Lando Norris hatte beim Formel-1-Rennen in Monza am Sonntag eine Großchance auf der Hand. Mit der Pole Position und WM-Rivale Max Verstappen im Verfolgerfeld, hätte der McLaren-Fahrer beim 16. Saisonrennen in der Gesamtwertung einen Big Point landen können. Doch einmal mehr verwandelte der Brite seine Chancen nicht. Nach einem guten Start wurde er in der zweiten Schikane von Teamkollege Oscar Piastri kaltgestellt. Mit dem Manöver des Australiers zeigte er sich nicht einverstanden. Dennoch zollte er diesem für dessen Leistung seinen Respekt, ebenso wie Sieger Charles Leclerc.
"Ich habe den Eindruck, dass er mir viel zu bedrohlich nahe gekommen ist. Wir hätten in der Kurve locker beide rausfliegen können, wenn ich noch einen Meter später gebremst hätte", macht Norris seinem Stallgefährten am Mikrofon von Sky Sports UK schwere Vorwürfe. Der 24-Jährige war zum vierten Mal in dieser Saison und zum zweiten Mal in Folge von der Pole Position gestartet. Obwohl er die Führung beim Start diesmal behaupten konnte, beendete er die erste Runde wieder nicht als Leader.
Bei der Anfahrt auf die zweite Schikane griff Piastri an und drückte sich außen mit einem entschlossenen Manöver vorbei. Norris verlor sein Momentum und wurde daraufhin auch noch von Ferrari-Pilot Charles Leclerc kassiert. "Oscar hat am Limit angbebremst und mir gerade so genug Platz gegeben. Ich habe mein Bestes getan, damit nichts passiert", so Norris. "Wenn du noch zwei Meter später bremst, weißt du nicht, was passiert. Das kann leicht ein Unfall werden."
Piastri sieht keinen Anlass zur Kritik: Gute erste Runde
Bereits in Ungarn hatte Piastri ihn unmittelbar nach dem Start bei der Anfahrt auf die erste Kurve attackiert und war in Führung gegangen. Diesmal hatten sich die McLaren-Teamkollegen auf den ersten Metern sortiert, und Norris kam vor Piastri aus der ersten Schikane. Von hinten drohte keine Gefahr, weshalb sich Norris in trügerischer Sicherheit wiegte. "Ich habe es locker angehen lassen, weil wir nach hinten eine große Lücke hatten. Vielleicht war ich da zu vorsichtig und habe den Preis dafür gezahlt", sagt Norris.
Damit respektierte er allerdings die später während des Rennens im Funk vom Renningenieur angesprochenen 'Papaya Rules'. "Einfach nicht crashen, das ist alles", erklärt Norris die teaminternen Regeln für den direkten Zweikampf. Andernfalls hätte er mit einem Rivalen in einer Situation wie mit Piastri auch anders umspringen können: "Für mich wäre es am leichtesten gewesen, einfach noch später zu bremsen und ihn abzudrängen."
Piastri selbst sah die Szene natürgemäß weniger dramatisch. "Ich habe später gebremst und bin außen vorbei gefahren, mehr war das nicht. Wir sind beide unbeschadet davongekommen. Als ich angebremst habe, kam ich ein bisschen vor ihn und wusste, dass ich das Recht habe, auf der Linie außen zu bleiben", so der 23-Jährige. "Das hat mich dann letztendlich für 38 Runden in eine Position gebracht, in der ich gewinnen konnte. Für mich war das einfach eine gute erste Runde."
Ferrari-Strategie für Norris nicht machbar
Schlussendlich machte der Strategie-Coup von Ferrari und Charles Leclerc in Monza beide McLaren-Fahrer zu Verlierern. Norris holte in der Gesamtwertung zwar trotzdem acht Zähler gegenüber Verstappen auf, doch Zufriedenheit sieht anders aus: "Charles ist heute ein großartiges Rennen gefahren. Es wäre für uns sehr schwer gewesen, das zu erreichen, was er gemacht hat. Er hat es verdient, sowohl er als auch Oscar sind tolle Rennen gefahren. Es ist enttäuschend, von der Pole zu starten und Dritter zu werden."
Bei der ersten Runde der Boxenstopps schaffte er es per Undercut wieder vor Leclerc, doch auf der Jagd nach Piastri geriet seine Offensive bald ins Stocken. "Zu versuchen, an Oscar dranzubleiben, bedeutete für mich viel mehr verwirbelte Luft. Deshalb habe ich meinen Reifen viel stärker verbraucht, weshalb ich auch früher an die Box musste", erklärt er. "Heute haben nicht die Hinterreifen abgebaut, sondern die Vorderreifen, und damit hatten wir einfach zu große Schwierigkeiten."
Die Einstopp-Strategie von Ferrari wäre für ihn zu keinem Zeitpunkt machbar gewesen. "Sie haben heute mit der Strategie etwas gemacht, das für uns nicht drin war. Wir hatten an den Einstopper gedacht, und wir waren bereit, es zu versuchen, aber wir konnten es einfach nicht umsetzen", so der zweifache Grand-Prix-Sieger, der Ferrari aber auch in der besseren Situation für eine gewagte Taktik sah. "Wenn du Dritter bist, ist es leichter, so ein Risiko einzugehen. Für uns wäre es viel riskanter gewesen, das zu versuchen, was Charles gemacht hat."
Unter den gegebenen Umständen kann er die Niederlage an diesem Wochenende aber eher verkraften. "Wenn es irgendjemanden gibt, den ich gerne gewinnen sehe, dann ist es Ferrari in Monza. Von daher, Gratulation an sie", lobt Norris die Konkurrenz. "Natürlich war heute nicht unser Tag und wir haben nicht alles richtig gemacht. Aber ich würde auch nicht sagen, dass wir viel falsch gemacht haben. Wir haben immer noch alles maximiert, was heute ging. Wir hatten nur nicht das, was Ferrari hatte."
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