Die goldenen Zeiten der Formel-1-Testfahrer sind vorbei - könnte man meinen. Keine unbegrenzten Testmöglichkeiten mehr, außer zwei Filmtagen mit einem Maximum von 200 Kilometern mit Showreifen, sowie Pirelli-Reifentests, bleibt kaum noch Gelegenheit für die Reservefahrer, Fahrpraxis im Auto zu sammeln.

Doch die Rolle als sogenannter dritter Fahrer kann immer auch die Gelegenheit für Renneinsätze bieten. Seit 2020 durften sechs Fahrer krankheits- oder verletzungsbedingt einen GP-Start absolvieren. Daniel Ricciardo gelang 2023 sogar der Sprung vom Reserve- zum Stammfahrer mitten in der laufenden Saison. Der Ex-Formel-1-Testfahrer und einmalige GP-Starter Jack Aitken wiederum zeichnet ein weniger prickelndes Bild vom Leben als Ersatzfahrer im Formel-1-Paddock.

Daniel Ricciardo beim Test in Abu Dhabi 2023
Daniel Ricciardo gelang 2023 der Sprung vom Ersatz- zum Stammfahrer, Foto: Getty Images / Red Bull Content Pool

Jack Aitken über Ersatzfahrer-Rolle: Die meisten Leute hassen es

"Es ist ein langweiliger Job. Du bist ein Ersatzteil", so der 28-Jährige im Gespräch mit The Race. "Es gibt wirklich nichts für dich zu tun, außer darauf zu warten, dass jemand die Treppe herunterfällt - und das ist ein schreckliches Leben zu leben. Also ja, die meisten Leute hassen es."

Viele Ersatzfahrer sind in der modernen Formel 1 deswegen vor allem auch Simulator-Fahrer. Sowohl bei der Entwicklung in der Winterpause als auch an den Rennwochenenden selbst können sie eine wichtige Rolle spielen, wenn es um die Entwicklung des Autos, oder um das Finden des richtigen Setups geht. In der Saison 2023 bedankte sich etwa Mercedes des Öfteren bei Reservefahrer Mick Schumacher für seine stundenlange Arbeit im Simulator.

Jack Aitken war mehrere Jahre Ersatz- und Simulator-Fahrer in der Formel 1, Foto: Williams
Jack Aitken war mehrere Jahre Ersatz- und Simulator-Fahrer in der Formel 1, Foto: Williams

Auch Jack Aitken war jahrelang für Renault und Williams im Simulator tätig. "Die Ingenieure werden sagen 'wir haben dieses Problem mit dem Auto, könntest du A und B für uns testen und uns einen Hinweis geben'", beschreibt der Formel-2-Rennsieger die Aufgabe eines Simulator-Fahrers nach den Trainingssitzungen an einem Grand-Prix-Wochenende.

Mit Beginn des Qualifyings ist die Arbeit eines Simulator-Fahrers in der Regel getan, denn ab dann gilt das Parc-Ferme-Reglement, das Setup-Änderungen am Auto bis zum Abschluss des Wochenendes verbietet.

Einen ausführlicheren Einblick in die Aufgaben eines Simulator-Fahrers, bekommt Ihr in diesem Artikel:

Simulator-Job: Kein Geld für Junioren

Aufgrund der Bedeutung des Jobs in der modernen Formel 1 und der dafür notwenigen Kompetenz und Erfahrung, sind die Simulator-Jobs in der Regel recht gut bezahlt. Doch auch das war Aitken in seiner Formel-1-Zeit nicht vergönnt, da er sowohl bei Renault als auch bei Williams Teil von deren Nachwuchsakademien war: "Wenn du ein Academy-Fahrer bist, wird von dir wegen all den anderen Vorteilen, die sie dir geben, erwartet, es umsonst zu machen."

Die Arbeit im Simulator ist aus der modernen Formel 1 nicht mehr wegzudenken, Foto: Red Bull Content Pool
Die Arbeit im Simulator ist aus der modernen Formel 1 nicht mehr wegzudenken, Foto: Red Bull Content Pool

Formel-1-Teams verwenden den Simulator-Job gerne, um Nachwuchsfahrer näher an das Team heranzuführen und in dieses zu integrieren. Dieser Zweck werde zwar erfüllt, meint Aitken, aber: "Das erreicht man wirklich nach einer halben Saison und von diesem Punkt an ist es kostenlose Arbeit für das Team. Aber das ist die Realität eines Formel-2-Fahrers, man muss einfach diese Gelegenheiten ergreifen."

Ersatzfahrer-Rolle verhilft Aitken zum F1-Debüt

Immerhin brachte die Tätigkeit als Ersatz- und Simulator-Fahrer Aitken zu seinem ersten und bis heute einzigen Formel-1-Renneinsatz. Beim vorletzten Saisonrennen 2020 in Bahrain (Sakhir GP) kam Aitken durch die Corona-Erkrankung von Lewis Hamilton und die Beförderung von George Russell von Williams zu Mercedes zu seinem Formel-1-Debüt.

In Bahrain durfte Jack Aitken 2020 seinen einzigen GP-Start absolvieren, Foto: LAT Images
In Bahrain durfte Jack Aitken 2020 seinen einzigen GP-Start absolvieren, Foto: LAT Images

Das Rennen beendete er auf P16, in Erinnerung bleiben wird der Start des Briten wohl aber besonders aufgrund eines Zwischenfalls in Runde 61: Aitken kam von der Strecke ab und verlor seinen Frontflügel auf Start/Ziel. Die dadurch verursachte Safety-Car-Phase kostete Mercedes-Debütant Russell durch Fehler beim Mercedes-Boxenstopp den Premierensieg.

Seit Ende 2022 ist Aitken nicht mehr offiziell im Formel-1-Paddock tätig, half bei Gelegenheit jedoch weiter im Simulator aus. 2023 ging der Londoner in den Top-Klassen der IMSA-Serie und der 24 Stunden von Le Mans für Cadillac sowie in der DTM für Emil Frey Racing an den Start.

Übersicht: Diese Ersatzfahrer absolvierten seit 2020 GP-Starts

FahrerTeamGP-Starts als ErsatzfahrerGrund
Liam LawsonAlphaTauri5Verletzung
Nico HülkenbergRacing Point/Aston Martin4Corona-Infektion
Pietro FittipaldiHaas2Verletzung
Robert KubicaAlfa Romeo2Corona-Infektion
Jack AitkenWilliams1Corona-Infektion
Nyck de VriesWilliams1Blinddarmentzündung