Die Formel-1-Saison 2023 ist in der Sommerpause. Nach 12 von 22 Rennen ist ein guter Zeitpunkt gekommen, eine Halbzeitbilanz zu ziehen. Wer hat überzeugen können und wer ist zurückgefallen? Motorsport-Magazin.com wirft einen Blick auf Gewinner und Verlierer seit dem Saisonauftakt in Bahrain.

Gewinner: Red Bull und Max Verstappen

Eigentlich ist es müßig, sie hier wieder einmal zu erwähnen, haben wird doch Red Bull in jedem einzelnen unserer bisherigen Rennberichte bereits als Sieger präsentiert. Zwölf Rennen und drei Sprints gab es in der Saison bisher und immer gewann Red Bull. Um genauer zu sein meist ein bestimmter Red Bull. Weltmeister Max Verstappen fliegt im Rekordtempo zur Titelverteidigung. 10 Siege und 314 Punkte sind zu diesem Zeitpunkt im Jahr sind schlichtweg unglaublich. Mit dem RB19 ist Adrian Newey & Co. das beste Auto der Teamgeschichte gelungen und der Holländer setzt dies perfekt um. Die Frage lautet schon lange nicht mehr, ob Red Bull gewinnt, sondern ob Red Bull irgendwann einmal nicht gewinnen wird. Eigentlich können sie sich nur selbst schlagen.

Max Verstappen siegt und siegt und siegt..., Foto: LAT Images
Max Verstappen siegt und siegt und siegt..., Foto: LAT Images

Verlierer: Ferrari

Die Scuderia war 2022 zumindest für eine Saisonhälfte in Titelkampf und fuhr regelmäßig um Siege und Podestplätze. Rang Zwei in der WM-Wertung war angesichts der Vorjahre eine gute Leistung, auch wenn das die italienische Presse manchmal anders sah. 2023 ist die Kritik der Gazetten aber vollkommen berechtigt. Ferrari ist momentan auf WM-Rang Vier zurückgefallen. Gerade einmal drei Podestplätze hat Charles Leclerc, im Vorjahr noch Vizemeister, eingefahren. Bei Carlos Sainz steht gar noch die Null. Bei Ferrari fehlen Konstanz und Verständnis für das neue Auto. Viel wird an den SF-23 geschraubt, aber wenig funktioniert. Und den Anschluss an Red Bull hat Maranello ohnehin völlig verloren, auch wenn Leclerc im Qualifying ab und zu zaubert. Neu-Teamchef Frederic Vassuer redet sich die Lage häufig schön, doch es muss dringend eine Trendwende her.

Gewinner: Aston Martin und Fernando Alonso

Diesen Aufstieg hätte beiden Parteien wohl kaum jemand zugetraut. Fernando Alonso wechselte überraschend vom vorjahresvierten Alpine zu Aston Martin, die 2022 nur auf Rang sieben mit weniger als einem Drittel der Punkte gelandet waren. Doch schon nach den Testfahrten waren die Vorzeichen andere. Mit dem AMR23 ist Aston Martin ein gewaltiger Schritt nach vorne gelungen und Alonso nutzte seine große Chance eiskalt aus. Sechs Podestplätze in den ersten acht Rennen waren eine gewaltige Ansage. Auch wenn Aston Martin in den letzten vier Rennen vor der Sommerpause im Entwicklungsrennen leicht zurückgefallen ist, so liegt Alonso immer noch auf Rang Drei in der Fahrerwertung und ist damit bester der Normalsterblichen, die nicht in einem Red Bull platz nehmen dürfen.

Fernando Alonsos Wechsel zu Aston Martin war ein Volltreffer, Foto: LAT Images
Fernando Alonsos Wechsel zu Aston Martin war ein Volltreffer, Foto: LAT Images

Verlierer: Alpine

Wo soll man bei Alpine anfangen? Nicht umsonst hat unser Kollege Markus Steinrisser eine Übersicht mit den ganzen Personalentwicklungen beim Renault-Werksteam seit dem Wiedereinstieg ab 2016 erstellt, denn auch wir haben den Überblick verloren. In Belgien wurden Teamchef Otmar Szafnauer und Enstone-Urgestein Alan Permane rausgeworfen. Pat Fry flüchtete freiwillig zu Williams. Im ewigen Zwist zwischen Konzernleitung und Team geht es einmal wieder drunter und drüber. Bruno Famin soll es nun vorerst richten. Dass sich diese mangelnde personelle Konstanz auch auf das sportliche auswirkt, kommt kaum überraschend. Esteban Ocon und Pierre Gasly fahren im Niemandsland der WM-Tabelle auf Rang sechs. Dazu hat die FIA auch noch bestätigt, dass der Renault-Motor signifikant schwächer als die Aggregate der Konkurrenz ist. Alpine gibt 2023 bisher ein besorgniserregendes Gesamtbild ab.

Wer wird neuer Formel-1-Teamchef bei Alpine? (30:00 Min.)

Gewinner: Nico Hülkenberg

Wer sich fragte, ob Nico Hülkenberg zum alten Eisen gehört, wurde sofort eines Besseren belehrt. Der Rückkehrer bei Haas setzte sich ins Auto und fuhr, als wäre er nie weg gewesen. Besonders im Qualifying brilliert er regelmäßig, etwa als er in Kanada die zweitschnellste Zeit fuhr. Im Rennen geht es dann meist nach hinten, was aber am Reifenproblem des Autos und nicht unbedingt am Piloten liegt. Hülkenberg hat in kurzer Zeit bewiesen, dass er seinen Platz in der Königsklasse absolut verdient hat. Die Vertragsverlängerung bei Haas ist nurmehr eine Formalität.

Verlierer: Nyck de Vries und AlphaTauri

Gerade einmal 10 Rennen lang dauerte die AlphaTauri-Karriere von Nyck de Vries. Zu keinem Zeitpunkt konnte der Holländer ein Ausrufezeichen setzten. Er blieb stets blass und leistete sich auch Fehler. Sein Rauswurf kam vielleicht früh, aber nicht unbedingt überraschend. Fairerweise sollte aber auch gesagt werden, dass mit diesem Auto auch kaum etwas zu holen ist. AlphaTauri liegt auf dem letzten Platz der WM-Wertung und kam bisher nie über einen zehnten Platz im Rennen hinaus. Im Abschiedsjahr von Franz Tost präsentiert sich das Team schlecht wie nie. Nicht umsonst meinte der Österreicher, er vertraue seinen Ingenieuren nicht mehr. AlphaTauri brachte unzählige Updates, aber Wirkung hatten sie keine.

Nyck de Vries konnte bei AlphaTauri nicht überzeugen, Foto: LAT Images
Nyck de Vries konnte bei AlphaTauri nicht überzeugen, Foto: LAT Images

Gewinner: McLaren und Oscar Piastri

Wie Updates gehen, zeigte hingegen ein anderes Team. McLaren war nach acht Rennen alles andere als ein Gewinner, sondern mitten im Kampf der zweiten Tabellenhälfte. Das hatte das Team auch so vorhergesehen. Die alte Entwicklungsrichtung versprach nichts mehr, eine neue musste her und die brauchte Zeit. Gesagt, getan. Ab Österreich wurde ein großes Paket an den MCL60 geschraubt und er verwandelte sich in eine Rakete. Aus dem Nichts wurde McLaren teilweise sogar zweite Kraft. Anteil daran hatte auch Oscar Piastri. Der Rookie überzeugte bisher und nähert sich dem hoch eingeschätzten Lando Norris immer weiter an. Seine Entscheidung für McLaren und gegen Alpine war goldrichtig. Auch wenn der Punktestand noch nicht allzu beeindruckend aussieht, so geht es für McLaren und Piastri wohl nur noch in eine Richtung: Nach oben.

Teamfeier: Oscar Piastri beim Sprint Race in Spa-Francorchamps
McLaren hat seit einem großen Update viel zu feiern, Foto: LAT Images

Verlierer: Sergio Perez

Red Bull sind die Dominatoren der Saison, doch an Sergio Perez geht dieser Trend seit einigen Monaten etwas vorbei. Nach starkem Saisonstart mit zwei Siegen in Jeddah und Baku baute der Mexikaner sichtlich ab. Das ist vor allem einer Disziplin zuzuschreiben: Dem Qualifying. Unglaubliche fünf Mal in Folge verpasste er zwischen Monaco und Silverstone das Q3. Im mit Abstand besten Auto eigentlich eine indiskutable Leistung. Doch der Mexikaner macht es im Rennen meist deutlich besser und liegt klar auf Rang Zwei der WM-Wertung. Sein Platz für 2024 ist nicht gefährdet, das stellte die Teamleitung klar. Dennoch muss er mit diesem Auto eigentlich immer mindestens Zweiter werden.

Gewinner: Lewis Hamilton

Auch noch zu Beginn des Jahres gab es Unkenrufe, Lewis Hamiltons Zeit in der Formel 1 neige sich langsam dem Ende zu. 2022 hatte der 38-Jährige das Teamduell gegen Mercedes-Neuling George Russell verloren und auch 2023 war er zu Saisonbeginn insbesondere im Qualifying zumeist etwas hinten dran. Diesen Trend hat der siebenfache Weltmeister mittlerweile aber umgekehrt. Es stehen vier Podestplätze im Vergleich zu einem beim Teamkollegen zu buche. Außerdem sicherte er sich in Ungarn seit langem wieder einmal eine Pole-Position. Mercedes stagniert, aber an Hamilton liegt das nicht. Er liefert mittlerweile konstant ab und wird dem aktuellen Trend nach bald Fernando Alonso den dritten WM-Platz abnehmen.

Lewis Hamilton fährt eine starke Saison, Foto: LAT Images
Lewis Hamilton fährt eine starke Saison, Foto: LAT Images

Verlierer: Kevin Magnussen

So stark der Eindruck ist, den Hülkenberg hinterlässt, so wenig kann sein Haas-Teamkollege sich ins Rampenlicht fahren. Highlights sucht man bei Kevin Magnussen vergebens. Sein durchschnittlicher Rückstand von einer halben Sekunde und etwa viereinhalb Startplätzen auf den Deutschen im Qualifying ist mittlerweile konstant vorhanden. Der reifenfressende Haas braucht aber eine gute Startposition, um wenigstens eine Chance auf Zählbares zu haben. Zwei zehnte Plätze sind zu wenig. Das Glück des Dänen ist nur, dass sich kein anderer Fahrer bei Günther Steiner aufdrängt. So wird er wohl auch 2024 noch Teamkollege von Hülkenberg sein.

Gewinner: Williams

11 Punkte lesen sich sicherlich nicht beeindruckend, aber der zwischenzeitliche WM-Rang sieben ist, an Williams Vorgeschichte gemessen, durchaus beachtlich. Noch wichtiger aber ist, dass diese Punkte nicht mehr nur durch Glück oder besondere Umstände zustande gekommen sind. Diese Zähler haben sich Williams und Alex Albon durch Pace und Strategie erarbeitet. Das Traditionsteam hat definitiv einen Schritt nach vorne gemacht und das letztjährige Abo auf die rote Laterne abgestreift. Davon profitiert hat allerdings bisher nur Albon. Rookie Logan Sargeant hängt (noch) hinterher.

Verlierer: Valtteri Bottas und Alfa Romeo

Eigentlich sollte Valtteri Bottas der Leader in Saubers Formel-1-Projekt sein. Der zweifache Vizemeister ist aber mittlerweile zum Mitfahrer verkommen. Highlights gibt es außer einem achten Platz beim Saisonauftakt keine. Sein wesentlich unerfahrener Teamkollege Guanyu Zhou fährt dem Finnen gar bei manchen Rennen, wie etwa in Barcelona, um die Ohren. Bottas' Form passt zu der seines Teams. Von Platz sechs im Vorjahr ist Hinwil auf Rang neun der WM-Wertung zurückgefallen. Punkte sind mit dem C43 aus eigener Kraft so gut wie unmöglich zu erreichen. Andreas Seidl hat eine Menge Arbeit vor sich, um das Team für den Audi-Einstieg auf Vordermann zu bringen.

Gewinner: Daniel Ricciardo

Es ist auch möglich zu gewinnen, während man an der Seitenlinie sitzt. Daniel Ricciardo hat dies nach seinem Rauswurf bei McLaren erfahren. Er dockte bei der alten Heimat Red Bull als Ersatzfahrer an und prompt wurde er nach dem Aus für Nyck de Vries wieder in ein Formel-1-Cockpit gehievt. Und es ist nicht nur, dass er wieder in der Königsklasse fahren darf. Es geht auch darum, sich wieder für das A-Team zu empfehlen. Dazu muss er aber durchwegs überzeugen. Seine ersten beiden Auftritte für AlphaTauri waren durchaus vielversprechend. Eine Niederlage gegen Yuki Tsunoda darf er sich aber nicht erlauben.

Es war nur eine kurze Pause: Daniel Ricciardo sitzt wieder im Renncockpit, Foto: LAT Images
Es war nur eine kurze Pause: Daniel Ricciardo sitzt wieder im Renncockpit, Foto: LAT Images

Verlierer: Mercedes

Zugegeben, abgestürzt wie Ferrari oder Alpine ist Mercedes nicht. Die schwarz lackierten Silberpfeile sind im Vergleich zu 2022 sogar einen Platz in der WM-Tabelle nach vorne gerückt und überzeugen in der Verfolgergruppe mit der größten Konstanz. Doch das ist nicht der Anspruch der Truppe von Toto Wolff. Für Mercedes gelten nur Titel und die sind 2023 kein Stück näher als ein Jahr zuvor. Der Rückstand auf Red Bull ist im Rennen sogar noch angewachsen und bei der Weiterentwicklung des W14 ist eine klare Richtung nicht zu erkennen. Statt Red-Bull-Jäger zu sein, läuft Mercedes aktuell eher Gefahr auch noch hinter McLaren zu fallen.