Dieser Sieg ist für Charles Leclerc eine echte Erlösung. Die Negativ-Serien, die er damit beendete, sind zahlreich. Fast zwei Jahre ohne Sieg. Zwölf Formel-1-Poles in Serie ohne Sieg. Zwei Monaco-Poles ohne Sieg. 2024 ist das Jahr, in dem er dem Gerede über den Leclerc-Fluch bei seinem Heim-GP endlich ein Ende setzt. So überrascht es nicht, dass sein sechster Sieg in der Formel 1 der emotionalste ist.

Es war ein extrem langes Rennen für Leclerc, der, von Pole gestartet, wegen einer frühen Unterbrechung 76 der 78 Runden im Renntempo auf dem gleichen Satz Hard-Reifen durchfahren musste. Konzentrationsfehler waren der größte Feind. Doch ausgerechnet die Emotionen drohten in den letzten zehn Runden zu überwältigend zu werden.

Leclerc: Mit Monaco-Sieg auch den Traum des Vaters erfüllt

"Zwei Runden vor Schluss realisierte ich, dass ich Probleme hatte, aus dem Tunnel rauszusehen, weil ich Tränen in meinen Augen hatte", verrät Leclerc. "Ich dachte nur 'Fuck, Charles, das darfst du jetzt nicht machen! Du hast noch zwei Runden bis ins Ziel, und gerade auf einer Strecke wie Monaco musst du bis zum Ende dranbleiben.'"

Für den Monegassen Leclerc begann der Traum von der Formel 1 aber eben hier, und kein Rennen hat für ihn eine größere Bedeutung. Nicht zuletzt wegen seines 2017 verstorbenen Vaters Herve. Auf den letzten Runden sah Leclerc ihn wieder vor sich. So hatte er sich zuletzt 2017 in Baku gefühlt. Damals sein erstes Formel-2-Wochenende nach Herve Leclercs Tod.

"Das ist das erste Mal seither, dass es mir beim Fahren wieder passiert ist", so Leclerc. "Diese Rückblenden, von all den Momenten, die wir gemeinsam erlebt haben, all die Opfer, die er für mich gebracht hat, damit ich es bis hier schaffen konnte." Von seinem Balkon in Monaco aus wurde er von seinem Vater zum F1-Fan gemacht: "Fühlt sich an, als hätte ich heute nicht nur meinen Traum erfüllt, sondern auch seinen."

Leclerc darf in Monaco keinen Fehler machen

Die Fehlschläge der Vergangenheit machten Leclercs Siegeshunger 2024 noch stärker. Viel wurde geschrieben über seinen Monaco-Fluch, wie er seine ersten sieben Heimrennen nicht einmal beenden hatte können: "Heute wollte ich den Sieg unbedingt. Da war ein bisschen Spannung drin, aber sobald ich den Helm aufsetze und ins Auto steige, spüre ich nichts mehr davon."

Die Nerven brauchte er im Rennen, in dem er permanent unter Druck von McLaren-Pilot Oscar Piastri war, zugleich aber die Reifen für 76 Runden am Leben halten musste. Piastri versuchte alles, deutete sogar in Portier einmal eine Attacke an. Die richtige Balance aus Reifenmanagement und defensivem Pushen war eine immense Herausforderung: "Ich wollte nicht, dass Oscar sofort pusht, und dass ich dann keine Referenzen habe."

"Ich war gegen Rennmitte so langsam, dass du, wenn du anfängst zu pushen, nicht wirklich weißt, wo du bremsen musst, und dann passieren die Fehler", erklärt Leclerc nämlich das Dilemma. Deshalb wollte er nicht immer den Bitten seiner Box, doch langsamer zu machen, Folge leisten: "Ich wollte einfach in den Rhythmus kommen." Bis zum Ende schaffte er es, die Balance erfolgreich aufrechtzuerhalten: "Auf den letzten Runden fühlte ich mich, als ob ich noch ein Rennen fahren könnte!"

Leclerc will nach Monaco nichts von F1-WM wissen

Emotional bedeutet der Sieg Leclerc also mehr als jeder andere: "Auch, dass wir zwei Mal von Pole gestartet sind und den Sieg aus nicht wirklich von uns zu kontrollierenden Gründen verpasst haben, macht diesen noch besonderer." Es gibt aber auch eine trockene mathematische Komponente. 25 weitere Punkte für den Tabellen-Zweiten, der seinen Rückstand in der F1-WM 2024 auf Max Verstappen auf 31 Punkte verkürzt.

Außerdem war es der zweite Ferrari-Sieg in diesem Jahr. Und Leclerc bleibt der einzige Fahrer, der jedes Rennen auf P4 oder besser beendet hat. Und erst vor einer Woche hatte die Scuderia ein großes Update eingeführt. Wie weit vorne ist man wirklich? "Wir sollten es nicht überbewerten", bremst Leclerc die Euphorie. "Monaco ist natürlich ein sehr spezieller Kurs, und wir hatten hier ein richtig gutes Auto. Das heißt nicht, dass es bis zum Ende so bleiben wird."

"Ich denke momentan sowieso nicht an die Meisterschaft", meint Leclerc. "Es ist noch zu früh in der Saison. Ich denke, die Updates von Imola, bei denen müssen wir noch immer schauen, wie gut sie funktionieren und was sie uns bringen."