Das Formel-1-Rennen in Austin erinnerte fast schon wieder an alte Zeiten. Max Verstappen konnte unter Druck von Lewis Hamilton beim USA-GP vor allem auf den letzten Runden keine Sekunde durchschnaufen und musste nebenher ein vermeintliches Bremsproblem managen. Hamilton fehlten im Ziel nur zwei Sekunden auf den Sieg.

Das war zumindest der Fall, bevor der Wagen von Lewis Hamilton bei einer technischen Kontrolle nach dem Rennen genauer unter die Lupe genommen wurde. Die Planke am Unterboden von Lewis Hamiltons Mercedes war zu stark abgenutzt und dadurch illegal, genauso wie übrigens auch jene am Ferrari von Charles Leclerc. Als logische Konsequenz daraus wurde der Brite vom Rennen disqualifiziert und verlor sein Podium.

Mercedes verschätzt Reifen-Performance

Doch widmen wir uns dem Geschehen auf der Strecke. Der Mercedes-Pilot wusste im ersten Stint die Track Position auf seiner Seite und hatte damit alle Trümpfe gegen Verstappen in der Hand. Nach dem ersten Stopp des Niederländers wendete sich das Blatt. Sein Team ließ Hamilton länger auf der Strecke, anstatt zu reagieren.

Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff ärgerte sich nach dem Rennen, dass man in dieser Phase entscheidenden Boden auf den späteren Rennsieger verloren hatte. Der Strategie lagen zwei Fehlkalkulationen zugrunde. Einerseits überschätzte Mercedes den Pace-Vorteil von Red Bull, andererseits verschätzte man sich bei der Reifen-Performance.

Lewis Hamilton stoppt im Niemandsland: 1-Stopper nicht möglich

"Als Max an die Box gefahren war, wussten wir in Runde 19 oder 20, dass wir nur drei Runden länger durchhalten mussten, um eine Einstopp-Strategie umsetzen zu können", erklärte Wolff. Der Einstopper erschien verlockend. Doch in diesem Zeitraum brach die Performance der Medium-Reifen am Auto von Hamilton rapide ein. Mercedes sah sich plötzlich gezwungen vorzeitig die Reißleine zu ziehen, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren.

In der 20. Runde steuerte Hamilton die Box an. Zu früh für einen Einstopper, aber auch zu spät für eine ideale Zweistopp-Strategie. Damit lag Mercedes strategisch gesehen irgendwo im Niemandsland und schenkte dementsprechend wertvolle Sekunden her. "Wenn man das zusammenrechnet, dann lief alles gegen uns. Vielleich hätten wir einen Zweistopper versuchen können, um gegen ihn abzudecken. Außerdem waren beide Boxenstopps nicht großartig", rechnete Wolff vor.

Lewis Hamilton war sich in der Pressekonferenz sicher, dass die Sieg-Wahrscheinlichkeit ohne diese missratene Strategie im ersten Stint höher gewesen wäre. "Wir wären in einer besseren Position gewesen, um mit Max zu kämpfen. Das hat unser Leben viel schwerer gemacht, als es hätte sein sollen", erklärte er. Hamilton fügte aber hinzu: "Es wäre immer noch knapp zwischen uns gewesen, da wir eine ähnliche Pace fuhren, aber ich denke wir haben bei der Verlängerung des ersten Stints zu viel Zeit verloren."

Mercedes überschätzt Red Bull: Risiko statt Defensive

An diesem Punkt kam die zweite Fehlkalkulation von Mercedes zum Tragen. Nach dem dominanten Verstappen-Sieg im Sprint am Samstag dachte die Mannschaft aus Brackley nicht, dass man Verstappen pacetechnisch genug entgegensetzen könnte, um ihn auf der identischen Strategie hinter sich zu halten.

Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton feiert Platz zwei auf dem Podium
Hamilton auf dem Podium: Darf er seinen Austin-Pokal behalten?, Foto: LAT Images

"Sie waren in diesem Jahr so dominant, da ist es klar, dass man mit einem anderen Mindset diese Entscheidungen trifft", entschuldigte Wolff diese suboptimale Strategie. Mercedes fühlt sich durch diesen Beinahe-Sieg jedoch ermutigt. Die neusten Upgrades scheinen zu funktionieren und ein Schritt in Richtung Red Bull ist getan.

Alles umsonst: Hamilton disqualifiziert

Lewis Hamilton freute sich darüber, mahnte aber davor diesem einen siegfähigen Rennen zu viel Bedeutung beizumessen und führte als Beispiel dafür das Brasilien-Wochenende im Vorjahr an, als George Russell den Sieg einfahren konnte. Dennoch: "Das ist definitiv einer der stolzesten Momente, die wir in diesem Jahr erlebt haben", freute sich Hamilton in der PK. Dass der Wagen des 38-Jährigen illegal war, wurde erst später bekannt.

Aus diesem Blickwinkel ist es vielleicht Glück im Unglück, dass der Mann mit der Nummer 44 das Rennen nicht gewonnen hat. Es wäre wohl noch viel bitterer gewesen, wenn Hamilton seinen ersten Formel-1-Sieg seit dem Saudi-Arabien-GP 2021 vor beinahe zwei Jahren nachträglich noch verloren hätte. So müssen sich er und Mercedes nach der Disqualifikation 'nur' über den Verlust eines Podiums und von 18 Punkten ärgern.