Die erst sehr spät getroffene Fahrer-Entscheidung bei Haas für die Formel-1-Saison 2023 sorgte vor einem halben Jahr für Diskussionen. Der junge Mick Schumacher wurde durch den erfahrenen Nico Hülkenberg ersetzt. Nach 12 Rennen sieht sich Motorsport-Magazin.com diese Entscheidung im Detail an. Zwar hat Hülkenberg weniger Punkte, doch die Daten sehen nicht gut aus für Schumacher.

Ist Nico Hülkenberg schneller als Mick Schumacher?

Ein Blick auf die Formel-1-Tabelle beantwortet die Frage natürlich nicht. Schumachers 12 Punkte vor der Sommerpause 2022 stehen dort 9 von Hülkenberg gegenüber, aber das Auto ist anders, die Konkurrenz ist anders. Die erste Anlaufstelle in Sachen Pace ist vielmehr der Teamkollege. Der war für beide Kevin Magnussen.

Dieser Vergleich rückt Schumacher in ein schlechtes Licht. Nach Punkten lag er im Vorjahr zurück, im Qualifying sah es noch deutlicher aus. Mit nur 2 Siegen in 12 Qualifyings (Defekte und Ähnliches ausgenommen) ging er in die Sommerpause. Im entscheidenden Qualifying-Segment fehlten ihm im Schnitt 0,439 Sekunden. Besonders bitter: Magnussen war von Beginn an schneller, obwohl er erst beim zweiten Test in Bahrain zum ersten Mal im Auto saß, als Ersatz für Nikita Mazepin.

Hülkenberg hingegen dominiert 2023 Magnussen. In der Gesamtbilanz (Sprint Shootouts und Qualifyings ohne Defekt-beeinflusste Ergebnisse) steht es 9 zu 2, der durchschnittliche Vorsprung beträgt 0,495 Sekunden. Obendrauf erreichte Hülkenberg sieben Mal das letzte Segment. Auf den neun Strecken, auf denen sowohl Hülkenberg als auch Schumacher fuhren, fertigte Hülkenberg Magnussen 8 zu 2 ab. Schumacher unterlag 2 zu 8.

Die Qualifying-Statistik gilt es aber einzuordnen. Nach der Sommerpause legte Schumacher nach, beendete das Jahr 4 zu 4, und nur eine Regen-Pleite in Brasilien (wo Magnussen im Gegenzug auf Pole fuhr) verhagelte ihm den Zeitenschnitt. Sonst wäre er in den letzten 8 Rennen sogar 0,046 Sekunden schneller gewesen. Während seine Formkurve stieg, war aber das Auto im Kräfteverhältnis zurückgerutscht. Daher fehlten die auffälligen Ergebnissen.

Verwertet Hülkenberg Chancen besser als Schumacher?

Brasilien 2022 steht auch für ein größeres Problem von Schumacher. Vor der Sommerpause streute er drei große Qualifying-Pleiten ein, die als gigantische Ausreißer in der Statistik aufscheinen. So vergab er eine Q3-Chance in Frankreich mit Track Limits, in Imola mit einem Fehler auf der entscheidenden Runde. Schlechte Ausgangspositionen sorgten für schlechte Chancen-Verwertung, als der Haas noch die Pace hatte.

Im Rennen ist der Haas 2023 schlechter, aber Hülkenberg glänzt bei zwei Gelegenheiten, bei denen das reifenmordende Auto tatsächlich dank Regen (Österreich-Sprint - P6) oder belastungsarmer Strecke (Australien - P7) was hergab. Nur in Saudi-Arabien und in Miami schlug ihn Magnussen in einem Rennen, bei dem Punkte drin waren. Das seine Qualifying-Leistungen im Sommer zu nichts führten, ist auf das Auto zurückzuführen.

Schumacher-Problem: Unfälle & Fehler

Fehler-Anfälligkeit und Konstanz waren schon immer Kritikpunkt bei Schumacher. Einzelne Punkte entscheiden am Ende des Feldes über die WM-Platzierung, und bringen zusätzliche Millionen-an Preisgeldern. Haas will sich hier keine Inkonstanz leisten. Bei Schumacher kamen als zusätzlicher Kritikpunkt die großen Fehler hinzu. 2 Millionen Dollar schätzte Steiner den verursachten Schaden von Schumacher am Jahresende.

Der Saudi-Arabien-Abflug war teuer für Schumacher und Haas, Foto: LAT Images
Der Saudi-Arabien-Abflug war teuer für Schumacher und Haas, Foto: LAT Images

Davon ist Hülkenberg aktuell weit entfernt. Nur ein Dreher im FP1 von Miami hinterließ nach Mauerkontakt größere Schäden, aber nicht einmal der neue Unterboden war dabei kaputtgegangen.

SchumacherHülkenberg
Saudi-Arabien: Schwerer Qualifying-Crash (kein Rennen)Bahrain: Kollision am Start
Miami: Kollision im Kampf um PunkteMiami: Crash in FP1
Monaco: Schwerer Crash im Rennen
Japan: Crash auf FP1-Auslaufrunde
Abu Dhabi: Kollision im Rennen

Schumacher besser als Kevin Magnussen?

Hülkenberg zu holen kann Haas also kaum zum Vorwurf gemacht werden. Mit Blick auf die Formkurve von Schumacher in der zweiten Saisonhälfte stellt sich aber eine andere Frage: Hätte sich das Team die Möglichkeit offenhalten sollen, um Schumacher statt Magnussen zu behalten? Denn der Däne steht 2023 genauso in Hülkenbergs Schatten.

In Kanada war Hülkenberg Zweitschnellster im Qualifying, Foto: LAT Images
In Kanada war Hülkenberg Zweitschnellster im Qualifying, Foto: LAT Images

Schumacher ist bekannt dafür, ein Spätzünder zu sein. In Formel 3 und Formel 2 griff er immer erst nach gut eineinhalb Jahren im Spitzenkampf ein. In der Formel 1 mit ihren Test-Beschränkungen und mit den ebenso limitierten Simulator-Optionen - erst recht für ein kleines Team wie Haas - kann die Eingewöhnung dauern.

Dem entgegen steht eine spezielle Haas-Situation. Günther Steiner und Eigentümer Gene Haas waren zuletzt deutlich: Das ist kein Junior-Team. Schumacher mag sich verbessert haben, aber er machte auch am Jahresende noch Fehler und war auf einer Höhe mit Magnussen, nicht klar besser. Wäre er besser als Magnussen heute? Diese Frage kann man nicht beantworten.

Die großen Reifenprobleme der laufenden Saison unterstreichen bei Haas außerdem den Wert zweier alter Hasen. Weil sie das nötige technische Feedback liefern können, um bei der Lösung des Problems zu helfen. Nicht zuletzt deshalb war Günther Steiner jüngst schnell bereit, seine Zufriedenheit mit beiden Fahrern auszudrücken.