Beim Großen Preis von Katar der Formel 1 waren die Reifen ein zentrales Thema. Im Rennen nutzten die Fahrer ihre Medium-Reifen viel länger als vom Reifenproduzenten Pirelli empfohlen. Mercedes-Pilot Lewis Hamilton und Ferrari-Fahrer Carlos Sainz zogen sich jeweils einen Reifenschaden zu. Wie konnte es zum Versagen der Reifen bei den Fahrern kommen? Motorsport-Magazin.com hat bei Pirelli-Motorsportchef Mario Isola nachgefragt.
Mario, weshalb ist bei Lewis Hamilton und Carlos Sainz der linke Vorderreifen geplatzt? War eine Mischung aus Reifenverschleiß und den Trümmerteilen auf der Strecke verantwortlich?
Mario Isola: Wahrscheinlich, ja. Um das bestätigen zu können, müssen wir aber die Reifenanalyse in Mailand abwarten. Wir machen eine vollständige Analyse, wenn die Reifen zurück sind. Nach den ersten Anzeichen sieht es danach aus, dass der linke Vorderreifen komplett abgefahren wurde. Die Konstruktion und auch die Bruchteile des zerstörten Seitenspiegels waren sichtbar. Mit den Trümmern konnte man sich schnell einen Platten einfahren.
Gestern habt ihr eine Ein-Stopp-Strategie prognostiziert, bei der die Teams nach etwa 23, 24 Runden mit dem Medium-Reifen zum Boxenstopp kommen sollten. Warst du überrascht, dass die Fahrer deutlich mehr als 30 Runden auf den Mediums gefahren sind?
Mario Isola: Ja, weil wir zudem durch das Sprintrennen auch vom hohen Verschleiß wussten. Fast alle Fahrer hatten den Medium-Reifen genutzt, deshalb haben wir genügend Daten zur Verfügung. Selbst bei 19 Rennrunden gab es schon einige Autos mit vollständig abgenutzten Reifen. Und heute wurden 35 Runden gefahren. Wir wussten, dass die Abnutzung ziemlich groß war.
Im Rennen blieben die Rundenzeiten allerdings auf hohem Niveau. Deshalb wollten die Teams nicht die Reifen wechseln. Und als sie den Seitenspiegel auf der Geraden gesehen haben - da haben sie auf ein virtuelles Safety Car gewartet, um beim Boxenstopp weniger Zeit zu verlieren. Sie waren schon nah dran, in die Box kommen zu müssen, wollten aber nicht. Als es die Reifenschäden gab, mussten alle wechseln.
Ferrari-Teamchef Fred Vasseur sagte überraschenderweise, dass sie gern noch viel länger auf den Mediums gefahren wären. Wahrscheinlich hatten sie keine Ahnung, wie weit die Reifen tatsächlich schon verschlissen waren...
Mario Isola: Wir warten noch auf die Telemetriedaten und Bildaufnahmen der Reifen. Bei Betrachtung der Bilder fällt auf, dass der Reifen langsam Luft verliert. Das ist typisch für einen schleichenden Platten. Aber wir wollen nicht schon vorzeitig eine Diagnose treffen.
Bevor Pirelli Reifenproduzent der Formel 1 wurde, gab es bei starkem Reifenverschleiß drastisch schlechtere Rundenzeiten, bevor der Reifen endgültig aufgab. In der Pirelli-Ära gibt es das nicht mehr. Warum?
Mario Isola: Weil unsere Komponenten so gut sind, dass die Reifen nicht an Leistung verlieren [lacht]. Es gibt immer noch ein bisschen Gummi auf dem Reifen, er ist nie auf der gesamten Lauffläche vollständig abgefahren. Dadurch hat man immer noch ein bisschen Performance übrig. Und das half heute den Teams. Bei schnell abbauenden Rundenzeiten müssen sie früh an die Box kommen, um zu wechseln. Heute blieben die Zeiten allerdings konstant, sodass sie sich den Zeitpunkt des Stopps heraussuchen konnten. Der Reifenabbau hat keine Verschlechterung der Rundenzeit bewirkt.
Helfen solche Rennen, bei denen die Reifen nahezu vollständig abgefahren werden, bei der Entwicklung der Reifenprofile und Verschleiß-Modelle für die Zukunft?
Mario Isola: Das Reifenprofil wollen wir andauernd verbessern. Aber es geht nicht nur um das Profil: Ein Rennreifen arbeitet unter dem Auto und nicht alle F1-Boliden sind gleich. Deshalb haben wir unterschiedliche Verschleiß-Modelle für unterschiedliche Rennwagen. Wir können deshalb auch kein Profil entwickeln, bei dem sich die komplette Lauffläche bei allen gleichmäßig abbaut.
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