Fast möchte man von Singapur-Verhältnissen sprechen. In der Formel 1 ist es Monate her, seit Red Bull mit so vielen Bauchschmerzen am Freitag ins Bett gehen musste. Das war gar nichts für Max Verstappen und Sergio Perez, die mit ihren eigenen Updates in Imola gegen die Update-Boliden von McLaren und Ferrari antreten. Und im ersten Schlagabtausch noch deutlicher verlieren, als es das Trainings-Ergebnis zu zeigen scheint.

Obwohl dieses Ergebnis an sich schon ein schlechtes Bild abgibt. Bis zu FP2 war Verstappen aus den Top-5 gefallen, hatte als Siebter über eine halbe Sekunde Rückstand aufgerissen. "Schlimmer als heute kann es nicht werden", lautete Verstappens nüchternes Fazit danach. 0,541 Sekunden Rückstand, hinter Autos von Ferrari, McLaren, Mercedes, und sogar hinter einem Racing Bull.

Wie schlimm sind die Red-Bull-Probleme in Imola?

Die Qualifying-Simulationen sind gutes Anschauungsmaterial, um Red Bulls Probleme schnell zu verdeutlichen. Schon am Ausgang von Villeneuve legte Verstappen auf seinem ersten Versuch mit brandneuen Soft-Reifen einen großen Quersteher hin. Insgesamt rutschte das Auto zu viel. Die Vorderachse bekam man nicht in den Griff.

Verstappens Funkspruch nach den Qualifying-Simulationen war bezeichnend: "Mein Gott, ich weiß nicht, alles ist so schwierig. Dieses Mal beißt die Front plötzlich, und ich drehe mich fast." Eine Vorderachse, die zu schnell zubeißt, heißt im Umkehrschluss, dass die Hinterachse nicht mitkommt. Und ausbricht.

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"Wenn das nicht einmal ein Verstappen kontrollieren kann, dann heißt das schon etwas", merkt Red Bulls Motorsport-Berater Dr. Helmut Marko danach an. Eigentlich ist eine starke Vorderachse mit losem Heck die Richtung, die Verstappen bevorzugt. Nur eben darf sie nicht unberechenbar sein. Woran es liegt, weiß das Team nicht.

Was sind die Gründe für die Red-Bull-Probleme in Imola?

Verdachtsfall Nummer eins: Der Red Bull hat einen neuen Frontflügel mit neu profilierten oberen Elementen und neuer Endplatte, ergänzt durch eine umgestaltete Unterboden-Kante. Der neue Flügel benötigte auch eine leicht angepasste Verkleidung der Nase.

Kein gigantisches Update, aber eines, das durchaus große Wirkung haben kann, weiß Marko: "Es kann sein, dass das Problem mit den Upgrades zu tun hat und die einzelnen Komponenten nicht so richtig harmonieren." Bei den Konkurrenten Ferrari und McLaren gingen ähnliche Änderungen in den letzten zwei Rennen auch mit adaptierten Seitenkästen einher.

Technik-Details: Red Bull
Red Bull hat einen neuen Frontflügel dabei, Foto: Motorsport-Magazin.com

Verdachtsfall Nummer zwei: 2024 ist die Formel 1 nach einem Jahr Pause wieder in Imola am Start. 2022 fuhr man mit einer anderen Reifenkonstruktion, mit einer um eine Stufe härteren Palette, bei deutlich kühleren Temperaturen. 2024 hat Pirelli die weichste Palette dabei. Besonders der C5, hier der Soft, ist bekannt für sein schmales Performance-Band.

Beginnt ein Auto erst einmal zu rutschen, fällt es aus dem Fenster, und auf einer Qualifying-Runde bekommt man es nie wieder hinein. Da überrascht es nicht, wenn man einen Blick auf den Vergleich von Verstappen und dem Trainingsschnellsten Charles Leclerc wirft und sieht, wie sich der Rückstand nach Verstappens Quersteher ausgangs der Villeneuve-Schikane (Kurve 6) entwickelt.

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Das zeigt aber auch, dass auf einer Runde die Lage nicht desaströs ist. Das lässt sich lösen, glaubt auch Marko: "Der Rückstand ist auf die Qualifying-Runde nicht so groß, wie er sich jetzt darstellt." Die Daten legen auch nahe, dass der auf den Geraden auffällig langsame RB20 mit weniger Leistung unterwegs war. Was uns aber jetzt zu Ferrari und McLaren bringt. Und zur Rennpace.

Ferrari holte sich mit einem großen Update und zwei Trainings-Bestzeiten die Schlagzeilen. Charles Leclerc mahnte danach zur Vorsicht, und das aus gutem Grund. Schon auf eine Runde taucht der McLaren nicht nur im Rückspiegel auf. Oscar Piastri belegte in der Ergebnistabelle hinter Leclerc den zweiten Platz mit 0,192 Sekunden Rückstand. Lando Norris hätte wohl die Trainings-Bestzeit holen sollen.

Auf seiner Qualifying-Simulation war der frisch gebackene Rennsieger nämlich richtig schnell unterwegs. Nach zwei Sektoren lag er eine Zehntel vor Leclerc, durch die Variante Alta und die erste Rivazza-Kurve wuchs der Vorsprung weiter. Dann wurde er am Ausgang der zweiten Rivazza zu gierig und rutschte über den Kerb hinaus ins Kies. Die Runde war beim Teufel, er fuhr sie gar nicht fertig.

Die nur hypothetische Bestzeit ergänzten Piastri und Norris wenige Minuten später um sehr reale und starke Longruns. Piastri führte auf dem Hard-Reifen die Gesamtwertung mit vollen Tanks an - praktisch ohne Reifenabbau, wie ein besorgter Helmut Marko feststellte. Auf dem Medium lag Charles Leclerc vorne, aber nur eine Zehntel vor Norris. Carlos Sainz bog in FP2 beim Setup falsch ab. Trotzdem lag er im Renn-Trimm zwischen den Bullen, im Qualifying-Trimm vor ihnen.

Kampf um Sieg führt erst einmal über McLaren und Ferrari

Das sind die wirklich schlechten Nachrichten für Red Bull. Denn beiden Fahrern fehlten im Rundenschnitt mit vollen Tanks mehrere Zehntel, Verstappen sogar über eine halbe Sekunde. Nur in den langsamen Schikanen waren sie schneller als McLaren. Und die Reifen gingen bei ihnen früher in die Knie. Das deutet tatsächlich auf größere Probleme hin als bloß ein paar Details bei der Reifenvorbereitung. Auch im Longrun war die Balance schlecht, kurz vor Ende leistete sich Verstappen noch einen Kiesbett-Ausritt.

Gerade dass Red Bull im Qualifying noch besser dasteht, kann helfen. Man muss sich in Imola vor allem im Qualifying in eine gute Position bringen. Auf der engen Strecke mit nur einer DRS-Zone ist Überholen schwierig, und die Strategie-Optionen sind begrenzt. Ein Stopp kostet aufgrund einer sehr langen Boxengasse 28 Sekunden. Trotz der weichsten Reifenpalette ist der Abbau hier außerdem nur hitzebedingt und gering. Pirelli geht fest von einer Einstopp-Strategie mit Medium-Hard aus.

Bekommt die Formel 1 gar einen Vierkampf um den Sieg?

Stand Freitagabend sind McLaren und Ferrari trotzdem die Favoriten. Mitten im Spitzenfeld ist schließlich noch Mercedes unterwegs. Näher dran als üblich, und beide Fahrer zeigten sich zufrieden mit der Balance. Nicht so schnell wie die Spitze, aber George Russell und Lewis Hamilton sind schon deshalb erwähnenswert, weil sie schneller als beide Red Bulls waren, sowohl mit leeren als auch mit vollen Tanks.

Auch Mercedes brachte ein Update nach Imola, die Ergänzung zu bereits in Miami eingeführten Teilen. Ein neuer Unterboden und ein neuer auf diesen Streckentypus zugeschnittener Heckflügel samt umgestaltetem zweilagigem Beam Wing lassen Hoffnung schöpfen. "An diesem Punkt fühlt es sich auf jeden Fall wie ein Schritt nach vorne an", meint Russell. Dass man ganz vorne mitspielen kann, scheint man aber am Freitag zu bezweifeln.

Wo man von Autos spricht, die im Spitzenfeld herumgeistern, muss man noch die Lage von Yuki Tsunoda klären. Eine gute Runde brachte ihn auf den dritten Gesamtrang. Davon ist in den Longruns nichts zu sehen. Da geht es zurück auf den Boden der Tatsachen. Die Racing Bulls, Sauber, Williams und Haas fuhren fast identische Medium-Longruns zweiter Klasse. Wer sich im Verfolgerfeld durchsetzt, ist unmöglich vorauszusagen. Aston Martin scheint dafür zurück im Niemandsland und auf Kurs zu den letzten beiden Punkterängen.