende des Welpenschutzes.

Das heißt nicht, dass sich Norris und Piastri in den restlichen sechs Rennen absichtlich abschießen sollen – darauf hoffen allenfalls die leidenschaftlichsten Verstappen-Fans. Aber Piastri und Norris sollten keine Angst haben, alles zu riskieren. Selbst wenn es nur um eine Position geht. Darum geht es in der Königsklasse des Motorsports. Beide Fahrer haben es verdient, ihre absolute Bestleistung zu bringen, ohne Rüge vom Chef zu fürchten. Da gehören gewagte Überholmanöver und Aufholjagden nach vermasselten Boxenstopps dazu. So verdient man sich den Titel "Weltmeister".

Denn Fakt ist, dass einer der zwei verlieren wird. Wer das ist, sollte nicht das Moralverständnis des Teams entscheiden. Die Entscheidung sollte auf der Strecke fallen – fair, aber auch hart. McLaren hat nichts zu verlieren, wenn sie die Papaya-Rules bis zum Ende der Saison abschaffen und der Formel 1 einen wirklichen Titelkampf bescheren. Sie können dadurch nur noch mehr gewinnen.

Edda Holweg

Offizielles Teamfoto von McLaren nach Titelgewinn
Norris, Piastri und McLaren feierten nach dem Singapur GP noch gemeinsam, Foto: IMAGO/HochZwei

Contra: Ruhig bleiben! Papaya-Rules nicht gleich Racing-Verbot

Wir neigen dazu, denke ich, die internen Regeln von McLaren überzubewerten. Es geht hier jedenfalls nicht um ein kategorisches Verbot, dass die beiden sich auf der Strecke bekämpfen dürfen. Es gibt Richtlinien, wie sie das tun sollen, aber nach Monza und Singapur sollten wir eigentlich ein ganz gutes Gefühl dafür haben, was das Team als "fair" erachtet und was nicht.

Ob man jetzt die präzisen Umstände der Regeln akzeptiert, etwa das wiederholte Anordnen von Platzwechseln durch das Team, das vorsichtige Agieren mit Sicherheits-Strategien oder was auch immer, das will ich hier gar nicht debattieren. Insgesamt denke ich, dass das Team wahrscheinlich schon zu viel Mikromanagement betreibt, aber das ist hier nicht die Fragestellung. Denn die Logik für mich hier ist die Prinzipientreue.

Da stimme ich Andrea Stella zu, wenn er seit Wochen predigt: "Der interne Wettbewerb in Sachen Fahrer-WM wird von unseren Prinzipien reguliert. Etwa Team-Interessen. Aber Team-Interessen heißt auch, dass wir faires Racing sicherstellen, dass sie ihre Ambitionen verfolgen können, dass es sportlich zugeht." 'Papaya-Rules' heißt einfach: So handelt das Team alles Interne ab. Nicht: So handelt das Team unter gewissen Umständen gewisse Dinge ab, aber in anderen Umständen vielleicht anders, wobei, das müssen wir erst in einem ganztägigen Meeting im MTC besprechen.

Ob man nebenbei um eine WM kämpft oder ob der Titel schon fix ist oder ob man einfach nur am Ende des Feldes fährt – das sind jetzt die Regeln und damit wird zu Ende gespielt. Vielleicht ist eine gesamtheitliche Reflexion im Winter angebracht, ob man die Angelegenheit nicht unnötig verkompliziert hat. Aber jetzt alles zum Fenster rauswerfen? Schlechte Idee. Die Hauptregel – kein Crash! – würde sowieso bleiben.

Markus Steinrisser

Ende des McLaren-Fairplays? Danner: Norris war auf Krawall aus! (30:07 Min.)