Seit Wochen schon sieht Max Verstappen Red Bull in der Formel 1 im Hintertreffen. Für den Ungarn-GP brachten die WM-Führenden endlich ihr bisher größtes Update-Paket der Saison 2024. Fazit nach dem Qualifying: Nicht genug. Heute droht im Rennen (Start: 15:00 Uhr, hier alle Zeitplan-Infos) ernste Gefahr von McLaren. Die aber haben ihre eigenen Probleme.

Verstappen lässt jedenfalls nach dem Qualifying keine Zweifel daran aufkommen, dass er sich für den Grand Prix heute nicht als Favorit sieht. Luftsprünge (wie auch Performance-Sprünge) scheinen die Ungarn-Updates nämlich nicht ausgelöst zu haben: "Sicher funktionieren sie, aber wir sind noch immer nicht Erste, oder? Also brauchen wir mehr."

Beide McLaren stehen nämlich in der Startaufstellung heute vor dem Red Bull. Lando Norris krallte sich die Pole, obwohl er im entscheidenden Q3-Segment nur mehr einen frischen Satz Soft-Reifen übrighatte. Oscar Piastri scheiterte um 22 Tausendstel, Verstappen um 46 Tausendstel.

Verstappen teilt Meinungen für das Rennen nicht: Keine falschen Hoffnungen!

Vonseiten der Red-Bull-Führung hält man für das Rennen am Optimismus fest. Sowohl Motorsport-Berater Dr. Helmut Marko als auch Teamchef Christian Horner unterstreichen starke Pace des RB20 in den Longruns. Am Freitag fuhr Verstappen hier seinen Longrun auf Medium, Norris seinen auf Hard. Nur minimal war der McLaren schneller. Verstappen verzeichnete keinen nennenswerten Reifen-Einbruch.

Ähnlich verlässlich sah Verstappen am Samstagvormittag im 3. Training aus, als er noch einen Hard-Longrun fuhr. Das verleitet Horner nach dem Qualifying auf F1 TV zu Optimismus: "Es ist immer ein strategisches Rennen, und ich glaube nicht, dass in vier Jahren hier ein Sieger von der Pole kam. Abwarten. Wir haben ein gutes Rennauto, haben unser Setup mehr auf das Rennen fokussiert." Ähnlich hatte es Marko am Freitag gesehen: "Die Longruns waren sehr erfreulich."

Verstappen fühlte sich nach dem Qualifying allerdings bemüßigt, diesen verhaltenen Optimismus überraschend nachhaltig zu untergraben: "Ganz ehrlich? Meine Longruns waren okay, aber nicht fantastisch oder herausragend. Ich glaube, es ist besser, hier realistisch zu sein, anstatt herumzusitzen und falsche Hoffnungen zu verbreiten."

McLaren sortiert Balance in Ungarn aus - Red Bull nicht

Woran sich Verstappen vor allem stört, ist das Unvermögen, die flatterhafte Balance des RB20 in ein sauberes und berechenbares Fenster zu bringen. Dieses Problem bestand vor dem Update, und es besteht noch immer: "Alles ist auf Messers Schneide. Ich pushe so hart ich kann. Und dann hast du diese kleinen Rutscher. Ich pushe wohl härter als im Vorjahr, aber es kommt einfach nicht mehr so zusammen, um diese tollen Zeiten zu haben."

Auch Lando Norris klagte am Freitag über die Balance. Am Samstag nicht mehr, der McLaren lag wie ein Brett. Allerdings ist er auch schnell dabei, hier zu bremsen. Der Asphalt war dank starker Bewölkung im Qualifying mit 30 Grad nur halb so warm wie im 1. Training. Wie sehr das dem MCL38 entgegen kam, ist schwer einzuschätzen: "Vielleicht ein halbes Zehntel oder so. Aber wenn du dir die Zeiten anschaust, dann ist das alles, was du brauchst."

Für das Rennen ist wieder Gluthitze angesagt, mit potenziellen Streckentemperaturen jenseits der 50 Grad Celsius. Wenn die bessere Balance des McLaren auch auf allgemeingültige Setup-Änderungen zurückzuführen ist, dann kann sie im Anbetracht der am Freitag noch engen Longruns rennentscheidend sein.

Wer stemmt die Ungarn-Hitze heute am besten?

Denn strategisch kamen beide Teams nach Freitags-Analysen zum gleichen Schluss: Der Medium ist der bessere Renn-Reifen, selbst bei extremer Hitze. Alle drei Fahrer haben sich je einem Satz Hard und zwei Sätzen Medium für das Rennen aufgehoben. Pirelli rechnet fest mit einer Zweistopp-Strategie von Medium-Hard-Medium.

Qualifying Top-3 im Parc Ferme: Oscar Piastri, Polesetter Lando Norris (beide McLaren) und Max Verstappen (Red Bull)
Vor Max Verstappen baut sich in Ungarn eine orangefarbene Wand auf, Foto: LAT Images

Kommt die Hitze, so ist nicht der Verschleiß der limitierende Faktor, sondern die hitzebedingte Abnutzung, besonders die der Hinterreifen. Wer hier wegen schlechterer Balance mehr rutscht, der hat mehr Probleme. Wer dabei in der verwirbelten Luft von zwei McLaren steckt, bei dem multiplizieren sich die Probleme. Für Verstappen ist das also eine doppelte Gefahr.

McLarens Doppelspitze: Norris plus Piastri gleich Trumpf im Rennen?

Kann Red Bull vielleicht strategisch den Kopf aus der Schlinge ziehen? Schließlich ist McLarens Exekutions-Bilanz der letzten Rennen nicht berauschend. Siegfähig sind sie schon lange. In Kanada verpassten sie einen Safety-Car-Stopp, in Barcelona vergab Norris die Führung am Start, in Silverstone vertat man sich im Regen mit der Strategie. Norris will den Sieg auf keinen Fall erwarten: "Ich rechne immer noch mit einem schwierigen Rennen mit Oscar und Max hinter mir."

In Ungarn ist heute aber ein trockenes Rennen zu erwarten. Und McLaren hat alle strategischen Trümpfe in der Hand. Ja, mit einem frühen Stopp eine Position per Undercut gewinnen und dann auf dem überholfeindlichen Kurs sich ins Ziel schleppen ist hier möglich. Aber McLaren hat zwei Autos im Rennen. Bei Red Bull fehlt Sergio Perez infolge eines Crashs im Qualifying schon wieder, er fährt nur von Platz 16 los.

Damit stehen McLaren mehr Optionen offen, egal ob man eine aktive oder reaktive Rolle einnimmt. Schon am Start ist es für Verstappen schwierig, beide zu überholen. Und gleich zwei Boxenstopps in einem Zwei-gegen-Einen-Szenario zu überstehen, wenn man keinen Pace-Vorteil hat und als Dritter losfährt, ist ein sehr harter Weg.

Mercedes glaubt noch an Podium, Ferrari schreibt Ungarn-GP ab

Darüber, ob das Trio Norris, Piastri und Verstappen im Rennen davonfahren wird, gibt es unterschiedliche Ansichten. Mercedes hat das Podium noch nicht abgeschrieben, so Toto Wolff auf F1 TV: "Ich denke, wir haben die Pace - und das würde ich in Budapest als Erfolg sehen - um aufs Podium zu fahren." Tatsächlich war der Mercedes in den Longruns am Freitag nicht so weit weg, aber auch nicht so nah dran, dass man in den erweiterten Favoritenkreis aufgestiegen wäre.

Außerdem ist Lewis Hamilton auf sich gestellt. George Russell startet nach einem Strategie-Verhau nur von Platz 17. Und Hamilton steht auch nur auf P5, zwischen Carlos Sainz und Charles Leclerc. Die haben jedoch mit Ungarn bereits abgeschlossen. Im Longrun zu langsam, im Qualifying zu langsam. "In einem normalen Rennen sind die Top-3 drei bis vier Zehntel schneller", winkt Sainz ab. Hamilton zu schlagen wäre das Höchste der Gefühle.