Alpine im Aufwind: Nach einem katastrophalen Saisonstart konnte das Renault-Werksteam die letzten vier Rennwochenenden in Folge punkten und befindet sich auf Rang acht der Konstrukteurs-Wertung. Manch einer im Fahrerlager ist jedoch der Ansicht, dass es für das Team aus dem britischen Enstone womöglich noch besser laufen könnte, wenn Alpine in Zukunft auf den Renault-Werksmotor verzichten würde.

Zwar bietet eine Werks-Power-Unit auf dem Papier Vorteile bei der Fahrzeug-Entwicklung. Doch der Renault-Motor gilt seit Jahren als schwächster Antriebsstrang in der Formel 1 und kostet Alpine somit womöglich mehr Rundenzeit, als durch den grundsätzlichen Vorteil eines Werksmotors zu holen wäre.

Seit 2021 heißt Team Enstone zwar nicht mehr Renault, greift aber nach wie vor auf Renault-Aggregate zurück, Foto: LAT Images
Seit 2021 heißt Team Enstone zwar nicht mehr Renault, greift aber nach wie vor auf Renault-Aggregate zurück, Foto: LAT Images

Wolff: Würden Aston Martin gerne ersetzen

Deswegen ranken sich seit Wochen Gerüchte um ein mögliches Ende des Motoren-Programms in Viry-Chatillon zugunsten eines Kundenmotors. Allen voran wurde hierbei immer wieder Mercedes genannt, die 2026 mit Aston Martin ein aktuelles Kundenteam verlieren. Team Silverstone wird dann nämlich seinerseits zu einem Werksteam, und zwar von Honda.

Einem zukünftigen Kundenteam Alpine steht zumindest Mercedes-Teamchef Toto Wolff offen gegenüber. "Wir mögen den Gedanken, Aston Martin mit jemand anderem zu ersetzen", so Wolff am Freitag bei der Teamchef-Pressekonferenz in Silverstone.

Wolff stellt klar: Alpine muss zuerst Entscheidung treffen

Als Hauptargument gilt für Wolff dabei der Lerneffekt, den Mercedes durch ein zusätzliches Kundenteam gewinnt. "Wir sind als Organisation so aufgebaut, dass gilt: Je mehr Power Units, desto besser ist es im Hinblick auf die Beschleunigung einiger Entwicklungen oder der Zuverlässigkeit", so der Österreicher.

Zeitgleich stellte Wolff aber auch klar, dass die Tiefe der Gespräche bislang noch überschaubar gewesen sei - und dass der Ball bezüglich einer möglichen Zusammenarbeit nun bei Alpine liege: "Alpine wird eine Entscheidung treffen, sodass sie ihr Formel-1-Motorenprogramm fortführen wollen oder nicht. Und nur wenn sie diese strategische Entscheidung getroffen haben, würden wir tiefer in unsere Vereinbarungen eintauchen. Aber wir sind dafür offen und das haben wir ihnen gesagt."

James Vowles warnt: Alpine wäre 6 bis 12 Monate im Rückstand

Der Wille von Seiten Mercedes für eine Zusammenarbeit mit Alpine auf Motorenseite ist also da. Und auch Williams und McLaren, die anders als Aston Martin auch 2026 nach wie vor mit Mercedes-Power fahren werden, würden Alpine als Mercedes-Neuzugang begrüßen. "Was gut für HPP (Mercedes High Performance Powertrains; d. Red.) ist, ist aus unserer Sicht gut für McLaren", meint etwa McLaren-CEO Zak Brown.

Pressekonferenz mit Toto Wolff (Mercedes), Zak Brown (McLaren), James Vowles (Williams) und Ayao Komatsu (Haas)
Brown, Vowles und Wolff wurden in der Teamchef-PK am Freitag auf ein mögliches Mercedes-Kundenteam Alpine angesprochen, Foto: LAT Images

Williams-Teamchef James Vowles stimmt mit ein: "Je mehr Power du im Umlauf hast, desto mehr Lehren kannst du daraus ziehen." Rein auf politischer Ebene steht einem zukünftigen Mercedes-Kundenteam Alpine also nichts im Wege. Darüber, ob dies auch auf sportlicher Ebene sinnvoll wäre, scheiden sich aber die Geister.

"McLaren und wir arbeiten schon seit vielen, vielen Monaten gemeinsam mit HPP daran, das Konzept für 2026 richtig hinzubekommen", gibt Vowles zu bedenken. "Was auch immer du also tust: Du bist schon sechs bis zwölf Monate hinter den anderen drei Teams. Das ist im Großen und Ganzen eine ziemliche Bestrafung. Das heißt nicht, dass es unerreichbar ist, aber es wird Bereiche geben, in denen du Kompromisse wirst eingehen müssen."

Entscheidet Alpine noch vor der Sommerpause?

Brown rät Alpine angesichts der knappen Vorbereitungszeit zu einer schnellen Entscheidung - und glaubt, dass dies auch bei Alpine so gesehen wird. "Ich würde mir vorstellen, dass sie eine Entscheidung noch vor der Sommerpause treffen wollen werden, um so viel Vorlaufzeit zu haben wie möglich, um über die Power Unit und die Arbeitsweisen zu lernen", so der US-Amerikaner.

Aston Martin-Fahrer Fernando Alonso
Durch den Wechsel von Aston Martin zu Honda wird ein Platz als Mercedes-Kundenteam frei, Foto: LAT Images

An eine derart zeitige Entscheidung glaubt Toto Wolff aber nicht. "Nein, das wäre für Alpine eine viel zu komplizierte, langanhaltende und wirkungsvolle Entscheidung", winkt der 52-Jährige ab.

Was die sportliche Realität Alpines im Jahr 2024 anbetrifft, legte Team Enstone beim Großbritannien-GP einen verhaltenden Start hin. Rang zehn für Esteban Ocon im FP1 blieb das höchste der Gefühle. Pierre Gasly, der das erste Freie Training zugunsten von Jack Doohan auslassen musste, wird den Grand Prix am Sonntag aber ohnehin vom letzten Startplatz in Angriff nehmen. Der Franzose hat das erlaubte Kontingent an Motoren für diese Saison überschritten. Eine Übersicht über alle Formel-1-Strafen sowie Verwarnungen und Ermittlungen im Jahr 2024 findet Ihr hier: