Die Formel 1 und Regen - heutzutage eine Hassliebe. Um die permanenten Rennabbrüche bei viel Wasser auf der Strecke zu verhindern, initiierten die Regelhüter der FIA in den letzten Jahren das Experiment der "Spray Guards", am besten übersetzt als Regen-Kotflügel. Doch nach zwei Tests wird das Konzept als mangelhaft zu den Akten gelegt.

Die Idee an sich war simpel: Das Problem bei starkem Regen ist für die Formel 1 heute nicht unbedingt Aquaplaning, also das Wasser auf der Strecke. Es ist die Gischt. Das Wasser, das von den Autos und von den Reifen aufgesaugt und in einer riesigen Wolke nach hinten geschleudert wird. Bei starkem Regen ist schon der dritte oder vierte Fahrer in einer Schlange blind unterwegs.

Die Regen-Kotflügel sollten diese Gischt reduzieren. Es handelte sich in Erstform um Abweiser hinter dem Reifen. Sie waren stets als kurzfristig zu montierende Lösung gestaltet: Erst bei starkem Regen hätte die Rennleitung ihren Einsatz verpflichtet. So erhoffte man sich ein Vermeiden von Horror-Szenarien wie 2021 in Spa, als nach stundenlanger Wartezeit das Rennen mit nur zwei Runden gewertet wurde.

Regen-Kotflügel reichen nicht: Formel 1 hat mehr Probleme als nur Reifen

Das erste Design debütierte vor gut einem Jahr bei einem Test in Silverstone. Das Format: Nasse Strecke, ein Auto mit den Kotflügeln vorne, ein anderes zum Check dahinter. Nennenswerten Fortschritt verzeichnete man keinen. Zu klein, zu lose, zu wenig Auswirkungen. Zurück zum Zeichenbrett - dort krempelte man die Idee radikal um, und unternahm dann mit Hilfe von Ferrari auf deren Hausstrecke Fiorano Anfang Mai noch einen Versuch.

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Technisch war die Lösung schwieriger als erwartet. Die Originalfassungen waren schon kleiner als erwünscht. Bei einem größeren Teil werden die aerodynamischen Kräfte zum Problem. Die Bilder vom Ferrari-Test zeigten daraufhin eine fundamental andere Lösung. Statt Kotflügeln wurden komplette Radkästen montiert.

"Was wir versuchen wollten, war eine komplette Verkleidung, selbst über das hinaus, was praktisch wäre, um zu schauen, was das Maximum wäre, das wir erreichen können", erklärt Nikolas Tombazis, Chef der FIA-Formelabteilung, die Gedanken dahinter gegenüber 'Autosport'. Nach den mageren Ergebnissen des ersten Tests wollte man nun erst einmal verstehen, ob das Konzept überhaupt Potenzial hatte.

Die Antwort ist negativ, so Tombazis: "Wir haben gewisse Auswirkungen gesehen, aber keine ausreichend signifikanten, um es zur Lösung zu erklären." Das hatte auch schon Ferrari-Junior Oliver Bearman durchblicken lassen, der das Verfolgerauto in Fiorano pilotiert hatte. "Ziemlich ähnlich" beschrieb Bearman es danach.

Es hatte sich eigentlich bereits abgezeichnet. "Sagen wir mal, wir haben denke ich ein paar Fragen beantwortet", meint Tombazis. "Wir wissen, wo wir stehen, aber dieses Projekt wird vorerst nicht in dieser Form weitergeführt." Schon vor dem ersten Test gab es Zweifel, ob die Hauptverursacher der Gischt die Reifen sind.

Größere Probleme macht nämlich das Auto selbst, genauer gesagt der Unterboden und der Diffusor. Erst recht mit den neuen Ground-Effect-Autos der Generation 2022 wird das Wasser regelrecht angesaugt und dann vom Diffusor ausgeworfen. Das, und das generell steigende Abtriebs-Niveau hat man nun als Hauptschuldigen für die in den letzten zwei Jahrzehnten auffällig gestiegenen Gischt-Probleme der Formel 1 und ihre Unfähigkeit, im Nassen zu fahren. ausgemacht.

Test erfolgreich gescheitert: Formel 1 sucht nach neuen Regen-Lösungen

"Fundamental hat es als Test gut funktioniert, weil es uns gezeigt hat, was wir suchen", lautet Tombazis' Fazit. "Manche Tests laufen toll und du sagst 'Fantastisch'. Und manchmal läuft es andersrum. Du erfährst, dass deine eingeschlagene Richtung nicht gut ist und du dich in eine andere orientieren musst. Diese andere Richtung muss jetzt etabliert werden."

Das Wasser kommt nicht nur von den Reifen, sondern auch aus dem Diffusor, Foto: Red Bull Content Pool
Das Wasser kommt nicht nur von den Reifen, sondern auch aus dem Diffusor, Foto: Red Bull Content Pool

Hatten die Kotflügel schon aerodynamische Komplikationen mit sich gebracht, so ist es um ein Vielfaches schwieriger, im Diffusor oder im Unterboden mit Einheitsteilen zu arbeiten. Schnell montierbare temporäre Abweiser sind praktisch unmöglich, räumt Tombazis ein: "In der Theorie könntest du dort was machen, aber das wäre, als ob du allen Abtrieb entfernst und so weiter. Es wäre ein ziemliches Problem."

"Es ist kein einfacher nächster Schritt, den müssen wir erst noch diskutieren", so Tombazis. Ein paar Ideen wollen die FIA-Techniker bereits haben, doch in einem fortgeschrittenen Stadium ist davon noch nichts. Daher hält man sich erst einmal bedeckt, bis diese neuen Ideen testreif sind.