Seit Monaten fieberte die Formel 1 auf die neuen Frontflügel-Regeln hin. In Barcelona ist es endlich so weit, und die Konkurrenz von McLaren hoffte darauf, dass der Klassenprimus hier endlich zu biegen sein könnte, auch wenn die Papayas regelmäßig betonten, dass der Frontflügel nicht ihr "magischer Ball sei." Der Trainings-Freitag scheint auf den ersten Blick McLaren rechtzugeben, denn in beiden Sessions waren sie erneut vorne anzutreffen. Lando Norris beendete FP1 auf Platz 1, Oscar Piastri enteilte dem Feld im zweiten Training um beinahe drei Zehntelsekunden.
Doch das ist nur der erste Blick. Denn bei einem genaueren Blick auf die Runden sieht Max Verstappen dann doch wie eine ernstzunehmende Gefahr aus. Von den Balanceproblemen, die den Red-Bull-Topfahrer häufig im ersten und zweiten Training gequält hatten, ist in Spanien nichts zu sehen. "Wir haben jetzt eine Balance, das hatten wir in den meisten Fällen am Freitag noch nicht", stellte auch Red-Bull-Motorsportberater Dr. Helmut Marko zufrieden fest. Optimistisch gestimmt war Red Bull bislang 2025 mit der Freitags-Abstimmung nur einmal, in Japan. Dort holte Verstappen Pole und Rennsieg.
Muss McLaren vor Max Verstappen zittern?
Verstappen verlor auf seiner schnellsten Runde zwar drei Zehntelsekunden, diese aber verteilt auf drei unterschiedliche Kurventypen. Kurventypen, die ihm an anderen Stellen der Strecke weniger Probleme bereiteten. Ein Indiz dafür, dass er möglicherweise nur noch nicht ganz am Limit unterwegs war oder seinen Umlauf nicht ideal zusammenbrachte.
Kaum jemand will die Frontflügel als Ursache dafür ausmachen. Red Bull sieht es vielmehr als eine Bestätigung der gesamten Arbeit in den vergangenen Monaten, wie Marko betonte: "Es ist das Gesamtpaket. Wir haben sukzessive Änderungen durchgeführt und hier greift das jetzt alles."
Verstappen war nach dem Freitag verhalten optimistisch: "Ich hatte schon schlechtere Freitage. Ich habe mich glücklicher gefühlt mit dem Auto, aber wir sind noch immer nicht ganz dort, wo wir hinwollen", bilanzierte er. WM-Leader Oscar Piastri gab sich wenig überrascht: "Wir erwarteten, dass Red Bull hier schnell sein würde."
Yuki Tsunoda profitiert von den Red-Bull-Upgrades übrigens noch nicht, oder zumindest nicht in diesem Ausmaß. Er fährt aufgrund seines Imola-Unfalls nach wie vor eine ältere Spezifikation. Passend dazu klagte der Japaner auch, dass er über alle vier Reifen rutschte. Ohnehin liegt der Fokus aber bei Red Bull auf dem Einser-Auto.
Dass sich die Bullen bei Verstappen berechtigte Hoffnungen machen, liegt vor allem an den Longrun-Zeiten des vierfachen Spanien-Siegers. Auf diesem hängte er nämlich alle Fahrer auf dem Soft-Reifen ab und kam auch auf 15 Runden alten Pneus ohne einen Leistungsabfall durch. Nur Lewis Hamilton rangierte in den Durchschnittszeiten vor ihm, der Ferrari-Pilot fuhr aber auch keinen echten Soft-Longrun.
Oscar Piastri vs. Lando Norris: Stehen sich die McLaren-Fahrer selbst im Weg?
In den mittelschnellen Kurven macht McLaren auf dem Longrun nach wie vor den besseren Eindruck, Verstappen ist hingegen auf den Geraden schneller, während sich in allen anderen Kurventypen Norris und Verstappen die Waage halten.
Der Vize-Weltmeister stellte fest, dass in FP1 sein Auto besser ausgesehen habe als in der Nachmittags-Session, gab sich aber nicht alarmiert. Ganz im Gegenteil: "Wir sind immer gut darin, mit einem guten Basis-Setup zu beginnen und dann ist es schwierig, das zu verbessern. Das ist aber eine gute Sache, keine schlechte, denn dadurch können wir verschiedene Richtungen ausprobieren." Die Richtung, welche man in FP2 bei ihm eingeschlagen hatte, wird man wohl nicht weiter ausloten.
Der Trainingsfreitag könnte aber durchaus ein Indiz dafür liefern, dass McLaren an Vorsprung eingebüßt hat, und zwar gegen alle Verfolgerteams. Denn eigentlich waren die Bedingungen mit über 30 Grad Luft- und schwindelerregenden 48 Grad Streckentemperatur wie gemacht für den besten Reifenkühler im Feld, den MCL39. So überlegen wie in der Vergangenheit bei derartigen Temperaturen zeigte sich die britische Mannschaft aber nicht.
Nichtsdestotrotz, auf den Medium-Reifen schlug das Pendel wieder in Richtung McLaren aus. Oder besser gesagt in Richtung Lando Norris, der auf dem Longrun wie der schnellere der beiden Woking-Fahrer aussah. Das merkte auch Marko an: "Interessanterweise ist Piastri der schnellere im Qualifying-Modus, im Longrun ist aber Norris deutlich besser." Auch das weckt Hoffnungen bei Red Bull, dass Verstappen der lachende Dritte sein könnte.
Ferrari und Mercedes: Schnell, aber mit jeweils einem Haken
Erneut deutet alles darauf hin, dass Verstappen der Hauptgegner für die amtierenden Konstrukteurs-Weltmeister sein könnte. Obwohl George Russell im zweiten Training sogar schneller war als der Vierfach-Champion. Diese Position erkauft sich Mercedes wohl mit einem etwas größeren Flügel, der Russell in den Kurven besser aussehen lässt. Auf den Geraden hat McLaren aber die Nase klar vorne.
Zumindest ist das die Bilanz auf dem Shortun. Auf dem Longrun wirkt der Mercedes deutlich weniger konkurrenzfähig. Russell gingen bereits relativ früh in einem langen Soft-Run die Reifen ein, dementsprechend lagen seine Rundenzeiten auch weit hinter jenen der direkten Konkurrenz. "Die Longrun-Pace sieht nicht überragend aus", stellte auch Russell fest.
Mit Ferrari ist es andersherum: Die Roten reihten sich im Training weitab der Spitze ein, aber sie deshalb abzuschreiben wäre ein Trugschluss. Denn eine halbe Sekunde Rückstand von Charles Leclerc und nur P11 von Lewis Hamilton spiegeln nicht die volle Realität wieder. Beide bauten auf ihrer schnellen Runde Fehler ein, Hamilton schon in Kurve 1, Leclerc mehrere im restlichen Verlauf der Runde. Ohne wäre er wohl auch im Bereich der Top-4 mit dabei.
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