Lando Norris fuhr in Singapur ein perfektes Wochenende. Fast hätte es für den McLaren-Piloten sogar mit dem ersten Grand Slam seiner Formel-1-Karriere geklappt: Von Pole Position aus gestartet führte er jede einzelne Rennrunde an und siegte mit gigantischem Vorsprung - nur die schnellste Runde und der damit verbundene Extra-Punkt in der WM blieb ihm verwehrt.

Dabei hatte er den Punkt schon fast sicher: Doch Daniel Ricciardo holte sich drei Runden vor Rennende frische Reifen und fuhr im vorletzten Umlauf die schnellste Rennrunde. So weit, so gut. Doch die Sache ist brisant. Denn der Australier wurde in seinem wahrscheinlich letzten Formel-1-Rennen Letzter. Er bekam also den Extra-Punkt nicht, nahm ihn lediglich Norris weg.

Ricciardo fährt für die Racing Bulls, also das Schwesterteam von Red Bull Racing. Max Verstappen befindet sich mitten im WM-Kampf gegen Lando Norris. Mit dem späten Boxenstopp und der schnellsten Rennrunde mischte sich Ricciardo also auch in den WM-Kampf ein.

Schon seit geraumer Zeit gibt es Kritik am Red-Bull/Racing-Bulls-Konstrukt. Vor allem McLaren ist es ein Dorn im Auge, dass einem Konzern zwei Formel-1-Teams gehören. Mehrfach forderte McLaren-Boss Zak Brown Regeländerungen. Dabei ging es vor allem technische Kooperationen zwischen den Teams, weniger um direkte Hilfe auf der Rennstrecke.

McLaren: Aus sportlicher Sicht enttäuschend

"Es ist aus sportlicher Sicht enttäuschend", sagte Brown nach dem Rennen in Singapur am ORF-Mikrofon. "Es sollte keine A- und B-Teams, oder sportliche Zusammenarbeit auf der Strecke geben. Und genau das war es. Hoffentlich macht dieser Punkt am Ende nicht den Unterschied aus." Teamchef Andrea Stella hält dem entgegen: "Wir müssen hart dafür arbeiten, dass es am Ende eben nicht um den einen Punkt geht."

Lando Norris war da deutlich gefasster als sein Chef: "So war es schon immer in der Formel 1. Hier gibt es nichts, worüber man sich beschweren kann. Es ist nur logisch, das so zu machen. Sie haben es klug gespielt und ich freue mich für Daniel."

Red-Bull-Hilfe von Ricciardo: Weihnachtsgeschenk von Verstappen

"Dein alter Kumpel Daniel hat am Ende die Schnellste Rennrunde geholt", funkte Red-Bull-Teamchef Christian Horner in der Ehrenrunde an Max Verstappen. "Danke, Daniel", lautete die Antwort des WM-Führenden.

Max Verstappen und Daniel Ricciardo beim USA GP
Daniel Ricciardo und Max Verstappen waren bei Red Bull Teamkollegen und verstehen sich noch heute bestens, Foto: Getty Images / Red Bull Content Pool

Ricciardo selbst macht gar keinen Hehl daraus, warum er den Boxenstopp einlegte: "Ich denke, aus Sicht von Red Bull Racing hat es Max geholfen, weil Lando die Schnellste Runde hatte. Wenn es ihm am Ende hilft, den Titel zu gewinnen, bekomme ich von ihm ein schönes Weihnachtsgeschenk." Und auch Horner gibt offen zu: "Das war wertvoll für uns, weil es Lando einen Punkt wegnimmt."

Wenig später war Horner schon etwas vorsichtiger unterwegs. Gegenüber der schreibenden Presse sagte er nur: "Er wollte das Rennen offenbar auf einem Höhepunkt beenden." Für alle weiteren Fragen zu diesem Thema verwies er auf das Schwesterteam.

Weil der Ricciardo-Stopp erst kurz vor Rennende kam, konnte Norris nicht mehr reagieren. Zwischenzeitlich sah es im Rennen so aus, als könne der Brite locker einen Extra-Stopp herausfahren, um sich frische Reifen abzuholen. "Daran haben wir aber nicht gedacht", meint Teamchef Stella. "Der zweite Stint war schwieriger. Es ging nur darum, keine Fehler zu machen, mit der verwirbelten Luft bei Überrunden war es schwierig genug."

Auch Magnussen klaut Norris den Extra-Punkt - aber nur kurz

Kurios: Zuvor hatte Norris die Schnellste Rennrunde schon einmal verloren. Nach seinem Reifenschaden, ausgelöst durch einen Mauerkontakt, holte sich Kevin Magnussen einen frischen Reifensatz ab. Darauf fuhr er die schnellste Rennrunde, die ihm aber umgehend wieder gestrichen wurde, weil er in Kurve 2 die weiße Linie mit allen vier Rädern überfahren hatte.