Der stets tiefenentspannte Oscar Piastri war auch auf der Auslaufrunde nach dem Rennen in Silverstone nicht aus der Ruhe zu bekommen. Zähneknirschend: "Wenn ich jetzt etwas sage, werde ich gesperrt." 10 Sekunden brummten ihm die FIA-Stewards für einen Zwischenfall mit Max Verstappen in Runde 21 vor dem Safety-Car-Restart auf. Völlig unverständlich selbst für Verstappen.
"Ich dachte, die Strafe sei ziemlich mies", wird Piastri nach dem Rennen deutlich. "Enttäuschend, wenn dir das verdiente Ergebnis so weggenommen wird." Er hatte in der verregneten Startphase früh Verstappen überholt und das Rennen kontrolliert. Eine an einem Punkt 14 Sekunden große Führung wurde jedoch von zwei Safety Cars ausgelöscht. Dann folgte in Runde 21 der Restart.
So erklären die FIA-Stewards die Strafe für Oscar Piastri
Piastri wurde dabei sofort auffällig. Als das Safety Car auf der Hangar-Geraden die Lichter ausmachte und davonfuhr, stieg er massiv auf die Bremse. Verstappen hinter ihm musste ausscheren und überholte ihn kurz. Sofort schalteten die Stewards sich ein. Piastri, so zeigte die Telemetrie, hatte 59,2 psi Bremsdruck ausgeübt und blitzschnell von 218 km/h auf 52 km/h verlangsamt.
Grundsätzlich darf der Führende das Tempo vorgeben, wenn die Lichter des Safety Cars ausgehen. Die Stewards beurteilten Piastris Aktion aber als Verstoß gegen Artikel 55.15 des Sportlichen Reglements, welcher bei Restarts unberechenbare Manöver verbietet, die andere Fahrer gefährden könnten. Infolgedessen erhielt Piastri 10 Sekunden Strafe und zwei Strafpunkte. Die 10 Sekunden musste er beim Wechsel von Intermediates auf Slicks kurz vor Schluss absitzen. Lando Norris erbte kampflos den Sieg.
So erklärt Oscar Piastri den Zwischenfall mit Max Verstappen
Piastri gibt dem Ablauf der Ereignisse die Schuld. Im Bestreben, das Rennen möglichst schnell wieder in Gang zu bringen, hatte der in der Rennleitung dafür zuständige Clerk of the Course auf den letzten Drücker für diese Runde noch die Nachricht "Safety Car Ending" ausgegeben, als Piastri und Verstappen schon auf der Hangar-Geraden kurz vor der Brücke waren. Zum Vergleich: Bei der vorangegangenen Safety-Car-Phase kam die Meldung "Safety Car Ending" zwei Kurven früher.
"Ich bin auf die Bremsen, und zugleich sind die Lichter aus, das war extrem spät", rechtfertigt sich Piastri so. Er hatte eigentlich nur seine Bremsen anwärmen wollen. "Dann habe ich nicht beschleunigt, weil ich ab da die Pace kontrollieren kann." Normalerweise gibt es eben ein paar Kurven Vorwarnung, ein paar Kurven Abstand zwischen "Safety Car Ending" und dem Ausgehen der Lichter. Hier aber passierte es fast zeitgleich.
"Ich habe das schon einmal im Rennen so getan, ich verstehe das nicht", vergleicht Piastri seine Handhabung der Situation mit dem ersten Restart. Sein Teamchef Andrea Stella ergänzt: "Zuerst wurde das Safey Car sehr spät reingerufen, bei Bedingungen, wo dir Reifen und Bremsen sehr leicht auskühlen. Die 50 psi Bremsdruck siehst du immer hinter dem Safety Car, wenn du zum Halten der Temperatur bremst und wieder beschleunigst."

"Wir müssen auch schauen, ob andere Wettbewerber die Situation schlimmer haben aussehen lassen als sie war", schielt Stella auf Verstappen, der sich auch gleich am Funk beschwert hatte. Verstappen versteht es nach dem Rennen allerdings selbst nicht: "Ich habe erst jetzt davon gehört. Mir ist das ein paar Mal schon passiert, dieses Szenario. Da finde ich es bloß seltsam, dass Oscar als Erster jetzt 10 Sekunden dafür bekommt."
Piastri-Manöver in Silverstone wie George Russell in Kanada?
Worauf Verstappen unter anderem anspielt, ist der diesjährige Kanada-GP. Wo hinter Safety Car (nicht aber beim Restart) George Russell vor ihm plötzlich verlangsamte. Auch da musste Verstappen ausscheren. Red Bull versuchte Russell per Protest eine Strafe anzuhängen, scheiterte aber. Interessant dabei: In den Protest-Dokumenten wurde auch hier der Bremsdruck verraten. Der war im Russell-Fall 30 psi - also nur halb so stark wie der von Piastri in Silverstone.
Piastri meint jedoch: "Ich denke nicht, dass er mir ausweichen musste. Er hat es auch beim ersten Mal geschafft. Wenn ich zu Kanada zurückgehe, dann musste er dort mehr ausweichen als heute." Stella kündigt klärende Gespräche mit den Stewards an: "Wir werden sehen, wie diese Situation anders interpretiert werden kann. Während des Rennens sagten wir nur, dass wir es für angemessen gehalten hätten, nach dem Rennen das im Detail mit den Fahrern zu klären. Auch, warum das Safety Car so spät reingeholt wurde. Um mit allen Elementen eine möglichst faire Entscheidung zu treffen."
Piastri hat noch nicht genügend Abstand, um sich auf so etwas einzulassen. Er sucht kein Gespräch mit den Stewards: "Ich glaube, das macht momentan keinen Sinn. Wäre ehrlich gesagt nicht besonders konstruktiv. Momentan ist mir das so ziemlich egal."
Oscar Piastri bekommt keinen geschenkten Sieg von McLaren
In seiner schlechten Laune fragte Piastri nach dem Boxenstopp noch einmal das Team, ob man nicht vielleicht einen Platztausch mit Norris orchestrieren könnte, wenn das Team die Strafe auch unfair finde. Das war der McLaren-Box keine ernste Überlegung wert. Piastri weiß es selbst: "Ich wusste die Antwort, bevor ich gefragt hatte. Ich wollte nur eine klitzekleine Hoffnung. Aber ich wusste, es würde nicht passieren."
Dem Team ist es egal. Andrea Stella erklärt: "Wir wollen, dass Oscar und Lando keine Dinge für sich behalten. Wenn du etwas denkst, sag es einfach. Wir evaluieren es." Tatsächlich wäre McLaren mit dem gigantischen Vorsprung sogar bereit gewesen, im Falle eines Safety Cars beide Fahrer gleichzeitig reinzuholen. Dann hätte Piastri seine Strafe vor Norris stehend absitzen dürfen und die Führung behalten. Aber unter Grün entschied McLaren gegen Spielchen: "Es war für beide fair." Das ganze Rennen gibt es hier im Bericht:
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