Technisch gab es bei der Williams-Präsentation am 5. Februar nichts zu sehen. Die WM-Siebten des Vorjahres zeigten bei ihrem Launch-Event kein echtes Auto, noch nicht einmal Renderings, nur die Lackierung. Denn in diesem Jahr sind sie spät dran. Weil sie einen großen technischen Schritt planen. So gab es zwar nichts zu sehen - aber viel zu hören.

Von Teamchef James Vowles nämlich, der in seine zweite Saison mit dem Team geht: "Und diese Änderungen sind enorm für eine Organisation, absolut enorm." Auf dem Papier sei der neue FW46 noch immer eine Evolution, erklärt Vowles. Er glaubt an eine gute Basis. Doch waren große Umbauten nötig. Früh hatte Williams die Ressourcen auf 2024 verlagert: "Und was wir mit diesem Auto gemacht haben, lotet überall die Grenzen aus."

Vowles fordert Williams 2024 heraus

Neues soll es am Chassis geben, vor allem aber auch an der Hinterachse. Um die er nur liebend gerne ein Geheimnis macht, wo das Auto doch bis Bahrain im Verborgenen bleibt: "Dort können wir über ein paar interessante Dinge sprechen, wenn es um die Richtung geht, die wir mit unserer Hinterradaufhängung eingeschlagen haben."

Williams kauft das Getriebe von Motorpartner Mercedes, und setzte in den letzten Jahren wie das Werksteam am Heck auf eine Zugstreben-Aufhängung. Was sich ändert, kann auch von Mercedes abhängen, wenn man dort das Konzept ändert.

Zumindest im Vorjahr gab sich Williams so oder so zufrieden, die Restriktionen seien kein Problem. Vowles - im Vorjahr da erst einen Monat Teamchef - spielt die Einschränkungen der Mercedes-Teile jetzt übrigens herunter: "Die definieren nur etwas klarer, wo was am Heck sein muss, und ein bisschen was rund um den Tank, mehr nicht."

Technik-Bilder vom Williams
Die alte Williams-Hinterradaufhängung lehnte sich an der Mercedes-Basis an, Foto: Motorsport-Magazin.com

Das 2024er-Auto ist das erste unter seiner Anleitung: "In ihm stecken deutlich mehr meiner Gedanken, meiner DNA, meiner Strukturen." Bei der Entwicklung des FW46 wollte er das ganze Team herausfordern, gemeinsam anders und kreativer zu denken: "Mein Job war es, die richtigen Leute zusammenzubringen und sicherzustellen, dass die Leistung des Autos auf unser aller Schultern liegt, auch auf meinen. Nicht auf einer Person."

"Das hat einige sehr, sehr interessante Konversationen über die eingeschlagenen Richtungen hervorgerufen", verrät Vowles. Entwicklung auf allen Schultern - dafür will er im Gegenzug sicherstellen, dass die Verantwortung nur auf seinen eigenen lastet: "Ich will nicht, dass irgendwer Angst vor dem Scheitern hat. Dass irgendwer sich einschränken lässt von einer Angst, die Komfortzone zu verlassen. Jetzt ist es an der Zeit, mit meiner Unterstützung mit dem zu brechen, was wir wissen, zurück zur Basis zu gehen und diese hinzubekommen."

Für Vowles sind Änderungen essenziell. So gut fand er den siebten WM-Platz rückblickend nicht: "So gut waren wir seit 2017 nicht, aber ich will mit dieser Organisation noch höher hinaus, und das passiert nur, wenn wir bereit sind, mit allem zu brechen, was wir davor getan haben. Und wenn wir akzeptieren, dass wir gegenwärtig nicht gut genug sind."

Williams-Plattform nicht schlecht: Vowles & Albon analysieren Probleme

Die große Punkteausbeute 2023 war einem topspeedstarken Auto geschuldet, das auf Stop-und-Go-Strecken mit langen Geraden glänzte. "Aber das macht es zu keiner Stärke des Autos", relativiert Vowles mit Nachdruck. "Das ist nur das Nutzen einer Schwäche, um sie mit einer Stärke zu überspielen."

Das Vorjahresauto hatte auf dem Papier solide Abtriebswerte, die von Problemen mit Handling- und Setup überschattet wurden. "Sogar 2021, 2020, als ich nicht gefahren bin, waren es die gleichen", sagt Alex Albon, der 2024 in sein drittes Jahr mit dem Team geht. "Besonders Monaco und Barcelona haben sie verdeutlicht. In langsamen Kurven und beim Bremsen waren sie groß, aber auch die langen Highspeed-Kurven waren schwierig."

Das Team nahm also bewusst Abtrieb weg, um das aerodynamisch effiziente Auto zu einer Topspeed-Rakete zu machen und der Konkurrenz das Überholen im Rennen zu erschweren. Das war schwierig zu fahren und zehrte von Albons starken Qualifyings und von seinen defensiven Meisterleistungen. Sofern es eine Strecke wie in Monza zuließ. Teamkollege und Rookie Logan Sargeant kam fast das ganze Jahr nicht damit zurecht.

Alexander Albon im Williams
In Zandvoort war Williams plötzlich richtig schnell, Foto: LAT Images

Dann gab es aber Zandvoort und Silverstone, wo das Auto richtig schnell war, obwohl Albons Beschreibung der Problemstrecken auf sie genau zutrifft. "Zandvoort zeigte wirklich, was mit diesem Auto ging, wenn dieses ganze Problemverhalten verschwand", meint Vowles. Der vierte Platz von Albon mitten zwischen McLaren, Mercedes und Aston Martin überraschte damals alle. Viel wurde investiert, um in Simulationen die Szenarien zu replizieren, zu verstehen, und darauf dann die Änderungen in allen Bereichen aufzubauen: Aerodynamik, Aufhängung, Fahrleistung.

Williams setzt für 2024 aggressive Ziele

"Bei manchen dieser Dinge haben wir uns herausgefordert, über unsere Erwartungen hinauszugehen", beschreibt Vowles. Ohne "enormes Risiko" geht da nichts: "Keine Frage, wo wir mit dem Auto jetzt stehen und was ihr in Bahrain sehen werdet, das ist spät."

Ein Problem ist das für ihn aber keines. Ein Shakedown oder ein Filmtag in Silverstone, wie ihn das Team in den letzten Jahren abgehalten hat, hätte sowieso nur eine Handvoll Zusatzkilometer gebracht. Für die großen Änderungen braucht es echte Testfahrten: "So viel hat sich bei uns verändert, dass wir es auf der Strecke verstehen müssen und dann die Schwächen feststellen müssen, die dabei rauskommen."

In den letzten Simulationen sieht alles gut aus. Das bestätigt Albon: "Es ist ganz anders, fühlt sich vor allem ganz anders an und braucht einen anderen Fahrstil." Bei den Ambitionen hält er sich daher auch nicht mehr zurück: "Wir wollen im Alpine-Bereich kämpfen, uns an die Fersen der Spitzengruppe heften."

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