Der Australien GP 2023 hat ein Nachspiel: Ferrari reichte am Donnerstag einen Antrag bei der FIA ein, die Kollision zwischen Carlos Sainz und Fernando Alonso neu zu beurteilen. Sainz bekam eine Fünf-Sekunden-Strafe aufgebrummt, weil er beim zweiten stehenden Restart Alonso umgedreht hatte. Weil das Rennen hinter dem Safety Car beendet wurde, fiel Sainz durch die Strafe von Platz vier bis auf Rang zwölf zurück. Der Ferrari-Pilot war nach der Strafe außer sich.

Eigentlich sind die Entscheidungen der Stewards Tatsachenentscheidungen. Ferrari macht aber von einem Rechtsmittel Gebrauch, das in den letzten Jahren schwer in Mode kam: Dem Recht auf Neubeurteilung.

Innerhalb von 14 Tagen kann unter gewissen Voraussetzungen eine Neubeurteilung beantragt werden. Um den Fall neu aufzurollen, sind 'signifikante und relevante' Beweise notwendig, die zum Zeitpunkt der ursprünglichen Entscheidung der einsprechenden Partei noch nicht vorlagen.

Auf Rückfrage von Motorsport-Magazin.com, worum es sich dabei handeln würde, wollte Ferrari-Teamchef Frederic Vasseur nicht ins Detail gehen. "Weil wir uns in Diskussionen mit der FIA befinden", warb der Franzose um Verständnis.

Ferrari: Gasly und Sargeant anders bewertet als Sainz

Doch ganz dabei belassen wollte es Vassuer nicht: "Was ich sagen kann: Es gab zwischen Esteban Ocon und Pierre Gasly und zwischen Logan Sargeant und Nyck De Vries ebenfalls Unfälle in Kurve eins und die Reaktion der Stewards war nicht die gleiche."

Bei der teaminternen Alpine-Kollision entschieden die Stewards, keine Strafe auszusprechen. Obwohl fast die gesamte die Formel-1-Welt in Pierre Gasly den klaren Unfallverursacher sah, wurde der Franzose nicht bestraft. Die Stewards begründeten ihr Urteil damit, dass es sich um einen Unfall in der Startrunde handelte.

Auch im Sainz-Urteil führten die Stewards an, dass die Tatsache, dass es sich um eine Startrunde handelte, in das Urteil eingeflossen war. Trotzdem sahen sie beim Ferrari-Pilot die klare Schuld, Sainz hätte genügend Raum gehabt, den Unfall zu verhindern.

Kurios: Sainz drehte Alonso zwar um, Konsequenzen hatte das für den Aston-Martin-Piloten aber nicht. Denn beim neuerlichen Restart entschied die Rennleitung, die Startaufstellung des vorangegangenen Restarts heranzuziehen.

Der Unfall zwischen Logan Sargeant und Nyck de Vries wurde nach Rennende nicht einmal untersucht. Der US-Amerikaner war - unabhängig von den anderen Startunfällen - in das Heck des AlphaTauri-Piloten gekracht. Für beide Fahrer endete das Rennen im Kiesbett. Obwohl Sargeant eindeutig schuld war, schritten die Stewards nicht ein.

Außerdem stört Ferrari, dass Sainz nicht von den Stewards befragt wurde, ehe die Strafe ausgesprochen wurde. Gasly und Ocon durften nach dem Rennen ihre Standpunkte vor dem vierköpfigen Panel vertreten. Allerdings ist das der normale Ablauf, weil beide Alpine-Piloten ausschieden. Eine Entscheidung muss nicht zeitnah getroffen werden.

Bei Sainz hingegen galt es, zeitnah eine Entscheidung zu treffen, weil das Rennergebnis davon betroffen war. Das Argument will Vasseur nicht gelten lassen: "Es war ein spezieller Fall, hier hätte es [eine Anhörung] Sinn gemacht. Das Rennen war vorbei, das Podium war davon nicht betroffen."

Ferrari will Entscheidung noch vor Baku

In der ersten Instanz müssen die Stewards darüber entscheiden, ob die Beweise, die Ferrari vorlegt, neu, relevant und signifikant sind. Wenn die Melbourne-Stewards rund um ihren Vorsitzenden Nish Shetty der Ferrari-Argumentation folgen, wird der Fall von ihnen neu aufgerollt. Dann könnte die Strafe zurückgenommen werden. Die Stewards können aber auch angesichts neuer Elemente weiterhin eine Strafe aussprechen.

Carlos Sainz verlor durch die Strafe Platz vier und 12 Punkte, Foto: LAT Images
Carlos Sainz verlor durch die Strafe Platz vier und 12 Punkte, Foto: LAT Images

Sollten sie die Ferrari-Beweise nicht als neu, signifikant und relevant erachten, wird der Fall geschlossen. "Wir hoffen, zumindest eine offene Diskussion darüber zu haben. Auch zum Wohle des Sports, um diese Entscheidungen zu verhindern. Denn wir hatten drei Fälle in einer Kurve und es gab unterschiedliche Entscheidungen", ärgert sich Vasseur.

Wie lange das Verfahren nun dauert, liegt in den Händen der FIA. "Hoffentlich können wir es vor Baku regeln", meint der Ferrari-Teamchef. Das nächste Rennen in Aserbaidschan findet erst vier Wochen nach dem Australien GP statt.