So malerisch die Formel-1-Strecke in Zandvoort eingebettet in den Dünen vor der Nordsee auch liegen mag, so tückisch sind die Wetterbedingungen im Küstenort. Der Trainingsfreitag in den Niederlanden wird die Formel-1-Fahrer vor eine stürmische Prüfung stellen: Meteorologen sagen Windböen von bis zu 80 km/h voraus. Die ohnehin schon enge und kurvenreiche Rennstrecke wird dadurch in ein noch anspruchsvolleres Terrain verwandelt werden. Das Fahrzeug bei solch starkem Wind unter Kontrolle zu halten, könnte zur echten Herausforderung werden. Einige Piloten sorgen sich um die Fahrbarkeit unter diesen Bedingungen.
Nicht nur das niederländische Wetter sorgt nach der Sommerpause für Diskussion. Der Medientag zum Formel-1-Wochenende in Zandvoort war auch geprägt von einem Technik-Skandal bei Red Bull sowie dem Personalbeben in der Königsklasse. Das Wichtigste fasst euch Christian im Video zusammen:
Wind macht Fahrer machtlos: Keinerlei Kontrolle!
"Das kann natürlich ziemlich gefährlich werden, weil man mit einer gewissen Geschwindigkeit in die Kurve fährt, etwa in Kurve 7, und dann einen Wind von 60, 70, 80 Kilometer pro Stunde hat, der das Auto verändert. Da kannst du als Fahrer nichts machen. Du landest im Kies oder in der Mauer", schildert Lando Norris die Perspektive des Fahrers, der dem Ganzen quasi machtlos ausgesetzt ist. Er selbst habe einen solch starken Wind, wie er für Freitag gemeldet ist, in seiner Karriere zuvor noch nie erlebt. Deshalb könne der McLaren-Pilot nicht einschätzen, was ihn erwarte. Nur in einem Punkt ist er sich gewiss: "Schon bei 10 oder 20 km/h beeinflusst uns der Wind stark. 80 km/h werden mit Sicherheit eine große Herausforderung für uns."
Sein Teamkollege Oscar Piastri geht etwas mehr ins Detail, was seine Erwartungen an das Fahrgefühl angeht: "Die Menge an Abtrieb, die man gewinnt oder, noch wichtiger, verliert, hängt von der Windrichtung ab. In manchen Kurven wird es sich morgen wahrscheinlich so anfühlen, als würde man ein Formel-2-Auto fahren." Der Verlust von Abtrieb bei starkem Wind lässt die Formel-1-Boliden unberechenbar werden. Die aerodynamische Balance wird instabil, was das Handling bei den hohen Geschwindigkeiten stark erschwert - vergleichbar zu einem Formel-2-Boliden.
"Es ist also eine massive Veränderung und sehr schwierig für uns, weil wir den Wind natürlich nicht so gut spüren können. Man merkt ziemlich gut, wenn der Wind von der Seite kommt. Aber bei Gegenwind oder Rückenwind ist es nicht immer so einfach zu erkennen. Wenn man im falschen Moment eine Böe abbekommt, hat man keinerlei Kontrolle mehr", erklärt Piastri weiter.
Mangelhaftes Urteilsvermögen: Nur ein Mittel hilft den Formel-1-Piloten!
Wie eingeschränkt das Einschätzungsvermögen vom Cockpit aus sei, ist auch Norris wichtig, hervorzuheben: "Du kannst als Fahrer alles richtig machen und trotzdem wegen nichts in der Mauer landen. Du musst manchmal versuchen, es zu antizipieren, aber du kannst es auch nicht immer antizipieren." Dem pflichtet auch sein Ex-Teamkollege Daniel Ricciardo bei: "Ja, diese Winde sind heftig - besonders wenn wir Böen bekommen. Wenn es 50 km/h oder 80 km/h sind, kannst du dich darauf wirklich nicht vorbereiten."
Auf der Strecke bleibt den Fahrern nur ein einfaches, aber unverzichtbares Hilfsmittel. Die Flaggen am Streckenrand dienen ihnen als Referenzwert - vor allem für die Einschätzung der Windrichtung. "Ob es 30 km/h oder 60 km/h sind, ist schwer einzuschätzen. Aber für mich zeigt es die Richtung an und ein Gegenwind gibt uns natürlich mehr Grip, ein Rückenwind weniger", so Ricciardo.
Weiter erklärt der Australier: "Auch während eines Rennens, wenn sich die Windrichtung ändert, kann man vielleicht sagen: 'Okay, diese Kurve wird schwieriger, diese Kurve wird besser.' Es ist ein bisschen wie Mathematik, bei der man im Kopf Berechnungen und Zusammenfassungen macht, um herauszufinden, wie das Rennen verlaufen wird. Ich schaue also schon auf die Flaggen."
Wind bremst Formel-1-Action: Wird überhaupt gefahren?
Ein Aspekt sei unter diesen Bedingungen außerdem entscheidend, weiß der achtfache Grand-Prix-Sieger. "Ich denke, du musst einfach wissen, dass es viel schwieriger wird, das Auto am Limit zu bewegen", betont Ricciardo. Er vermutet, dass der Umgang mit dem starken Wind ähnlich wie mit Regen ablaufen wird: "Du lässt einfach mehr Spielraum, erwartest weniger Grip und rechnest mit unvorhergesehenen Momenten." Die Fahrer werden seiner Erwartung nach das Limit dementsprechend schon früher erreichen und langsamer um den Kurs fahren. "Ich denke, wenn es so windig ist, kannst du keine schnellen Rundenzeiten erwarten", stellt Ricciardo klar.
Ferrari-Fahrer Charles Leclerc bezweifelt gar, ob sich bei solchen Bedingungen im Training überhaupt viele Autos auf den Circuit Zandvoort wagen werden. Gleichwohl wären die Formel-1-Piloten nicht schlecht beraten, ein Fahrgefühl bei den windigen Verhältnissen zu sammeln, da der Wind sich am Samstag und Sonntag zwar etwas beruhigen, aber trotzdem weiterhin stark sein soll. Der momentanen Prognose nach können während des Qualifyings und Rennens noch Böen von 40 bis 50 km/h auftreten.
Charles Leclerc erkennt hoffnungsfrohen Fortschritt: Ferrari im Vorteil?
Könnten die extremen Bedingungen aber gerade für den Ferrari SF-24 von Vorteil sein? Immerhin habe sich der Bolide gerade in diesem speziellen Bereich im Vergleich zum Vorjahr weiterentwickelt. Leclerc dämpft jedoch die Erwartungen: "Ich denke nicht, dass irgendein Auto für den Wind, den wir morgen erwarten, ausgelegt ist." Ein bisschen Hoffnung lässt der Monaco-Sieger aber trotzdem durchblitzen: "Wir haben schon in der ersten Saisonhälfte gesehen, dass das Auto unter windigen Bedingungen viel konstanter und vorhersehbarer ist, was ein großer Fortschritt war." Wie viel die italienische Mannschaft von diesem Fortschritt an diesem Wochenende in Zandvoort nutzen kann, bleibt abzuwarten.
Das Zandvoort-Wetter ist beim ersten Formel-1-Rennen nach der Sommerpause nicht das einzige Thema, das für Wirbel sorgt. Die Brennpunkte haben wir für euch in der Vorschau auf den Großen Preis der Niederlande beleuchtet:
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