Um drei Hundertstel hat Lewis Hamilton Max Verstappen die Pole in einem Qualifying-Thriller entrissen. Der Ungarn-GP sieht zum zweiten Mal in der Saison 2023 keinen Red Bull auf dem ersten Startplatz starten. Und könnte es sogar sein, dass zum ersten Mal auch kein Red Bull gewinnt? Die Lage vor dem Hitzerennen nahe Budapest scheint spannender denn je im bisherigen Saisonverlauf. Nicht nur ist Max Verstappen mit der Balance seines Autos unzufrieden, auch Teamkollege Sergio Perez (P9) startet mal wieder nicht gerade weit vorne. Dazu könnten die beiden erstarkten McLaren dem Spitzenduo am Start und strategisch einheizen. Eine Alfa-Romeo-Sensation könnte der Grand Prix ebenfalls im Petto haben. Gründe für einen spannenden Rennsonntag gibt es mehr als genug. Wir blicken auf sieben Schlüsselfaktoren für das Rennen.
S wie Startaufstellung
Lewis Hamilton startet das erste Mal seit Saudi-Arabien 2021 von der Pole-Position. Neben ihm steht sein alter Rivale Max Verstappen. Da kommen Erinnerungen an jene Saison 2021 auf. Damals gab es in den ersten Runden der Rennen so einige Rangeleien zwischen den beiden. Reihe Zwei bilden die erneut starken McLaren von Lando Norris und Oscar Piastri. Dahinter folgen drei Ferrari-Motoren. Dabei handelt es sich aber um zwei Alfa Romeos und nur einen Boliden der Scuderia. Guanyu Zhou (P5) und Valtteri Bottas (P7) nehmen den Ferrari von Charles Leclerc (P6) in die Zange. Auf Rang acht steht Fernando Alonso. Sergio Perez schaffte es erstmals seit Miami ins Q3, startet aber dennoch nur von Rang Neun. Ein erneut starker Nico Hülkenberg im Haas komplettiert die Top 10.
Der zweite Teil des Feldes wird angeführt von Carlos Sainz im zweiten Ferrari. Nur zwei Plätze hinter ihm feierte Daniel Ricciardo ein starkes Comeback im Qualifying und stellte den AlphaTauri auf einen beachtlichen Platz 13. Nichts lief für George Russell zusammen. Im Verkehr stecken geblieben muss der Teamkollege des Pole-Mannes von Platz 18 starten.
S wie Start
Der Weg zur ersten Kurve in Ungarn ist nicht sehr lang, aber entscheidend. Auf der engen Strecke nahe Budapest kann zwar mit DRS und den neuen Autos der Generation 2022 etwas besser überholt werden als früher, aber leicht kommt man dennoch nicht am Vordermann vorbei. Ein guter Start ist daher äußerst wichtig. Besonders ist der Start am Hungaroring dadurch, dass er sich bis nach Kurve 2 zieht. In der ersten Kurve kann auch die Außenbahn gewählt werden, um dann in Kurve 2 innen zu sein. Ebenso kann aber auch in Kurve 2 außen attackiert werden. Die Kurvenradien und die Streckenbreite erlauben Linien mit mehreren Autos nebeneinander.
Besonders wichtig dürfte der Start für die beiden schnellen, von weiter hinten startenden, Autos sein. Sergio Perez wird ein paar Positionen gutmachen wollen, während George Russell vermutlich den Start seines Lebens braucht, wenn er noch ein gutes Resultat holen will. Außerdem stellt sich die Frage, wo sich die beiden Alfa Romeos platzieren. Sollten sie gut starten und noch vorne kommen, könnten sie im Spitzenkampf eine Rolle spielen, indem sie Piloten aus den Top 4 aufhalten.
S wie Strategie in der Sommerhitze
"Unser Setup ist aber auf das Rennen ausgerichtet. Die Streckentemperatur wird morgen noch einmal 10 Grad höher sein. Da musst du in der Balance bleiben", wusste Red-Bull-Teamchef Christian Horner über das Setup Max Verstappens zu berichten. Tatsächlich droht einmal mehr eine typische Hitzeschlacht, wie wir sie vom Hungaroring kennen. Der Einsatz des weichsten Reifens (Mischung C5) ist daher so gut wie auszuschließen. Aufgrund des neuen Formates des Qualifyings haben die Fahrer allerdings mehr Sets der Mediums und Hards als sonst zur Verfügung. Diese mussten aber in Q1 und Q2 bereits angefahren werden. Komplett mit frischen Reifen kann wohl keiner der Piloten über die Runden kommen, mindestens einmal muss ein bereits gebrauchter Satz aufgeschnallt werden.
Pirelli-Chef Mario Isola teilte seine Erwartung mit: "Die wahrscheinlichste Strategie ist, mit zwei Stopps auf C4 (Medium) zu beginnen und zwei weitere Stints auf C3 (Hard) zu fahren. Ein einziger Stopp (Hard-Medium) ist zwar möglich, aber sowohl in Bezug auf den Leistungsabfall als auch auf die Lebensdauer des Profils ist dies sehr grenzwertig." Vielleicht findet sich aber doch ein Verwegener, der nur einen Stopp probiert. George Russell wäre angesichts seiner Startposition wohl prädestiniert dafür.
S wie Schwarzpfeil-Sensation
Lewis Hamilton, Mercedes und Ungarn, das passt. Hamilton ist Rekordsieger auf dieser Strecke (8 Erfolge) und hat 2013 dort seinen ersten Sieg für die Silberpfeile eingefahren. Mercedes holte hier im Vorjahr die bisher einzige Pole in der Ground-Effect-Ära durch George Russell. Es hätte also kaum einen anderen Ort geben können, an dem Hamilton seine seit Saudi-Arabien 2021 bestehende Pole-Durststrecke beenden würde. Um drei Tausendstel konnte er Max Verstappen unterbieten.
Kann Hamilton im Rennen seinen nächsten Sieg nachlegen? Auch hier datiert der letzte auf den Saudi-Arabien GP von 2021. Normalerweise geht der Mercedes im Rennen besser als im Qualifying und dazu ist der Brite auch als Reifenstreichler bekannt. Doch leider gilt das wohl auch für den großen Konkurrenten. Teamchef Toto Wolff wollte noch nicht so recht von einer erneuten Sensation träumen: "Lewis wird alles geben, aber wir müssen realistisch bleiben: Sie (Red Bull) waren im Longrun heute morgen und gestern in einer anderen Liga."
S wie schimpfender Weltmeister
Seit Monaco fand sich Max Verstappen in jedem Qualifying oder Rennen (inklusive des Sprints in Österreich) auf Platz 1 wieder. Diese Serie ist nun gerissen. Der Weltmeister musste sich im Qualifying am Hungaroring mit Platz zwei begnügen. Obwohl er nur drei tausendstel von der Pole entfernt war, herrschte Alarmstimmung im Verstappen-Lager: "Ich habe das ganze Wochenende mit der Balance Probleme gehabt. Zuerst hatten wir Untersteuern, dann haben wir versucht das zu korrigieren und Übersteuern bekommen. Das Auto war einfach nie im richtigen Fenster."
Die Tirade des Red-Bull-Piloten wollte kaum enden: "Das ist die schlechteste Balance, die du in einem Auto haben kannst. Ich habe zwar versucht, das in Q3 abzustellen, aber viel kannst du da nicht mehr ändern. Teilweise habe ich mich immer noch gefühlt, als würde ich auf Eis fahren!" Dennoch will Verstappen seine Siegesserie weiter ausbauen. Ein Triumph wäre sein siebenter in Serie. Auch wenn er selbst von einem harten Rennen ausgeht, so sind sich alle anderen einig: Verstappen ist weiterhin Siegkandidat Nummer Eins.
S wie Stellas Jungs in Lauerstellung
Dieser McLaren ist wohl nicht nur auf bestimmten Strecken schnell, das große Update scheint den MCL60 in ein echtes Spitzenauto verwandelt zu haben. Lando Norris und Oscar Piastri sicherten sich die zweite Startreihe. Wie gut es bei McLaren mittlerweile aussieht, sieht man auch daran, dass Norris sich gar ärgerte, die Pole um weniger als eine Zehntel verpasst zu haben. "Ich denke, wir können mittlerweile realistisch um die Top-3 kämpfen", bestätigte Piastri die neuen Realitäten beim Traditionsteam.
Die beiden Schützlinge von Andrea Stella haben im Rennen einen Vorteil. Als einziges Team hat McLaren zwei Autos vorne dabei. Der zweite Red Bull von Perez ist auf Rang 9. George Russell startet gar nur von 18 und dürfte so ohnehin kaum eine Rolle spielen können. Woking könnte Hamilton und Verstappen also strategisch in die Zange nehmen. Wenn es nach Norris' Geschmack geht, dann soll der Angriff aber schon am Start losgehen: "Wenn Max das machen könnte, was er in Silverstone gemacht hat, wäre das wunderbar." Dort holte sich Norris in Kurve 1 die Führung gegen den Weltmeister.
S wie Sauber im Aufwind
Diese Leistung kam aus dem sprichwörtlichen Nichts. Alfa Romeo/Sauber brannte mit den Plätzen 5 für Guanyu Zhou und 7 für Valtteri Bottas eine Traumperformance in den Asphalt. Bei den vorherigen Rennen war das Auto noch ein sicherer Kandidat für ein Ausscheiden in Q1 gewesen. Am Hungaroring setzte Zhou in diesem gar die Bestzeit. Laut Bottas kommt der Erfolg vor allem durch die Strecke. Wo viel Abtrieb und weniger aerodynamische Effizienz gefragt ist, sei der Alfa stark.
Und die Alfa-Romeo-Piloten glauben an diese Stärke auch im Longrun. "Unser Hauptziel ist es, 'Best of the Rest' zu sein", gab sich Zhou ambitioniert. Dabei kalkulierte er noch den anstürmenden Sergio Perez mit ein. Am Ende würde das trotzdem Rang sechs bedeuten. Ist das nicht etwas zu hoch gegriffen? Sein erfahrener Teamkollege aus Finnland war kaum weniger optimistisch: "Ich denke wir werden eine sehr ähnliche Pace haben, wie viele andere Teams. Wir müssen die Strategie richtig treffen, denn sehe ich keinen Grund, warum wir nicht einige Punkte sammeln können." Alfa Romeo könnte die Big Points gut gebrauchen. Im Tabellenkeller trennen das Team aus Hinwill nur zwei Punkte von Williams und Haas. Rang sieben in der WM wäre schnell erreicht. Das ganze Rennen der Formel 1 heute in Ungarn gibt es hier im Liveticker.
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