Viel Drama bot Abu Dhabi in der Spitzengruppe der Formel 1 - hinter Lando Norris. In einer Must-Win-Situation blieb der McLaren-Pilot beim Saisonfinale cool und fuhr fehlerlos zu Sieg und damit zur Konstrukteurs-WM. Kann er sich dafür aber bei Pech und Unvermögen von Lewis Hamilton und Charles Leclerc bedanken? Die mussten schließlich nach verkorksten Startplätzen von weit hinten losfahren, zeigten aber erstklassige Aufholjagden.

Norris führte vorne alle 58 Runden an und ließ seinen einzigen echten Verfolger Carlos Sainz nach einem frühen Virtuellen Safety Car nie mehr auf mehr als zwei Sekunden herankommen. Die Stars des Rennens waren aber Leclerc, der von P19 auf P3 vorfuhr, und Hamilton, der P16 in P4 verwandelte.

"Vor dem Rennen war die Schätzung P6, aber rein nach Pace, und Medium mit Medium verglichen, war er zwei Zehntel langsamer als Lando", analysierte Mercedes-Teamchef Toto Wolff das Hamilton-Rennen. "Aber mit der Verkehrs-Situation von Lewis ... da wären wir vorne mit dabei gewesen." Wie gelangen also erst einmal die großen Aufholjagden?

Leclerc mit Meisterleistung beim Start in Abu Dhabi

Leclerc ist die größere Nummer. Schon allein deshalb, weil seine Startrunde ein absolutes Highlight der abgelaufenen Formel-1-Saison war. Von P19 katapultierte er sich binnen sechs Kurven auf P8. Indem er Alex Albon ausbeschleunigte. Den in Anti-Stall gefallenen Yuki Tsunoda passierte. Jack Doohan in der ersten Kurve ausbremste. Die drehenden Oscar Piastri und Max Verstappen sowie den ausweichenden Zhou Guanyu passierte. Hamilton innen in Kurve 3 überholte. Lance Stroll außen in Kurve 5. Und schließlich Liam Lawson, Valtteri Bottas und Sergio Perez mit einem mutigen Manöver außen in Kurve 6.

Damit hatte Leclerc nach dem Ende eines kurzen Virtuellen Safety Cars in Runde drei nur mehr eine Handvoll Mittelfeldler vor sich. In Runde 7 überholte er Kevin Magnussen, in Runde 10 Fernando Alonso, in Runde 12 Nico Hülkenberg. Dann war er im Heck von George Russell. So spektakulär lief das bei Hamilton nicht. Er profitierte in der ersten Runde primär vom Chaos und rückte vier Plätze vor auf P14. Dann steckte er bis Runde 12 hinter Liam Lawson fest. Erst ab Runde 15 war er befreit.

Mercedes schwächelt mit George Russell und beschenkt Leclerc

In den folgenden Runden kam den beiden Jägern aber vor allem ein schwacher George Russell entgegen. Der war hinter Pierre Gasly gestartet - und kam entgegen den Erwartungen nicht und nicht am Alpine vorbei. Hinter einem langsam abfallenden Gasly verlor Russell bis Runde 13 kontinuierlich Zeit. Und als Gasly endlich zu einem frühen Boxenstopp abbog, war das bei weitem nicht der erhoffte Befreiungsschlag.

Während Leclerc fast zur gleichen Zeit nach dem Überholen von Hülkenberg kurz freie Fahrt hatte und mit mittleren 1:29er-Zeiten sofort zu Russell aufschloss, hatte der Probleme damit, beständig unter 1:30 zu kommen. Ferrari reagierte mit einem aggressiven frühen Stopp in Runde 20. Zu früh für Mercedes, die Russell daraufhin draußenließen, um hintenraus einen Reifen-Vorteil aufzubauen.

Die dafür notwendige Pace hatte Russell nicht. Sofort begannen seine Zeiten zu schwanken. Leclerc hingegen überholte nach dem Stopp Gasly ohne relativ zum Mercedes Zeit zu verlieren und fuhr dann in zwei Runden fast zwei Sekunden heraus. Als Russell nach Runde 26 schließlich stoppte, hatte er die Position gegen Leclerc verloren. Und bei dem kam der von Mercedes erhoffte - und von Leclerc sogar befürchtete - Einbruch der Reifen nie.

Hamilton im letzten Stint mehrere Zehntel schneller als Norris

Leclercs Rennen illustriert deutlich eine suboptimale Strategie, erzwungen durch den Start von weit hinten. Viel Zeit im Verkehr, und ein früher Undercut-Stopp, der viel Leben aus dem Reifen zog. Dem Ferrari ging das im ersten Stint nötige Überholen aber viel einfacher von der Hand als Hamilton, der eben erst in Runde 12 an Liam Lawson vorbei und in frische Luft kam.

Dann aber drehte Hamilton auf. Mit dem vermeintlichen Vorteil der Hard-Reifen. Er war der einzige Fahrer, der statt Medium-Hard auf Hard-Medium als Strategie setzte. Zwar hatte er damit nur schwer überholen können, doch der Hard-Reifen hatte sich im Verkehr als robust erwiesen. Als das Mittelfeld nun abbog und Hamilton freie Fahrt hatte, war noch Saft im Reifen und er sofort schneller als Russell.

Ohne Zeiteinbruch hielt Hamilton bis Runde 34 durch, wechselte auf Medium und fuhr dann den bei weitem schnellsten Stint des Rennens. Mit 1:27,6 im Schnitt war er fast eine Sekunde pro Runde schneller als der nun auf Hard fahrende Russell, und vier Zehntel schneller als der Führende Norris. Im letzten Umlauf holte Hamilton so immerhin noch Russell ein, der sich gegen eine Attacke in Kurve 9 nicht mehr wehrte und seinem Teamkollegen im letzten gemeinsamen Rennen den vierten Platz mit fast überbordender Fairness überließ.

Nur McLaren kann Hard: Mercedes & Ferrari für halbes Rennen zu schwach

Doch Hamiltons Zeiten sind ein Trugschluss. Noch einmal: Hamilton war der einzige Fahrer mit Medium im Schluss-Stint. Das ließ ihn hintenraus besser aussehen. Für Ferrari und Mercedes war der Hard in Abu Dhabi keine Erfüllung. Er war robust, aber nicht schnell. Weder Hamilton im ersten Stint noch Leclerc, Russell und Carlos Sainz im zweiten wurden mit fortschreitender Renndauer und leeren Tanks besser. Die Zeiten stagnierten.

Unter dem Strich fuhren Leclerc und Hamilton abzüglich VSC und Boxenstopp ein gleich schnelles Rennen. Nur 8 Zehntel war Hamilton zwischen Runde 3 und Runde 58 langsamer. Russell wurde Fünfter, weil er nicht an Gasly vorbeikam, aber in seinen Versuchen den guten Medium verheizte. Dann musste er hintenraus den Hard aufziehen und konnte mit dessen flacher Performance-Kurve weder zu Leclerc aufschließen noch Hamilton abwehren. Relativ zu Hamilton verlor er 7,6 Sekunden, relativ zu Leclerc 8,5.

Was unterstreicht, wie gut die Rennen von Leclerc und Hamilton waren. Bis Runde 20 hatte Leclerc 18 seiner 31 Sekunden Rückstand auf Norris aufgerissen. Bei Hamilton waren es 28 seiner 36 Sekunden. Hätten sich beide diese Phase des starken Verkehrs mit besseren Startplätzen gespart, wäre ihr Leben sicherlich einfacher gewesen. Aber nicht unbedingt das Ergebnis besser.

In Abu Dhabi bewies sich nämlich vorne einmal noch das, was 2024 in der Mehrheit der Rennen eintrat. Mit leeren Tanks wird der McLaren gegen Ende eines Stints auf dem Hard-Reifen merklich schneller als die Konkurrenz. Norris konnte seinen direkten Gegner Carlos Sainz im ersten Stint nur mühsam abschütteln. Daher versuchte Ferrari auch mit einem früheren Stopp Norris per Undercut unter Druck zu setzen.

Sainz vermochte die Lücke direkt nach dem Stopp bis auf 2,093 Sekunden zu drücken. Dann begann Norris wegzufahren. Nur im Überrundungsverkehr stagnierten seine Rundenzeiten gegen Ende kurz. Nachdem er in Runde 51 Yuki Tsunoda und Lance Stroll los war, fand er sofort wieder in den Tritt. Das Fazit bleibt: Norris hatte das Rennen völlig unter Kontrolle. Daran hätten Leclerc und Hamilton wohl kaum etwas ändern können.