1. Warum wurde Liam Lawson bestraft?
Weitab vom Drama der Spitze kassierte Liam Lawson in Saudi-Arabien 10 Strafsekunden. Aus dem gleichen Grund, aus dem auch Max Verstappen bestraft worden war: Abkürzen der ersten Schikane. Lawson tat es später im Rennen, in einem Zweikampf gegen Jack Doohan zog er in Runde 28 mit DRS am Alpine vorbei, bekam sein Auto aber nicht in die Kurve und fuhr um Zentimeter zu weit raus. Aber raus ist raus - entsprechend des Straf-Leitfadens für die Formel 1 belegten die Stewards Lawson mit 10 Sekunden.
2. Ist die Verstappen-Strafe dann nicht inkorrekt?
Hätte also auch Verstappen eigentlich zehn Sekunden erhalten müssen? Nicht unbedingt. Denn wie der Name schon sagt, handelt es sich nur um Leitlinien und um keine verpflichtenden Strafsätze. Am Ende liegt es immer noch in der Hand der Stewards, welche Strafen sie verteilen. Die Rennkommissare rechneten es dem Red-Bull-Fahrer als mildernden Umstand an, dass sich das Vergehen in der ersten Kurve der ersten Runde ereignete, und ließen es bei einer 5-Sekunden-Strafe bleiben. Es ist ein seit Jahren bekannter und auch kommunizierter Grundsatz, dass Zwischenfälle am Start bei der Verteilung von Strafen nachsichtiger behandelt werden als später im Rennen.
3. Warum gab Verstappen den Platz nicht zurück?
Max Verstappen hätte die 5-Sekunden-Strafe leicht vermeiden können, wenn er die am Start illegal gewonnene Führung umgehend an Oscar Piastri zurückgegeben hatte. Doch der Niederländer und Red Bull entschieden sich dagegen. Einerseits war man bei den Bullen der Meinung, dass Verstappen nichts falsch gemacht hätte, wie Christian Horner betonte, also sah man eine Strafe nicht als garantiert an.
Doch selbst wenn man mit einer Strafe gerechnet hätte, war es ein lohnenswerter Poker. Die Track Position war in Jeddah von besonderer Wichtigkeit, die verwirbelte Luft hatte viel Einfluss und die Pace des McLarens war zu stark. Verstappen und Piastri lagen im Renntrimm auf Augenhöhe. Falls Verstappen die Führung abgegeben hätte, wäre der Sieg aus eigener Kraft wohl außer Reichweite gewesen. "Es ist momentan in der Formel 1 so, dass du fast nicht Überholen kannst", drückte es Red-Bull-Motorsportberater Dr. Helmut Marko etwas dramatisch aus. Ohne Positionswechsel blieb immerhin noch den Versuch, vor dem Boxenstopp die für die Strafe notwendige Lücke herauszufahren. Das gelang nicht, aber Platz 2 wäre es ohnehin geworden.
4. Warum verweigerte Verstappen das TV-Interview?
Dass Max Verstappen mit der Strafe der Formel-1-Stewards nicht einverstanden war, ließ er ja schon am Boxenfunk alle wissen. Doch nach dem Rennen hüllte er sich in Schweigen. Im TV-Interview nach dem Zieleinlauf gab er sich schmallippig. Das begründete der Weltmeister damit, dass er nichts Falsches sagen wolle. Unter Anderem aufgrund des Strafenkatalogs der FIA fürchtete er negative Konsequenzen: "Das Problem ist, dass ich meine Meinung nicht teilen kann, denn dann bekomme ich eine Strafe", erklärte er in der Pressekonferenz, wo er ebenfalls eine Stellungnahme zur Strafe verweigerte.
Der Niederländer ließ durchklingen, dass es für ihn nach wie vor nicht ganz nahvollziehbar sei, welche Aussagen gemäß dem FIA-Strafenkatalog, der im Winter veröffentlicht wurde, nun erlaubt seien und welche bestrafenswürdig sind. Außerdem erklärte er, dass Schweigen ohnehin auf einer breiteren Ebene häufiger angebracht sei, wobei er explizit Social Media nannte. "Manchmal werden einem die Worte im Mund umgedreht oder werden anders interpretiert", sagte Verstappen und verortete ein gesellschaftliches Problem: "Man kann nicht mehr seine volle Meinung teilen, denn sie wird offenbar nicht wertgeschätzt oder Menschen können mit der Wahrheit nicht umgehen. Alle sind hochsensibel."
5. Denkt Red Bull über einen Einspruch gegen die Strafe nach?
Red-Bull-Teamchef Christian Horner und Dr. Helmut Marko waren sich nach dem Rennen einig, dass die Strafe gegen ihren Fahrer überzogen war. Horner brachte sogar eine ausgedruckte Aufnahme aus der Onboard von Verstappen mit zu einer Medienrunde, um zu beweisen, dass sich Verstappen nichts zu Schulden kommenlassen hatte und kein Vergehen vorlag. Wäre das ausreichend für einen Protest unter dem sogenannten "Right-of-Review"-Passus?
Wohl kaum. Die Strafe wurde bereits im Rennen beim ersten Boxenstopp abgesessen, eine Rückerstattung erscheint deshalb allgemein schwierig. Andere Kameraperspektiven als neue Beweise geltend zu machen, klingt ohnehin wenig ertragreich. Marko winkte ab: "Neue Beweise gibt's keine, das ist eben so." Horner wollte diese nicht vollkommen ausschließen, bezeichnete einen Protest aber als "höchst unwahrscheinlich."
6. Gibt es eine Strafe für den Crash von Yuki Tsunoda und Pierre Gasly?
Die beiden Ex-Teamkollegen Yuki Tsunoda und Pierre Gasly kamen in Saudi-Arabien nur fünf Kurven, dann touchierte Tsunoda das Hinterrad des außen angreifenden Gasly. Beide drehten sich in die Wand und fielen aus. "Ich habe so viel Platz gelassen wie möglich, er schien einfach zu untersteuern", meinte Gasly. Tsunoda hielt dagegen: "Ich hatte alles unter Kontrolle. Ich tat, so viel ich konnte, aber in der engsten Kurve, mit wenig Grip, sollten wir etwas vorsichtiger sein." Erst nach dem Rennen urteilten die Stewards: Keine Strafe, Rennunfall. In der Anhörung gestanden beide Fahrer, dass man dem anderen nicht ausreichend Schuld zuweisen kann.
8. Warum war der Red Bull so schnell?
Eine Woche nach einem desaströsen Auftritt in Bahrain überraschte Max Verstappen mit der Pole Position und mit einer starken Pace im Rennen, wo er auf Augenhöhe mit Oscar Piastri war. Es gab in Jeddah eine Reihe an Faktoren, die für den RB21 sprachen. Das Streckenlayout mit vielen schnellen Kurven spielte dem Bullen in die Hände, genauso wie der sanfte Asphalt, der die Reifen nicht stark forderte und somit die bislang größte Schwachstelle des diesjährigen Red Bull nicht so stark hervorhob.
Zudem gelang Red Bull in Saudi-Arabien, dass sie bereits am Freitagnachmittag eine gute Balance (damals nur für den Shortrun) fanden, auf der sich aufbauen ließ. In vielen Grands Prix in diesem Jahr und auch in der letzten Saison fischte die Milton-Keynes-Truppe bis zum Samstag im Dunkeln. Apropos dunkel: Die Nachtsessions scheinen auch die Überlegenheit der McLarens gegenüber den anderen Topteams stark gebremst zu haben, bei den noch heißeren Bedingungen unter Sonnenschein waren Norris und Piastri in einer Liga für sich.
9. Was lief bei Mercedes schief?
In Bahrain war Mercedes schnell genug, um einen McLaren aufzuhalten. In Saudi-Arabien wurde George Russell bis auf P5 durchgereicht und kam 27 Sekunden hinter der Spitze ins Ziel. "Die Reifen haben massiv überhitzt", erklärt Russell. "Anfangs hielten sie, dann pushte ich, um mit Max mitzuhalten, und dann stürzte ich von der Klippe." Der Vorderreifen entwickelte massive Blasenbildung, eigentlich hier ungewöhnlich. "Wir müssen verstehen, warum es hier so schlecht und in Bahrain so viel besser war", fordert Russell.
10. Warum war Lewis Hamilton so weit weg von Charles Leclerc?
0,531 Sekunden im Qualifying. 30,969 Sekunden im Rennen. "Im ersten Stint massives Untersteuern, massive Abnutzung, im zweiten Stint minimal bessere Balance, aber immer noch keine Pace." So lautet Lewis Hamiltons Beschreibung eines desolaten Sonntages. Das sind die Symptome. Die Gründe hat er nicht parat: "Es ist die Balance, das Gefühl vom Auto unter mir. Kein spezifisches Ding. Mehr kann ich nicht dazu sagen." Stattdessen fürchtet er ein Albtraum-Szenario: "Das könnte für den Rest des Jahres so laufen."
Es sind nicht die gleichen Probleme, die Charles Leclerc ebenfalls plagen, so viel stellt Hamilton klar. Auch Leclerc hatte in Saudi-Arabien Probleme, aber nur im Qualifying-Trimm: "Die sind nicht jedes Wochenende gleich. Hier waren es vier Zehntel in den ersten drei Kurven. Sonst waren wir schnell. Das müssen wir uns anschauen. Irgendwas machen wir eindeutig falsch." Als er sich im Rennen plötzlich dank eines verlängerten ersten Stints ohne Dirty Air vorfand, erwachte der SF-25 zum Leben, ermöglichte Spitzenzeiten und hatte nur wenig Reifenverschleiß. Nur sieht Leclerc 2025 fast nur Dirty Air - wegen schlechter Qualifyings.
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