Vier Rennen vor Schluss sind die Nerven der WM-Kontrahenten im Fahrerlager der Formel 1 zum Zerreißen gespannt. Seit Wochen schon sind Red Bull und McLaren heiß darauf, sich gegenseitig ein technisches Vergehen anzulasten. Am Samstag in Brasilien sickerte nun das nächste Gerücht durch. Diesmal ist wieder McLaren die Zielscheibe.
Wie zuerst von den Kollegen von 'Auto Motor und Sport' berichtet, kursieren Verdächtigungen, wonach mehrere Teams - darunter McLaren - Wasser in ihre Reifen einfüllen. Damit soll ein Kühleffekt im Rennen erzielt und der Reifen besser kontrolliert werden. Schon kleine Mengen sollen dabei ausreichende Auswirkungen haben.
Die Vorwürfe drangen schließlich auch bis zu Reifen-Ausrüster Pirelli durch. Sportchef Mario Isola erzählt am Samstagabend in Brasilien, dass er selbst von der Geschichte etwas überrascht war. Nach ersten Nachforschungen hat er nun ein grobes Bild von der Lage.
Pirelli erklärt: So könnte der Reifen-Trick funktionieren
Es ist nicht ganz klar, ob es sich wirklich nur um Wasser oder sonst irgendeine Flüssigkeit handelt. Aber es geht für Isola jedenfalls um einen thermalen Effekt: "Die Theorie dahinter ist, dass ein Teil des Wassers flüssig bleibt und ein Teil verdampft. Dadurch kannst du die Hitze vom Reifen in die Felge übertragen."
"Das sollte mehr Konstanz, oder weniger Abnutzung hervorrufen", erklärt Isola. Und nichts ist 2024 wichtiger als die Reifen im Arbeitsfenster zu halten. "Selbst wenn du den Reifendruck dadurch schlechter unter Kontrolle hast. Denn natürlich hast du dann Dampf im Reifen, und du verlierst dann die Kontrolle über den Druck. Der wäre höher."
Reifendruck ist zwar reglementiert, aber nur nach unten, mit einem Minimal-Druck. "Wir geben ihnen Minimal-Drücke, die sie respektieren müssen, und einen stabilisierten Druck, den sie respektieren müssen", so Isola, "aber wenn sie glauben, es sei besser, dann können sie einfach höher gehen." Beispielsweise fahren Teams oft Regenreifen mit hohen Reifendrücken, um sie besser anzuwärmen.
Flüssigkeit im Formel-1-Reifen? Zweifellos illegal
Höhere Drücke mögen legal sein, aber Flüssigkeiten sind absolut verboten. Vor Jahren sollen Teams schon einmal damit experimentiert haben. Daraufhin wurde von den Regelhütern der FIA per Technischer Direktive das Reglement klargestellt. "In der Technischen Direktive steht geschrieben, dass jede Modifikation hier verboten ist, und sehr deutlich", untermauert Isola.
Es gilt diesbezüglich zu bedenken, dass die Teams in der Formel 1 die Reifen nicht selbst auf der Felge montieren. Sie übergeben ihre Felgen an Pirelli, und bekommen den montierten Reifen zurück. "Wir haben einen angeschlossenen Trockner und verteilen alle Reifen mit trockener Luft, ganz im Sinne des Reglements", so Isola. Aber natürlich hat ein Reifen ein Ventil, welches die Teams nutzen können. "Da gibst du Wasser rein", ist die Ausführung in der Theorie für Isola simpel.
Das müsste ein Team aber dann in der eigenen Garage machen. Dort gibt es sowohl Technik-Beobachter im Auftrag der FIA als auch Pirelli-Techniker, die das bemerken und melden könnten. Hinzu kommt, dass alle Spuren auf die Flüssigkeit nach dem Rennen verschwunden, oder anders gesagt verlässlich verdunstet sein müssen, wenn Pirelli die Reifen wieder von der Felge nimmt. Sonst würden Pirelli-Ingenieure danach sofort Verdacht schöpfen und es der FIA melden.
Pirelli: Keine Beweise für Reifen-Betrug
Das ist bis jetzt nicht geschehen. "Du brauchst für sowas klare Beweise", so Isola. "Ich sehe nichts Sonderbares in den Daten, die wir haben. Ich habe keine Beweise." Pirelli sichert der FIA die volle Unterstützung zu, sollte die eine größere Untersuchung anstoßen wollen: "Wenn wir irgendetwas tun können, etwas checken, oder Ratschläge zu potenziellen Situationen geben können, dann sind wir hier."
Aber Isola unterstreicht erneut: "Ich bin mir keines Problems bewusst. Ich habe nur die ganzen Geschichten gehört." Die nehmen im Endspurt der F1-Saison 2024 inzwischen Überhand. Bei McLaren gab es zuletzt Ärger um biegsame Flügel, bei Red Bull um eine vom Cockpit aus verstellbare Höhe des vorderen Unterbodens.
Die FIA ermahnte bislang lediglich einmal McLaren, einen biegsamen Heckflügel nicht mehr einzusetzen. Weder bei biegsamen Frontflügeln noch beim Red-Bull-Unterboden sah man Regelverstöße.
Vor zwei Wochen meldete sich die FIA diesbezüglich zu Wort und unterstrich, dass in ihren Augen die Themen von den sich beschwerenden Teams um einiges überzogen dargestellt wurden. Zum Thema des Reifen-Tricks hat sich die FIA bislang noch gar nicht geäußert.
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