Die Formel-1-Karriere von Daniel Ricciardo ist wohl vorbei. In der Woche vor dem Singapur-GP wurde bekannt, dass der Racing-Bull-Pilot nach dem Nachtrennen durch den Red-Bull-Junior Liam Lawson ersetzt werden soll. Auch wenn der Deal noch nicht offiziell bekanntgegeben wurde, ist sein Aus wohl schon ausgemacht Sache.

Am Donnerstag sträubte sich Ricciardo noch vor einer konkreten Antwort auf die Gerüchte und beließ es bei Floskeln, wonach auf dem Formel-1-Fahrermarkt alles möglich sei. Nach dem Singapur-Rennen bröckelte allerdings die Maske des Dauergrinsers aus Perth. "Es war mir klar, dass das mein womöglich letztes Rennen ist und ich habe deshalb versucht, es zu genießen", machte er keinen Hehl daraus, dass Singapur für ihn nicht nur ein Grand Prix unter vielen war.

Emotionaler Daniel Ricciardo: Ich weiß, dass es das gewesen sein könnte

Bei den TV-Interviews hatte der achtfache Grand-Prix-Sieger mit den Tränen zu kämpfen. "Ich durchlebe gerade viele Emotionen. Denn mir ist bewusst, dass es das gewesen sein könnte", sagte Ricciardo. Er sprach seine Worte zwar im Konjunktiv, aber die Stimmlage und die glasigen Augen des Australiers ließen durchklingen, dass er die Zeichen der Zeit erkannt hat und nicht mehr davon ausgeht, in Austin auf dem Formel-1-Grid zu stehen.

Direkt nach dem Rennen hinterließ der Auftritt von Ricciardo den Eindruck einer Abschiedstour. Er ließ sich viel Zeit, ehe er aus seinem Auto ausstieg und das lag nur sekundär an der schwülen Hitze Singapurs. "Da ist eine Flut an Emotionen und Gefühlen in mir und dann auch die Erschöpfung. Das Cockpit ist etwas, an das ich mich in den vielen Jahren gewöhnt habe und ich wollte den Moment auskosten", rang er nach Worten. Das Wort Abschied kam dabei zwar nicht vor, doch es lag in der Luft.

Ricciardo nimmt Abschied: Habe meinen Frieden damit gefunden

Ricciardo scheint mit der Formel 1 endgültig abgeschlossen zu haben. Seit seiner Rückkehr ins Juniorteam der Bullen zur Mitte der Saison 2023 sprach er davon, dass er nur im Sport bleiben will, falls er eine Aussicht auf ein Top-Cockpit hat. Im VCARB-01 konnte davon nie die Rede sein, ein Aufstieg zum Bullen-Team wurde ihm trotz der Misere von Sergio Perez verwehrt.

Deshalb fällt ihm der Abschied wohl etwas leichter: "Falls ich nicht im Red Bull an der Spitze kämpfen kann, dann musste mir selbst die Frage stelle, was ich hier mache und für was ich auf dem Grid stehe. Das ist etwas, mit dem ich meinen Frieden gefunden habe", erklärte Ricciardo.

Nach seinem Aus bei McLaren 2022 wollte Ricciardo noch einmal der F1-Welt beweisen, dass er nach wie vor vorne konkurrenzfähig ist. Seiner Ansicht nach ist ihm das bei den Racing Bulls gelungen, wenn auch viel zu selten, um letztendlich seinen Platz in der Formel 1 zu rechtfertigen. "Ich bin 35 und ich habe trotzdem die Pace gezeigt, die ich über die Jahre hatte. Aber es war offensichtlich, dass es mir schwer gefallen ist, das jedes Wochenende zu zeigen." Als bestes Ergebnis hat er 2024 einen vierten Platz im Sprint von Miami zu Buche stehen.

Ende des Formel-1-Traums, Ricciardo: Nicht alle werden Weltmeister

Ricciardo bilanzierte seine Laufbahn mit einem lächelnden Auge: "Ich bin jetzt glücklicher als damals [nach dem McLaren-Aus]. Ich habe mich damit abgefunden und ich bin stolz auf meine Karriere. Ich habe versucht Weltmeister zu werden. Der beste in der Welt in etwas sein zu wollen, das ist ein hohes Ziel, das man von sich abverlangt. Manche schaffen es, andere nicht. Auch wenn ich es am Ende nicht so weit geschafft habe, darf ich nicht zu streng mit mir sein. Ich bin zufrieden mit dem Einsatz, den ich eingebracht habe."

Als Nachfolger von Mark Webber war Ricciardo 2014 zu Red Bull gekommen und hatte dort für Aufsehen gesorgt, indem er den amtierenden Weltmeister und Teamkollege Sebastian Vettel klar im Griff hatte. Ab 2016 wurde ihm allerdings durch den aufgehenden Stern von Max Verstappen bei Red Bull der Rang abgelaufen. Nach einer Odyssee bei Renault und schwachen Jahren bei McLaren war er 2023 zu dem Junior-Team der Bullen zurückgekehrt, für das er schon 2012 und 2013 gefahren war.

Ricciardo gesteht sich ein, dass er 2024 mit den jüngeren Konkurrenten nicht mehr mithalten kann: "Es fiel mir einfacher als ich 25 war und nicht 35. Aber vielleicht ist die Konkurrenz auch einfach stärker geworden und es ist wahrscheinlich eine große Aufgabe für mich, Woche für Woche auf diesem Niveau zu kämpfen."

"Ich bin glücklich, dass ich das früher einmal konnte, und das hat viel Spaß gemacht. Wenn es das gewesen sein soll, dann möchte ich den Sport mit guten Erinnerungen verlassen und es nicht so weit kommt, dass es nur noch eine Plackerei ist und ich jedes Wochenende in Q1 unterwegs bin. Das macht natürlich keinen Spaß", schließt er das Interesse an einem Mittelfeld-Cockpit kategorisch aus. Ein Comeback in der Formel 1 kann sich Ricciardo nicht vorstellen. Bereits vor dem Singapur-Wochenende hatte er angedeutet, dass ein Wechsel in eine andere Rennserie ebenfalls unwahrscheinlich ist.

Dass der 257-fache Grand-Prix-Starter in seinem vermutlich letzten Formel-1-Rennen keine Chance hatte, um Punkte mitzukämpfen und letztendlich auf der letzten Position ins Ziel kam, stört ihn jedoch etwas. "Ich hätte gerne ein etwas besseres Wochenende gehabt. Aber wer weiß, ob das etwas geändert hatte oder ob die Entscheidung schon vor dem Wochenende gefallen ist", so der ehemalige Teamkollege von Sebastian Vettel. Eine rhetorische Frage: Das Schicksal von Ricciardo war wohl vor Singapur bereits besiegelt.

In Singapur sorgte Ricciardo auf der vermutlich vorletzten Runde seiner Formel-1-Karriere noch für Aufregung. Mit der schnellsten Rennrunde griff er nämlich in den WM-Kampf ein - nicht zur Freude aller.