Nur bei einem Team ging es in den ersten Trainings zum Abu-Dhabi-GP am Freitag locker von der Hand. Nein, eigentlich sind es zwei Teams. McLaren führte die Formel-1-Konkurrenz, angefangen beim direkten WM-Gegner Ferrari, am Freitag ordentlich vor. Erster Verfolger ist kein etabliertes Top-Team, sondern Haas mit Nico Hülkenberg. Doch die Trainings-Analyse warnt vor Trugschlüssen.

Mehrere Faktoren spielten am Freitagabend in Abu Dhabi McLaren und Haas in die Karten. Zuerst einmal rollten sie so gut aussortiert wie kaum ein anderes Team auf die Strecke. "Das Auto fühlte sich den ganzen Tag gut an", unterstreicht Lando Norris, der mit 1:23,517 eine deutliche Bestzeit setzte. Zwei Zehntel vor Teamkollege Oscar Piastri, viereinhalb vor Hülkenberg, fast sechs vor Carlos Sainz im besten Ferrari.

Piastri unterstrich, wie gut vorbereitet McLaren nach Abu Dhabi gekommen war. Er hatte im 1. Training zugunsten von Ersatzfahrer Ryo Hirakawa zusehen müssen. Kaum dass er in FP2 ins Auto sprang war er schnell und fühlte sich wohl. Diese Berichte ähneln jenen aus dem Haas-Lager auffällig.

"Von FP1 an war das Auto in guter Form", bestätigte Hülkenberg. Teamkollege Kevin Magnussen versuchte in der Mittagspause etwas zu ändern, was nicht klappte. Kaum baute man zurück, lief der VF-24 wieder wie auf Schienen. Aber beide Teams haben ernste Zweifel an den Ergebnissen der Konkurrenz.

McLaren & Haas gut aussortiert - F1-Konkurrenten in Abu Dhabi nicht

Da ist zum einen einmal die grundsätzliche Balance. Wer in Abu Dhabi zu viel rutscht, der bezahlt im letzten Sektor hier einen teuren Preis. Wegen der vielen 90-Grad-Kurven und Traktionsbereiche leiden die weichen Reifen auf einer Runde enorm. Und je instabiler das Heck - und schlechtere Setups erzeugen zwangsweise mehr Rutschphasen - desto höher ist die Hitzebelastung der Hinterreifen.

Wenn die Hinterreifen durch den letzten Sektor überhitzen, dann rutscht das Auto durch jede der vier 90-Grad-Kurven mehr, und man beginnt eine Negativ-Spirale, die mehrere Zehntel kosten kann. Besonders deutlich war das am Freitag bei Red Bull zu sehen. Max Verstappen verlor im letzten Sektor vier Zehntel auf Norris.

Der Red Bull ist wie so oft in diesem Jahr schlecht ins Wochenende gestartet, weil das Arbeitsfenster des RB20 zu klein ist, um es berechenbar zu treffen. Die Vorderachse beißt wieder einmal nicht, und die Balance schwankt von Einlenkpunkt bis Scheitelpunkt unberechenbar.

Die Probleme in Abu Dhabi sind allerdings unter dem Strich weniger gravierend als in Katar, urteilt Motorsport-Berater Dr. Helmut Marko. Man testete in FP2 bei Verstappen und Sergio Perez unterschiedliche Setup-Richtungen mit mäßigem Erfolg. "Wenn wir um die Top-6 kämpfen, wäre das eine gute Wende", urteilt Verstappen nüchtern. Aber diese rutschbedingten Reifenprobleme könnten durchaus per Setup signifikant reduziert werden.

Ferrari und Mercedes hadern mit Qualifying-Defiziten

Auch die Mercedes taten sich im letzten Sektor schwer. Besonders George Russell, der allerdings experimentelle Setups im Hinblick auf 2025 ausprobierte. Seine Ergebnisse sind mit Vorsicht zu genießen. Lewis Hamilton wird nach Sonntag wohl nie wieder einen Grand Prix in einem Mercedes bestreiten, also machen für ihn Experimente keinen Sinn. Umso simpler sein Tag, umso zufriedener sein Fazit: "Ich habe nicht vor, heute Abend allzu viel am Auto zu ändern."

Aber auf eine Runde kam auch Hamilton nicht sauber durch den letzten Sektor: "Da haben wir Arbeit vor uns." Auch der eigentlich reifenschonende Ferrari kam mit dem letzten Sektor nicht zurecht. Weil die Runde mal wieder nicht gut anfing, als es dunkel wurde und die Temperaturen sanken. Wieder sind die Reifen in den ersten zwei engen Kurven 1 und 5 nicht voll da, der SF-24 lenkt nicht ein.

Das kostet über drei Zehntel, bevor man überhaupt auf der langen Geraden ist. Die Fahrer suchen jetzt einmal mehr nach einem Setup-Kompromiss, wenngleich ein auch nicht überragender letzter Sektor diesmal auf ein ganzheitlicheres Problem hindeutet. "Wir sind keine halbe Sekunde weg, aber wohl zwei bis drei Zehntel", lautet Carlos Sainz' ernüchterndes Fazit im Qualifying-Trimm.

Charles Leclercs Zeit ist allerdings nicht wirklich relevant. Er brach seinen ersten Versuch wegen Verkehr ab. Einen zweiten Versuch geben besonders die Hinterreifen hier kaum her. Leclercs sieben Zehntel Rückstand sind da noch respektabel. Obendrauf hatte er den ganzen Tag an den Folgen einer Lebensmittelvergiftung laboriert, wegen der er kaum geschlafen hatte: "Ich bin so müde, ich will nur ins Bett."

Hat Konkurrenz von McLaren & Haas den Motor runtergedreht?

Weiters schränkt das Thema Motor das Ergebnis von McLaren und Haas ein. Gegen Saisonende schrauben einige Teams die Leistung der inzwischen doch schon oft alten Power Units freitags immer weiter zurück. Besonders Red Bull hatte in Abu Dhabi wenig Lust aufzudrehen. In den Daten ist deutlich sichtbar, wie viel schlechter etwa Max Verstappen in den Beschleunigungsphasen auf den Geraden unterwegs war.

Wobei das interessanterweise nicht eindeutig beim Haas auftritt. Relativ zu Mercedes und Ferrari verliert Hülkenberg die meiste Zeit in den schnellen Kurven zu Rundenbeginn. Der (wie der Ferrari) das ganze Jahr schon reifenschonende Haas scheint tatsächlich zumindest am Freitag massiv davon zu profitieren, dass ihm hintenraus die Hinterreifen am Leben bleiben.

Überraschungsführender in den Trainings-Longruns von Abu Dhabi

So stellt sich nun logischerweise die Frage: Was kann der Haas dann im Renntrimm? Und leider kann die nicht eindeutig beantwortet werden. Hülkenberg fuhr einen sehr guten Longrun, sogar den schnellsten des Tages - auf Soft. Das hat sehr beschränkte Aussagekraft, wenn fast alle anderen nur den Medium hernehmen. Und Pirelli nach dem Freitag erst einmal eine Medium-Hard-Einstopp ins Visier zu nehmen scheint.

Natürlich ist die Pace auf dem Medium generell langsamer. Pirelli spricht von einem Delta von sieben Zehnteln, was aber nicht unbedingt verlässlich einfach nur auf den Longrun-Schnitt von Hülkenberg aufgerechnet werden kann. Zu variabel sind die Reifenmischungen, wenn erst einmal Abnutzung einsetzt. Die ist hier hitzebedingt am Heck, während die Vorderreifen leicht an Graining leiden.

Richtige Vergleiche lassen sich nur zwischen den Medium-Piloten treffen. Etwas überraschend sitzt dort Hamilton obenauf, dicht gefolgt von Norris. Sergio Perez sprengt das McLaren-Duo und untermauert den Eindruck, dass der Red Bull im Renn-Trimm eigentlich gar nicht so schlecht aussah, mit einem Verstappen dicht auf den Fersen von Oscar Piastri. Red Bull wie von Verstappen suggeriert schon abzuschreiben wäre etwas voreilig, erst recht nachdem man in Katar bewies, dass das Auto - wenn es ins Arbeitsfenster findet - richtig schnell sein kann.

Ferrari vor WM-Showdown mit McLaren gehörig unter Druck

Viel wird besonders bei Red Bull also an der anlaufenden Simulator-Nachtschicht in Milton Keynes hängen. Das bringt uns zu einem bemerkenswert uninspirierten Ergebnis von Ferrari, denen es in Abu Dhabi nicht anders geht. Leclerc verliert schon vier Zehntel auf die Spitze. Es ist hier definitiv mehr als nur ein Problem, die Reifen für die ersten zwei Kurven auf Temperatur zu bekommen.

Momentan stehen die Vorzeichen schlecht für Ferrari, die 21 Punkte große Lücke zu McLaren im Duell um die Konstrukteurs-WM noch einmal unter normalen Umständen zu schließen. Schlimmer noch: Als man vor FP1 das Leclerc-Auto startete, sah man sofort ein Problem mit dem Hybrid-Energiespeicher, musste ihn bei Strafe tauschen, und jetzt muss Leclerc zehn Plätze in der Startaufstellung zurück. Gepaart mit unauffälliger Rennpace eine denkbar schlechte Position.