Daniel Ricciardo wird in der Formel 1 2024 nicht mehr an den Start gehen. Der Australier verliert wenige Tage nach dem Singapur-GP sein Cockpit bei den Racing Bulls. Einerseits weil ihm nach durchwachsenen Leistungen im Schatten von Yuki Tsunoda kaum Aufstiegschancen zu Red Bull eingeräumt wurden, andererseits weil Red Bull seinen vielversprechendsten Nachwuchs-Star nicht an die Konkurrenz verlieren wollte.

Die Rede ist von Liam Lawson. Der Neuseeländer bekam bereits im Vorjahr für fünf Rennen seine Chance in der Formel 1, nachdem sich Ricciardo in Zandvoort verletzt hatte. Fünf Rennen, in denen er überzeugte. Falls Red Bull ihm kein Cockpit für 2025 angeboten hätte, hätte Lawson zur Konkurrenz wechseln können - etwa zu Audi-Sauber. Diesmal bekommt er eine längere Chance in der Königsklasse: Doch wer ist Liam Lawson überhaupt und wieso zogen die Bullen ihn einem achtfachen Grand-Prix-Sieger vor?

Liam Lawsons langer Weg in die Formel 1: Von Neuseeland nach Europa

Liam Lawson wurde 2002 unweit des ikonischen Pukekohe Circuit in Neuseeland geboren. Dort begann ab 2009 auch seine Motorsport-Karriere. Zunächst war er in zahlreichen Kartserien und mehreren unterklassigen Formel-Meisterschaften in seinem Heimatland unterwegs, ehe Lawson nach einer Saison in der australischen Formel 4 im Jahr 2018 den Sprung nach Europa wagte.

Auf Anhieb erreichte er den zweiten Platz in der ADAC Formel-4-Meisterschaft und kletterte zunächst die klassische Formel-Leiter in den Nachwuchs-Serien empor. Nach dem Titelgewinn in der Toyota Racing Series (heute: Formula Regional Ozeanien) wurde er 2019 in das Red-Bull-Nachwuchsprogramm aufgenommen. Im selben Jahr stieg er in die Formel 3 auf und startete nebenher auch in der EuroFormula Open.

In seiner Debüt-Saison in der F3 kam Lawson mit zwei Podien nicht über die elfte Position hinaus, ein Jahr später steigerte er sich mit insgesamt drei Rennsiegen auf Platz 5. 2021 erfolgte folgerichtig der Aufstieg in die Formel 2. Überraschend debütierte er allerdings im selben Jahr auch in der DTM. Da sich die Kalender der beiden Serien nicht überschnitten, nahm Lawson in beiden Serien gleichzeitig die gesamte Saison in Angriff.

Liam Lawson in der DTM: Traumstart und Titeldrama

Lawson meisterte den Spagat zwischen den Formel-2-Wagen und dem GT3-Ferrari, mit dem er in der DTM startete, mit Bravour. In der Nachwuchsserie belegte er am Ende des Jahres mit einem Sieg immerhin Rang 9. Doch für richtig Aufsehen sorgte er in Deutschland. Bei dem ersten Sportwagen-Rennen seiner Karriere krönte sich Lawson zum Sieger. In der Folge drückte der Neuseeländer im Ferrari 488 GT3 der BOP-bedingt notorisch abwechslungsreichen Meisterschaft seinen Stempel auf.

Beim Saisonfinale auf dem Norisring sah Lawson nach zwei Pole Positions und einem Podium am Samstag wie der sichere DTM-Champion aus. Doch ein übereifriges Manöver von Titelkandidat Kelvin van der Linde am Start des Finalrennens warf ihn raus. Stattdessen konnte Maximilian Götz mit einem Sieg den DTM-Titel einfahren.

Lawson kehrte der DTM daraufhin den Rücken und konzentrierte sich in der folgenden Saison auf die Formel 2. Dort landete er nach vier Siegen in Sprintrennen am Ende auf der dritten Position. Im selben Jahr trat er auch seinen Dienst als Red-Bull-Testfahrer an und absolvierte insgesamt drei Trainingseinsätze - zwei für AlphaTauri, einen für Red Bull.

Liam Lawson 2023: Japan anstatt Formel 1

Bei der Fahrerwahl für das zweite AlphaTauri-Cockpit 2023 wurde er allerdings nicht berücksichtigt. Stattdessen zog das Team Nyck de Vries an Land. Lawson wechselte in die japanische Super Formula, blieb aber Red Bull als Reservemann erhalten.

In Japan ging der Stern des damals 21-Jährigen erneut auf. Wie schon in der DTM gewann er das erste Saisonrennen - diesmal in Fuji. Es folgten zwei weitere Siege in Autopolis und nochmal in Fuji. Bis zum letzten Saisonrennen befand er sich im Titelkampf, zog gegen Ritomo Miyata jedoch den Kürzeren und verpasste den Titel um acht Punkte.

Verletzung von Daniel Ricciardo eröffnet Formel-1-Debüt

Doch das Highlight seiner Saison waren sowieso nicht die Rennen in Japan. Stattdessen erhielt er unverhofft doch noch seine Chance in der Formel 1. Nachdem sich in Zandvoort Daniel Ricciardo im Training einen komplizierten Bruch an der Hand zugezogen hatte, schlug Lawsons Stunde. An seinem ersten Wochenende musste sich Lawson mit nur einem Training erst einmal zurechtfinden, zog sich aber in einem chaotischen Regenrennen mit einem 13. Platz achtbar aus der Affäre.

Die kommenden Wochen waren ein Ausdauerlauf mit stetigen Verbesserungen: In Monza qualifizierte Lawson sich eine Position hinter Yuki Tsunoda und verpasste die Punkte knapp. In Singapur schlug er den Japaner im Qualifying und zog sensationell in Q3 ein. Sensationell deshalb, weil AlphaTauri bis dahin nur drei Punkte gesammelt hatte und nie über P10 hinauskam. Im Rennen setzte er schließlich noch einen drauf landete auf der neunten Position. Damit sorgte Lawson in seinem erst dritten Formel-1-Rennen für das beste Saisonergebnis des kleinen Red-Bull-Teams.

In Japan musste sich der Aushilfefahrer im Qualifying wieder hinter Tsunoda anstellen, hatte im Rennen teamintern jedoch das bessere Ende für sich, auch wenn seine Fahrt auf P11 nicht mit Punkten belohnt wurde. Sein vorerst letztes Rennwochenende in der Formel 1 2023 in Katar war sein schlechtestes: Im Sprint versenkte er seinen AT04 schon in der zweiten Kurve im Kiesbett und schied aus, im Rennen kam er über die 17. und damit letzte Position nicht hinaus, Tsunoda landete zwei Ränge vor ihm.

Alle Informationen zu Liam Lawson im Steckbrief

Liam Lawson Formel-1-Statistik
Alter (Geburtstag)22 (11.02.2002)
NationalitätNeuseeland
Rennen5
F1-Punkte2
Erstes F1-RennenNiederlande-GP 2023
Letztes F1-RennenKatar-GP 2023
Beste Platzierung P9 (Singapur-GP 2023)
Qualifying vs. TSU 20231:4
Rennen vs. TSU 20234:1

Fahrerwahl für die Formel 1 2024: Red Bull lässt Lawson noch einmal sitzen

Vor allem der Sprint-Abflug hinterließ einen kleinen Makel an seinen ansonsten gefeierten Formel-1-Ersatzauftritten. Red Bull hatte anschließend ein Luxus-Problem. Einerseits hatte man Daniel Ricciardo, den man seit seinem Comeback noch nicht richtig evaluieren gekonnt hatte, andererseits eben auch Lawson.

Die neu benannten Racing Bulls behielt schließlich Ricciardo für die Formel-1-Saison 2024 in der Stammfahrer-Rolle. Ein drittes Mal fiel die Wahl gegen Lawson aus. Im Laufe des Jahres ließ Red Bull aber mehrmals durchklingen, dass es nicht das Ende seiner F1-Ambitionen sein soll und er für 2025 gute Aussichten auf einen Stammplatz habe. In der Sommerpause sprach Motorsportberater Dr. Helmut Marko ihm sogar eine Stammplatz-Garantie für 2025 aus. Jetzt kommt Lawson sogar noch früher zu seiner Rückkehr in der Königsklasse.

Auch mit den guten vorwiegend guten Referenzen aus dem letzten Jahr, wird er beim kleinen Red-Bull-Team mit dessen Hire-and-Fire-Mentalität keine Verschnaufpause bekommen. Die Ergebnisse aus dem Vorjahr setzen die Erwartungen voraus, dass er von Anfang an mit Tsunoda auf Augenhöhe sein sollte - oder nur knapp dahinter.

In diesem Formel-1-Jahr legten mit Oliver Bearman und Franco Colapinto zwei Rookies die Latte für Nachwuchsfahrer ziemlich hoch. Lawson hat mit seinen fünf Starts im Vorjahr und seiner Rolle als Test- und Ersatzfahrer von Red Bull eine längere Vorbereitung hinter sich als die beiden genannten. Außerdem wartet im Nachwuchskader der Bullen mit Isack Hadjar schon der nächste Aspirant auf seine Chance. Hadjar kämpft in der Formel 2 um den Titel und macht sich auch zurecht Hoffnungen auf eine Chance in der Königsklasse. Damit wäre man wieder bei der alten Ausgangslage: Fünf Fahrer für vier Cockpits. Lawson steht also von Beginn an unter Druck.