Die Formel-1-Karriere von Nyck de Vries steht auf wackeligen Beinen. Im Vorfeld des Großen Preises von Österreich an diesem Wochenende wurden erneut Spekulationen um eine Ablösung angeheizt, nachdem Red-Bull-Manager Dr. Helmut Marko wiederholt Kritik am AlphaTauri-Fahrer übte. Der Niederländer hatte durch seine fulminante Performance als Ersatzfahrer im Vorjahr hohe Erwartungen geschürt, denen er bisher nicht gerecht wurde. Teamkollege Yuki Tsunoda kennt das Gefühl, im Hause Red Bull auf dem Prüfstand zu stehen. Er stärkt de Vries den Rücken und nimmt das Team in die Pflicht.

Tsunoda hatte 2021 selbst ein durchwachsenes Debütjahr in der Königsklasse. Der Japaner wurde damals nach nur jeweils einer Saison in der Formel 3 sowie der Formel 2 befördert. Beim ersten Rennen in Bahrain hinterließ er mit Platz neun auf Anhieb einen starken Eindruck, doch dann machte die Formkurve einen dramatischen Knick. Die Fahrfehler häuften sich, Ergebnisse blieben aus und es dauerte nicht lange, bis seine Formel-1-Tauglichkeit in Frage gestellt wurde.

"Nyck muss einfach nur alles zusammensetzen. Die Pace ist da, wahrscheinlich fehlt ihm nur, einen guten Rhythmus zu finden. Bisher hat er vor allem im Rennen mit der Konstanz seine Schwierigkeiten", analysiert Tsunoda die Schwierigkeiten des Stallgefährten. Dieser hatte sich 2022 in Monza als Ersatz für Alex Albon im Williams blendend in Szene gesetzt. Mit Platz neun brachte er sich zurück aufs Radar der F1-Teams, das er nach seinem Titel in der Formel 2 im Jahr 2019 durch den darauffolgenden Wechsel in die Formel E verlassen hatte.

Cockpit wackelt gewaltig! Wer könnte Nyck de Vries ersetzen? (26:59 Min.)

Red Bull verliert den Glauben an de Vries

Bei AlphaTauri gelang es de Vries bisher aber nicht, sich an der Seite von Tsunoda zu etablieren. Im Qualifying liegt er mit 7:2 deutlich hinten, WM-Punkte sucht man in der Gesamtwertung hinter seinem Namen bisher vergebens. Dr. Helmut Marko erklärte unlängst im Podcast 'The Inside Line', dass er und Red-Bull-Teamchef Christian Horner bei der Personalie einen der seltenen Fälle hatten, in denen sie von Anfang an nicht derselben Meinung waren.

"Nicht oft, aber manchmal kommt das vor. Das letzte Mal, würde ich sagen, war... de Vries. Im Grunde ist das AlphaTauri, aber wir sind eine große Familie und tauschen uns aus. Er war kein Fan von de Vries", so der Grazer, der langsam aber sicher den Glauben an de Vries verliert: "Er hatte in Monza nur ein Rennen und war sehr erfolgreich, also passte das in unsere Philosophie. Aber im Moment würde ich sagen, dass es danach aussieht, als ob er [Horner] recht hatte."

Tsunoda sieht Fahrer nicht alleine in der Verantwortung

Tsunoda hingegen weiß aus eigener Erfahrung, dass manche Fahrer ihre Zeit brauchen, um in der Formel 1 Fuß zu fassen. "Meine Situation ist auch noch etwas anders als die von Nyck. In meinem ersten Jahr in der Formel 1 war nicht alleine ich das Problem und ich denke, dass sie [Red Bull] das wussten", erklärt der 23-Jährige. "Es war erst mein drittes Jahr in Europa. Ich fühlte mich gut, nach nur zwei Jahren hier in die Formel 1 aufzusteigen, aber sie wussten auch, dass ich mehr Erfahrung und Konstanz brauche."

Die Misserfolge nagten an seinem Selbstvertrauen, woraufhin Red Bull mit Mentaltrainer und Alex Albon als Coach eingriff. Doch das allein brachte für Tsunoda nicht die Wende. "Es gab natürlich sehr viele Bereiche, in denen ich mich verbessern konnte, aber es lag nicht nur an mir. In der zweiten Saisonhälfte, als Alex kam, sah es ab dem Rennen in der Türkei so aus, als ob ich plötzlich schneller bin. Aber das war nicht nur deshalb", so Tsunoda.

Nyck de Vries gerät in der Formel 1 langsam aber sicher ins Abseits, Foto: LAT Images
Nyck de Vries gerät in der Formel 1 langsam aber sicher ins Abseits, Foto: LAT Images

Der positive Trend war für ihn darauf zurückzuführen, dass das Team nach einem neuerlichen Tiefpunkt auf ihn einging. "Wir haben auch andere Dinge geändert, zum Beispiel bekam ich ein neues Chassis. Ich war im Training in Russland zwei Sekunden hinter Pierre [Gasly], obwohl sich die Runde gut anfühlte. Da hat das Team endlich verstanden, was schief läuft und das Chassis gewechselt. In der Türkei war ich im ersten Training plötzlich auf der Pace von Pierre, obwohl ich noch nie zuvor dort gefahren war und er schon."

Nachdem de Vries ebenfalls schon den Beweis lieferte, dass er die Pace für die Formel 1 hat, glaubt er auch beim Niederländer an eine Wende zum Positiven. "Ich denke, Nyck zeigt in den Trainings und einigen Qualifyings bereits gute Pace. Er hat auch Pech, dass er gerade nicht in einem schnellen Auto sitzt. Da ist es schwierig, gute Resultate zu holen und Leistung zu zeigen. Aber er wird es schaffen, denn was er in der Vergangenheit erreicht hat, zeigt, dass er es kann", so Tsunoda. Den ganzen Qualifying-Freitag der Formel 1 heute in Österreich gibt es hier im Liveticker.