Der Höhenflug von Oscar Piastri hat bei der Formel 1 in Imola einen Dämpfer erlitten. Klar, WM-Führender ist er noch immer, aber im Rennen landete er trotz Pole am Ende hinter seinen direkten Gegnern Max Verstappen und Lando Norris. Dieses Ergebnis hat zwei Seiten - Norris und besonders Verstappen machten im Rennen viel richtig. Piastri aber auch viel falsch, unterstreicht die Renn-Analyse.

Für den Start verfluchte sich Piastri nach dem Rennen sichtlich. Auch dieses Manöver hat zwei Seiten. Zum einen war es perfekt vorgetragen von Verstappen, der den Grip auf der Außenbahn richtig einschätzte und das Manöver am Haftungslimit durchziehen konnte. Piastri hätte es aber leicht verhindern können, meint der McLaren-Pilot selbst: "Indem ich 10 Meter später bremse."

Piastris grobe Schätzung in der Pressekonferenz direkt nach dem Rennen stellt sich als fast perfekt heraus - die Telemetrie-Daten zeigen, dass Verstappen 12 Meter später bremste. "Das hat die Pace freigesetzt", freute sich Verstappen über die frische Luft an der Spitze, dank der er die Pace vorgeben konnte. Die war viel besser als erwartet, und das trieb Piastri wenige Runden später in eine letztendlich desaströse Strategie-Spirale.

Strategie-Fiasko für Oscar Piastri aufgeschlüsselt

Schon in Runde 13 rief McLaren Piastri zum Boxenstopp. Eine offensichtliche Zweistopp-Strategie an einem Tag, an dem alle vorab mit nur einem Stopp geplant hatten und die Reifen das auch hergaben, wie von Verstappen und Norris bewiesen. Für Piastri hatte das eine Reihe von bitteren Konsequenzen.

Alle Formel-1-Boxenstopps in Imola
Alle Boxenstopps bei der Formel 1 in Imola, Foto: Pirelli

Zuerst musste er sich durch sieben Autos kämpfen. Dadurch konnte er trotz frischerer Reifen keine Zeit relativ zu Verstappen gewinnen. Das Rennen war damit so oder so schon verloren, als klar wurde, dass die Reifen hielten und Piastris Stopp unnötig gewesen war. Die Spätfolgen der Entscheidung: Piastri musste seinen zweiten Stopp im in Runde 29 ausgerufenen Virtuellen Safety Car ableisten. Zeitgleich stoppten Verstappen und Norris überhaupt erst zum ersten Mal.

So fiel Piastri auch hinter Lando Norris zurück. Es wurde mit dem Safety Car ab Runde 46 dann sogar noch schlimmer. Piastri hatte wegen seinen zwei Stopps jetzt bereits alle drei Hard- und Medium-Reifensätze verwendet, die er ins Rennen mitgenommen hatte. Verstappen und Norris hatten je noch einen Hard. Piastri musste also auf alten Reifen neu starten. Dank Norris' Stopp rutschte er zwar kurz wieder auf P2 auf, aber mit alten Reifen konnte er seinen Teamkollegen unmöglich halten.

Ursachenforschung: Hat McLaren in Imola Oscar Piastri per Strategie ruiniert?

Die Frage stellt sich nun: Wie kam McLaren auf diese Strategie? Nach dem Rennen lässt sich leicht sagen, dass sie offensichtlich falsch war. McLaren-Teamchef Andrea Stella tritt zur Verteidigung seiner Strategen an. Schuld sei die - für McLaren doch überraschend starke - Pace von Max Verstappen.

Nach dem verlorenen Start waren Team und Fahrer noch davon ausgegangen, dass dem Red Bull wegen der hohen Belastungen wie zuletzt in Miami bald die Reifen in die Knie gehen würden. Das passierte nicht. Red Bull meint, in Imola die Updates der letzten Rennen alle endlich auf einen Nenner gebracht zu haben. Zum ersten Mal war der RB21 im Renn-Trimm auch bei hoher Reifenbelastung schnell und gut ausbalanciert, und infolgedessen fiel es Verstappen um einiges einfacher, in Führung liegend seine Hinterreifen zu schonen.

Piastri war daher schon aus dem Undercut-Fenster gefallen und hatte fast drei Sekunden Rückstand, als er in Runde 13 zum Stopp gerufen wurde. Jetzt bei der Einstopp-Strategie zu bleiben hätte keinen Sinn mehr gemacht, meint Stella: "Wir mussten also abweichen, um eine Chance zu schaffen, mit der wir Max schlagen konnten." Die oft für ihre Passivität gescholtenen Strategen bewiesen diesmal Mut zum Risiko: "Für Oscar hätte das der Sieg werden können. Wenn du riskierst, passiert das eben manchmal."

Piastri hilft McLaren-Strategen zur falschen Imola-Strategie

McLaren stoppte sogar am perfekten Zweistopp-Punkt. Und kurz sah es richtig aus, hebt Stella hervor: "Im ersten Stint gab es eine Phase, wo die Reifen stark abzubauen schienen." Diesen Eindruck schien weiter hinten Charles Leclerc zu unterstreichen, der schon in Runde 10 stoppte. Damit trieb er vier weitere Fahrer aus den Top-10 in die Zweistopp-Falle.

Leclerc tat das, weil er als Neunter in einem DRS-Zug steckte, nichts zu verlieren hatte, und durch den Stopp nun freie Fahrt hatte, um die erstklassige Ferrari-Rennpace auszuspielen. Die Rechnung ging auf: Er gewann vier Plätze und musste davon nur einen gegen Lewis Hamilton wieder hergeben. Hamilton hatte die andere Risiko-Strategie gewählt, war schon mit Hard losgefahren und stoppte erst in Runde 29. Dadurch hatte er in Runde 46 beim Safety Car noch Reifen übrig. Leclerc musste, wie Piastri, auf alten Reifen fertigfahren.

Piastri hatte um einiges mehr zu verlieren als die Ferrari. Letztendlich muss er sich selbst Mitverantwortung aufbürden. Die McLaren-Box informierte ihn nämlich laufend über die Boxenstopps. Plan A, die Einstopp, sei sehr ambitioniert, gab Piastri daraufhin zu Protokoll. Die Nachfrage zum Wechsel auf Plan C bejahte er explizit. Daraufhin holte das Team ihn zum Stopp. "An dem Punkt hatte ich langsam zu kämpfen", erklärt er nach dem Rennen. "Müssen wir uns noch klarer anschauen. Vielleicht haben wir zu früh reagiert."

Verstappen und Norris stellten sich besser an. Bei Verstappen wurde ein früher Stopp gar nicht diskutiert. Norris wurde proaktiv empfohlen, draußenzubleiben - weil er sonst schon seinen Platz gegen Leclercs Undercut verloren hätte. Am Ende von Runde 12 bekam er trotzdem eine Stopp-Empfehlung, sofern er seine Pace nicht verschärfen konnte. Norris reagierte, indem er draußenblieb und die Pace anzog.

Hatte Oscar Piastri je eine Chance gegen Max Verstappen?

Auf Piastri-Seite hatte man darauf gepokert, dass der sich gegen Runde 10 abzeichnende Durchhänger der Medium die Ankündigung eines Einbruchs bei allen sei. Doch in Wahrheit schien das eine kurze, harmlose Graining-Phase auf der Hinterachse zu sein. "Sie erholen sich wieder etwas", merkte Norris in Runde 14 schon an. Ab Runde 17 hatten sich die Reifen wieder stabilisiert. Piastris erhoffter Vorteil materialisierte sich nie.

F1-Rätsel um McLaren-Pace: Verstappen zockt Piastri ab! (09:53 Min.)

Wäre Piastri nicht zum Stopp gekommen, dann wäre er höchstwahrscheinlich Zweiter geworden. Der Sieg war nicht drin - wie bereits angemerkt, bis Runde 13 hatte er schon fast drei Sekunden verloren. Um zu gewinnen, gibt es eine viel einfachere Lösung: Auf der ersten Runde 12 Meter später für die Tamburello-Schikane bremsen.

Dann wäre Verstappen nicht neben ihm gelandet, und Piastri wäre als Erster aus der Kurve gekommen. Sonst waren sich der Red Bull und der McLaren im Rennen ebenbürtig. Zwar verlor Norris im Schnitt zwei Zehntel pro Runde auf Verstappen, und Piastri drei Zehntel. Aber Piastri musste insgesamt acht Autos überholen, Norris anfangs George Russell und am Ende Piastri. Vergleicht man nur Runden mit freier Fahrt, war Norris im Schnitt fünf Hundertstel schneller als Verstappen. Eine Nichtigkeit.