1. Warum starteten Gasly und Lawson aus der Box?
Beim Kanada GP 2025 standen nur 18 Autos in der Startaufstellung. Liam Lawson und Pierre Gasly starteten aus der Boxengasse. Warum? Hauptsächlich, weil sich das Duo auf den Plätzen 19 und 20 qualifiziert hatte. Wer die Parc-ferme-Bestimmungen bricht, muss aus der Boxengasse starten. Die beiden hatten also kaum etwas zu verlieren. Den Boxengassenstart nahm man in Kauf, um Motorkomponenten auszutauschen. Das hatte taktische Gründe, um den Vorrat an Motorkomponenten aufzustocken.
Das funktionierte nur, weil beide schon bei einigen Komponenten am Limit waren. Pierre Gasly bekam Batterie und Steuergerät Nummer drei, Liam Lawson abgesehen von der MGU-K eine komplett neue Power Unit. Um den neuen Motor nicht gleich zu beschädigen, musste Lawson im Rennen aufgeben, weil es ein Problem am Kühlsystem gab. Abgesehen vom Motorwechsel hatte man bei den Racing Bulls noch Änderungen am mechanischen Setup vorgenommen.
2. Warum war Mercedes so stark?
50 Grad Asphalttemperatur waren für Mercedes eigentlich der Worst Case. Seit Jahren haben die Silberpfeile Probleme mit Oberflächen-Überhitzen bei den Reifen. Trotzdem siegte George Russell erstmals in dieser Saison und Kimi Antonelli holte sein erstes Formel-1-Podium. Wie konnte das passieren? Mercedes hatte nach dem Rennen mehrere Erklär-Ansätze.
Einerseits kam dem F1 W16 die Streckencharakteristik entgegen. Auf dem Circuit Gilles Villeneuve gibt es kaum schnelle Kurven, die Reifen werden nicht wie sonst in der Formel 1 üblich herausgefordert. Dazu kommt ein recht glatter Asphalt. Die Kombination aus beiden sorgt für starkes Graining, ein Phänomen, das Mercedes recht gut im Griff hat. Außerdem hatten die Silberpfeile die neue Hinterachse, die in Imola erstmals ausprobiert wurde, wieder am Auto. Die wurde speziell dafür entwickelt, die Oberflächentemperatur der Hinterreifen möglichst niedrig zu halten.
3. Warum war McLaren so schwach?
Lando Norris und Oscar Piastri kollidierten nicht im Kampf um den Sieg, es ging lediglich um Platz vier. Mercedes so stark, McLaren so schwach? Bei der Streckencharakteristik verhalten sich die Boliden genau gegensätzlich. Die langgezogenen Kurven, die dem MCL39 so liegen, gibt es in Kanada nicht.
Aber wirklich schwach war McLaren bei genauerer Betrachtung gar nicht: Die Abstände waren auf dem kurzen Kurs extrem klein. Lando Norris hatte das Potenzial, auf Pole zu fahren, machte aber zu viele Fehler. Oscar Piastri hatte das ganze Wochenende etwas zu kämpfen. Im Rennen hatte McLaren wohl noch immer das schnellste Auto, allerdings war der Vorsprung kleiner. "Wir hätten 100 Runden gebraucht, um den Vorteil ausspielen zu können", meinte Lando Norris. McLaren war nicht schwach, nur nicht so überlegen.
4. Warum bekam Norris eine Zeitstrafe und keine Strafversetzung?
Auch wenn es nur um Platz vier ging, die Kollision der beiden McLaren-Piloten war die Szene des Rennens. Über die Schuldfrage waren sich sogar die Crash-Piloten einig. "Es gibt nur einen, der die Schuld daran trägt und das bin ich", sagte Lando Norris nach dem Rennen.
Deshalb ging der Vorfall auch vor die Stewards, die Norris mit einer Strafe belegten. Scheidet ein Fahrer aus und gibt es anschließend noch eine Strafe, wird sie eigentlich in eine Startplatzstrafe für das nächste Rennen umgewandelt. Bei Norris nicht. Weil er mehr als 90 Prozent der Renndistanz absolviert hatte, wurde er offiziell gewertet. Deshalb wurde ihm die Zeitstrafe angerechnet, die freilich keine Konsequenzen hatte.
5. Worüber beschwerte sich Charles Leclerc?
Charles Leclerc erlebte ein bitteres Wochenende. Seine Pace war eigentlich da, ein Fehler im 1. Training ließ ihn aber gleich zwei Sessions verpassen. Ein Fehler im Qualifying brachte ihm Startplatz acht statt Pole. Im Rennen fuhr er deshalb auf der alternativen Strategie mit Hard los. Während die Spitze schon früh zum Boxenstopp kommen musste, um die Medium-Reifen loszuwerden, fuhren Lando Norris und Charles Leclerc auf Hard weiter konkurrenzfähige Rundenzeiten.
In Runde 28 holte Ferrari Leclerc trotzdem überraschend zum Stopp. Der Monegasse verstand die Welt nicht mehr, weil er eigentlich draußen bleiben und mit einem Stopp auskommen wollte. So musste er später noch einmal stoppen. "Ja, wir hätten etwas riskieren können, wir hatten nichts zu verlieren", gestand Ferrari-Teamchef Fred Vasseur später. "Aber es war die richtige Entscheidung. Uns haben am Wochenende auch ein paar Runden gefehlt." Damit spielte er auf den Trainings-Crash von Leclerc an, der Ferrari schließlich Longrun-Daten aus zwei Trainings kostete.
6. Was war die beste Strategie?
Aber wer hat nun recht: Leclerc oder Vasseur? Was war die beste Strategie? Laut Pirellis Mario Isola ist die Frage einfach zu beantworten: "Zwei Stopps waren die schnellste Variante, der harte Reifen hat am besten funktioniert. Eine Einstopp-Strategie war möglich, aber es war eigentlich nur eine Option für die zweite Hälfte des Feldes, die wenig zu verlieren hatte." Tatsächlich setzten die ersten sieben des Rennens auf zwei Stopps (Piastri streng genommen durch den Stopp während des Safety Cars auf drei).
7. Wie kam Nico Hülkenberg in die Punkte?
Nico Hülkenberg war auf Platz acht der bestplatzierte Pilot mit lediglich einem Stopp. Der Deutsche hatte auch keine andere Chance, denn Sauber hatte als einziges Team nur noch einen Satz Hard behalten. Zwei Stints auf Medium waren nicht ratsam. Hülkenberg profitierte schon vor dem Start von den Strafversetzungen für Yuki Tsunoda und Isack Hadjar. Dadurch ging er von Platz elf aus ins Rennen. Zwei Plätze holte er sich in der Startrunde, als er den Zweikampf zwischen Alexander Albon und Franco Colapinto nutzte. Einen weiteren Platz hat er Lando Norris zu verdanken.
8. Warum war Lewis Hamilton so langsam?
Lewis Hamilton erwischte mit Platz fünf ein ordentliches, wenn auch kein überragendes Qualifying. Im Rennen zeigte sich aber früh, dass er keine Pace hatte. Vor Leclerc gestartet, fiel er schon nach dem ersten Stopp weiter hinter ihn zurück. Das hatte zwei Gründe: Einerseits kam Hamilton nach seinem ersten Stopp im Verkehr raus und verlor viel Zeit. Sein größtes Problem war aber eine Beschädigung, die er sich bei einer Kollision mit einem Murmeltier in der Anfangsphase des Rennens eingefahren hatte. Rund 20 Punkte Abtrieb oder fünf Zehntelsekunden pro Runde kostete ihn der Schaden.
9. Weshalb schied Alexander Albon aus?
Alexander Albons Rennen war nach Runde 1 praktisch vorbei. Durch den Zweikampf mit Franco Colapinto und den Umweg durchs Gras fiel der Thailänder weit zurück. Anschließend verlor er viel Zeit, weil er länger als alle anderen auf dem Medium-Reifen fuhr. Tiefpunkt eines desaströsen Rennens war aber ein Motorenproblem, das dem Debakel Runde 47 ein Ende setzte. Die Mercedes-Teams kämpfen in dieser Saison mit der Zuverlässigkeit des Triebwerks. Auch Teamkollege Carlos Sainz beschwerte sich über technische Probleme während des Rennens, Williams wollte aber nicht verraten, worum es sich handelete.
10. Warum legte Red Bull Protest gegen George Russell ein?
Das Rennen in Montreal hatte ein langes Nachspiel. Erst um 21:10 gab es das finale Rennergebnis. Zahlreiche Untersuchungen und zwei Proteste beschäftigten die Stewards bis in den Abend hinein. Vor allem die Proteste kosteten Zeit. 45 Minuten dauerte allein die Anhörung von Max Verstappen, George Russell und den Teamverantwortlichen von Red Bull und Mercedes. Red Bull hatte Sieger Russell gleich zwei Vergehen hinter dem Safety Car vorgeworfen.
Erstens soll Russell ungleichmäßig gefahren sein - angeblich sogar absichtlich, um Verstappen in eine Strafe zu treiben, die aufgrund seines Strafpunktekontos sogar möglicherweise eine Rennsperre nach sich gezogen hätte. Die zweite Anklage lautete: George Russell hielt zu viel Abstand zum Safety Car. Das Reglement erlaubt nur zehn Fahrzeuglängen. Den zweiten Protest zog Red Bull zurück, den ersten zog man durch. Die Stewards konnten der Argumentation des Verstappen-Teams aber nicht folgen und schmetterten den Protest ab.
11. Worum ging es bei den zahlreichen Safety-Car-Untersuchungen?
Die Stewards hatten aber noch mehr zu tun. Mit Stroll, Gasly, Sainz, Leclerc, Ocon, Piastri und Antonelli mussten sie gleich gegen sieben Fahrer eine förmliche Warnung aussprechen. Alle hatten in der Ehrenrunde andere Autos überholt. Diese übliche Praxis war aber in Kanada nicht erlaubt, weil das Rennen unter Safety-Car-Bedingungen beendet wurde. Yuki Tsunoda beschwerte sich über die Überholmanöver, schließlich hatte er im 3. Training eine Strafversetzung um 10 Positionen kassiert, weil er unter Rot am havarierten McLaren von Oscar Piastri vorbeigegangen war.
12. Worum ging es bei den Haas Untersuchungen?
Beide Haas-Piloten mussten nach dem Rennen bei den Stewards antanzen. Oliver Bearman hatte sich nicht an die Anweisungen des Rennleiters gehalten und sich nach unsachgemäßer Benutzung der Schikane nicht über den vorgeschriebenen Weg auf der Strecke einsortiert. Er kam mit einer förmlichen Warnung davon. Für Esteban Ocon gab es einen Freispruch. Ihm wurde unberechenbare Fahrweise vorgeworfen. Carlos Sainz fuhr am Ausgang der Boxengasse fast auf den Haas auf, weil der Franzose plötzlich stark verlangsamte. Dafür gab es aber einen guten Grund, denn die Strecke war zu diesem Zeitpunkt am Boxenausgang unter Doppelt Gelb.
diese Formel 1 Nachricht