Das erste von sechs Sprint-Wochenenden präsentierte sich in Baku mit neuem Gesicht. Die Reaktionen auf das neue Format mit einem zweiten Shootout-Qualifying anstelle des Freien Trainings fallen im Fahrerlager gemischt aus. Totale Ablehnung trifft auf Fans, die Vorbereitung der Piloten beinhaltet kalte Duschen und Kaffee. Ein schmaler Grat zwischen Liebe und Hass.

Max Verstappen vs. Sprint-Format

"Sie sollten das ganze Ding einfach abschaffen!", ärgert sich Max Verstappen. Wenn es nach dem zweifachen Weltmeister ginge, würde sich die Anzahl der Sprint-Wochenenden drastisch verkürzen. Auf null pro Saison. "Wir sollten zurückgehen zu dem, was wir hatten. Und stattdessen anstreben, dass jedes Team um Siege kämpfen kann. Anstelle dieser künstlich kreierten Spannung."

Verstappen gilt als einer der heftigsten Kritiker des neuen (und alten) Sprint-Formats. "Es ist hektisch, kein richtiges Rennfahren und fühlt sich mehr wie pokern an. Ich glaube, ich habe mehr Erfolg in Las Vegas im Casino", meint der Holländer. "Das ist so, wie wenn es bei einem Fußballmatch 3:0 steht und dann wird es plötzlich auf 0:0 zurückgesetzt."

Schlimmer noch: "Mir ist heute im Qualifying langweilig geworden. Ein einziges Qualifying, wo du alles gibst, ist in Ordnung. Das habe ich gestern auch getan und genossen. Dann musste ich es heute wieder machen", ist Verstappen fast am Ende seiner Schimpftirade. "Ich habe nur gedacht: 'Oh mein Gott, noch ein Qualifying.' Das macht wirklich keinen Spaß."

Sprints in der Formel 1: Mehr Arbeit, viel mehr Druck

"Das ganze Wochenende stresst Fahrer, Ingenieure und Mechaniker sehr. Es ist kein einfaches Format", schließt sich Sergio Perez seinem Red-Bull-Teamkollegen an. "Mehr Arbeit, aber vor allem mehr Druck. Für Topteams kann es eigentlich nur schieflaufen. Jeder Fehler kommt dich extrem teuer zu stehen, eigentlich darfst du gar keine Fehler machen."

Weiterer Kritikpunkt: Das Timing. Mit vier Stunden liegt zwischen Sprint-Shootout und Sprint eine überdurchschnittlich lange Pause zwischen den Sessions. "Vier Stunden zu warten ist einfach zu viel. Das sollte man sich nochmal ansehen und effizienter gestalten", erörtert Perez. "Wir sollten bei normalen Wochenenden bleiben, mit denen wir alle aufgewachsen sind. Aber so ein paar Sprint-Wochenenden zwischendurch sind okay."

Auch schwierig: Die Reifen-Regeln für das Shootout. "Das sollte geändert werden. Es sah schon blöd aus: Zwei Autos ohne Reifen in SQ3", meint Perez. Charles Leclerc schließt sich an: "Die Regel mit den neuen Softreifen ist eine Schande, man sollte auch gebrauchte benutzen dürfen. Lando nicht zu sehen war sehr schade."

Sergio Perez bestätigt mit seinem Sieg beim Sprint in Baku seine Vorliebe für Stadtkurse, Foto: LAT Images
Sergio Perez bestätigt mit seinem Sieg beim Sprint in Baku seine Vorliebe für Stadtkurse, Foto: LAT Images

Leclerc: Ich hasse dieses Format nicht!

"Ich hasse dieses Format nicht", stellt der Ferrari-Pilot aber klar. "Es ist besser als das letztjährige Format. Nicht bei allen Rennen, aber vier bis fünf sind okay. Als Fahrer hast du viel mehr Druck, weil du nur in FP1 Fehler machen kannst. Danach ist alles wichtig." Heißt für Leclerc: Weniger Vorbereitungszeit auf der Strecke, mehr Simulatorarbeit.

"Ein Teil der Schönheit der Formel 1 besteht darin, sich in den Trainings mit dem Auto vertraut zu machen. Eine gute Abstimmung zu finden, um das Maximum herauszuholen", meint Carlos Sainz. Die wenige Vorbereitungszeit hätte ihn auf kaltem Fuß erwischt und nun muss er den Preis dafür zahlen. "Wenn es anders gewesen wäre, würde ich das Format vielleicht lieben!" Lando Norris ist im Anti-Sprint-Lager, beide Haas-Piloten können hingegen mit dem Format gut leben.

Sprint-Fan Stroll: Weniger Training, mehr Urlaub

Und es gibt sie doch: Ein seltener Fan des neuen Formates ist Lance Stroll. "Es ist sehr aufregend, für Fans und Fahrer. Du hast immer etwas, wofür du kämpfst, und musst von der ersten Runde des Freien Trainings an pushen." Der frühen Startzeit wirkte der Kanadier mit einer kalten Dusche und Kaffee entgegen. "Es ist zwar cool, aber nicht die Zukunft der Formel 1."

"In einer idealen Welt würden wir das klassische Format auf zwei Tage komprimieren", meint Stroll. "FP1, dann Qualifying, dann das Rennen. So wenig Zeit zur Vorbereitung finde ich aufregend: Sich nicht zu 100 Prozent sicher zu fühlen." Nachsatz: "Und bei 24 Rennen pro Jahr bedeutet das mehr Zeit für Urlaub und um an seiner Bräune zu arbeiten."

"Das extra Qualifying hat Spaß gemacht", outet sich Lewis Hamilton als Fan des neuen Formates. Zumindest einem Teil davon. "Der Sprint war weniger aufregend, aber das war vielleicht, weil ich etwas zu kämpfen hatte." Ein Vorteil für den Briten: "Ich hatte nicht die Pace der Autos vor mir, aber durch den Sprint weiß ich jetzt, warum."

Wolff warnt: Die Formel 1 ist kein Zirkus

Durch das Format konnten die Teams keine Longruns fahren, der Sprint bietet aber einen (kleinen) Anhaltspunkt. Und Zeit, um die Soft-Reifen zu testen und Daten zu sammeln. "Es werden andere Streckenbedingungen sein und vollere Tanks. Ich glaube, man sollte nicht zu viel reinlesen. Das Rennen wird ein neuer Tag und eine neue Herausforderung", relativiert Perez.

"Sie müssen mit Vorsicht gehandhabt werden", ist Toto Wolffs Meinung zu Sprint-Wochenenden. Natürlich seien sie unterhaltsam und bringen Spannung. Aber: "Der Sport sollte nie zu einem Zirkus werden!" Der Mercedes-Boss ist für eine klare und kritische Nachbetrachtung des Wochenendes: "Wir müssen genau beurteilen: Ist das Format gut, oder müssen wir es hier und da verändern, um die bestmögliche Show zu kreieren?" Nächster Versuch: Österreich.

Baku diente als Sprint-Testlauf für das neue Format, Foto: LAT Images
Baku diente als Sprint-Testlauf für das neue Format, Foto: LAT Images

Formel 1 Kalender 2023, Termine und Strecken

  • 23. - 25. Februar: Testfahrten in Bahrain
  • 05. März: Großer Preis von Bahrain (Sakhir)
  • 19. März: Großer Preis von Saudi Arabien (Jeddah)
  • 02. April: Großer Preis von Australien (Melbourne)
  • 30. April: Großer Preis von Aserbaidschan (Baku)
  • 07. Mai: Großer Preis von Miami
  • 21. Mai: Großer Preis der Emilia Romagna (Imola)
  • 28. Mai: Großer Preis von Monaco
  • 04. Juni: Großer Preis von Spanien (Barcelona)
  • 18. Juni: Großer Preis von Kanada (Montreal)
  • 02. Juli: Großer Preis von Österreich (Spielberg)
  • 09. Juli: Großer Preis von Großbritannien (Silverstone)
  • 23. Juli: Großer Preis von Ungarn (Budapest)
  • 30. Juli: Großer Preis von Belgien (Spa)
  • 27. August: Großer Preis der Niederlande (Zandvoort)
  • 03. September: Großer Preis von Italien (Monza)
  • 17. September: Großer Preis von Singapur
  • 24. September: Großer Preis von Japan (Suzuka)
  • 08. Oktober: Großer Preis von Katar
  • 22. Oktober: Großer Preis von USA (Austin)
  • 29. Oktober: Großer Preis von Mexiko (Mexiko Stadt)
  • 05. November: Großer Preis von Brasilien (Sao Paulo)
  • 19. November: Großer Preis von Las Vegas
  • 26. November: Großer Preis von Abu Dhabi

Diese Wochenenden finden im Sprint-Format statt