Mercedes verfolgte das Duell inklusive Strafe zwischen Lando Norris und Max Verstappen nur aus der Ferne. Doch das war nicht die einzige kontroverse Szene in Kurve 12 bei der Formel 1 in Austin. Auch George Russell wurde im Rennen dort erwischt. Teamchef Toto Wolff ist danach baff über die Handhabung der FIA-Stewards, und kann sich nur mühsam zurückhalten.
Erster Stein des Anstoßes war die erste von drei Strafen, welche die Stewards im Rennverlauf dort verhängten. Der nach einer Motorstrafe sich durch das Mittelfeld kämpfende Russell wollte mit Hinterbänklern keine Zeit verlieren und ging im Duell mit Valtteri Bottas recht hart zuwege. Am Ausgang von Kurve 12 ließ er dem Sauber keinen Platz und zwang ihn in die Auslaufzone. Anders als Verstappen später gegen Norris blieb Russell aber auf der Strecke.
Die Stewards griffen dennoch hart durch und sprachen fünf Strafsekunden aus. Russell war nach seiner Strafe interessiert an weiteren Entscheidungen und fragte auf der Cooldown-Runde erst einmal nach, ob Verstappen für das Rausdrängen von Norris in der ersten Kurve am Start bestraft wurde. Das rief sofort Toto Wolff auf den Plan - genauer gesagt an den Funk.
Entscheidungen um Russell & Verstappen bringen Toto Wolff auf die Palme
Wolff hatte es sich schon während dem Rennen nicht nehmen lassen, die Russell-Strafe als "kompletten Witz" zu bezeichnen. Auf der Cooldown-Runde legte er nun nach: Nein, Verstappen habe keine Strafe bekommen. "Und am Ende hat Lando eine Strafe bekommen, weil er rausgedrückt wurde und außen überholt hat. Eine etwas parteiische Entscheidung, schätze ich. Aber du weißt, nicht überraschend."
Direkt im Anschluss wurde er von Sky UK dazu befragt und versuchte sich zurückzuhalten. "Gestern haben wir einige solcher Manöver gesehen. Die waren identisch und wurden nicht bestraft, und bei denen ging es um Positionen", verweist er darauf, dass Bottas und Russell sich kaum im gleichen Rennen befanden. "Die Strafe war dann komplett bizarr. Ich denke, wir wissen warum, aber das kannst du natürlich nicht im Fernsehen sagen. Und auch die Entscheidungen am Ende."
Auf Nachfragen, ob er gewisse Stewards damit als parteiisch darstellen wolle, wollte Wolff nicht eingehen. Es gäbe manchmal "Korrelationen", blieb er vage: "Wenn Entscheidungen getroffen werden, dann gibt es da ... Interessantes." Rund um jene, die sie treffen? "Das hast du jetzt gesagt."
Wolff hofft auf FIA-Prüfung: Gibt es hier gewisse Muster?
Bis zu seiner Presserunde am Abend mäßigte Wolff seine Aussagen gegenüber Motorsport-Magazin.com weiter. "Es wird immer einer unzufrieden und einer zufrieden sein." Aber: "Wir müssen versuchen zu verstehen, ob es gewisse Muster in Stewards-Entscheidungen gibt, und ob das mit manchen Situationen korreliert."
"Jeder betreibt hartes Racing, aber für mich war die Entscheidung gegen George unerklärlich", untermauerte Wolff. "Wir haben viele dieser Situationen in Kurve 12 gesehen. Keine davon wurde bestraft, bis George. Und dann war natürlich noch eine. Aber bis zu dem Punkt wurde an dem Wochenende nichts bestraft."
"Jeder tut sein Bestes, aber ich muss mich hier zurückhalten", so Wolff. "Ich denke, es gibt tolle Stewards. Tolle Stewards, die entweder selbst Rennfahrer waren oder eine unparteiische Sicht auf Situationen haben und im Rahmen ihrer Möglichkeiten einen wirklich schweren Job so gut wie möglich machen. Wir dürfen nicht alle in die gleiche Kategorie einordnen."
Doch auch ganz am Ende bleibt Wolff dabei: "Es gibt ein paar Inkonsistenzen. Aber ich bin mir sicher, der [FIA-]Präsident wird es sich anschauen." Wichtig hier: Stewards sind von der FIA als Schiedsrichter beauftragt, treffen ihre Entscheidungen aber unabhängig vom Verband und befolgen lediglich dessen Regeln und Richtlinien. Ein Satz, der auch am Ende jedes Urteils zu finden ist. Die Stewards sind stets zu viert. Einer davon ist fix ehemaliger Rennfahrer. In Austin war es der 147-fache GP-Starter Derek Warwick.
Racing-Richtlinien der Formel 1 als Straf-Grundlagen: Zu kompliziert?
Auch die Urteile von Austin gilt es zu qualifizieren. Sie wurden anhand der "Driving Standards Guidelines" getroffen, welche die Formel 1 2022 einführte und seither mehrmals überarbeitet hat. In diesen wird grob definiert, was Angreifer und Verteidiger in verschiedenen Rennsituationen dürfen. Das bedeutet wiederum, dass die Russell- und Verstappen-Manöver (und auch viele andere Manöver am Wochenende) nicht anhand der gleichen Checkliste aus diesen Richtlinien entschieden wurden.
Russell wurde als Angreifer auf der Innenbahn behandelt. Wer innen attackiert, der muss dem Verteidiger außen Platz einen "fairen und akzeptablen" Platz lassen. Verstappen hingegen wurde als Verteidiger auf der Innenbahn behandelt. Wer innen verteidigt und am Scheitelpunkt vorne ist, der muss dem Angreifer außen keinen Platz lassen.
Was nicht heißt, dass es völlig klar wäre, warum am Ende Norris statt Verstappen bestraft wurde. McLaren lieferte den Einwand, dass Verstappen nur am Scheitelpunkt vorne war, weil er so spät bremste, dass er selbst die Kurve nicht bekam. Mehr zu McLarens Ärger gibt es hier:
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