Mercedes musste in der Formel-1-Saison 2023 früh erkennen, dass der F1 W14 nicht der große Wurf war, um Red Bull herauszufordern. Der Reality Check für Lewis Hamilton und George Russell ließ bei den einstigen Seriensiegern sofort die Alarmglocken schrillen. Für den Australien GP am Wochenende ist zwar noch keine Besserung in Sicht, doch bereits seit dem Auftakt lässt Mercedes bei der Weiterentwicklung keinen Stein mehr auf dem anderen. Die Erkenntnisse übertreffen schon jetzt sämtliche über den Winter verfolgten Ansätze.

"Wir arbeiten wirklich hart an den Änderungen. Ich werde nicht allzu viel darüber verlieren, aber wir müssen sicherstellen, dass sie wie erwartet funktionieren", so Russell vor dem dritten Rennen des Jahres auf dem Albert Park Circuit in Melbourne. Der Brite belegte in Saudi-Arabien vor zwei Wochen den vierten Platz, sah Mercedes aber weiter im Rückstand gegenüber Aston Martin und Ferrari.

Die Erkenntnis, mit dem Auto nur noch vierte Kraft zu sein, traf ihn und Hamilton in Bahrain mit voller Härte. "Wir waren völlig überrascht, als wir die Unzulänglichkeiten bei der Performance sahen, als wir in Bahrain auf die Strecke gingen. Deshalb waren wir schnell bei der Sache, unseren Ansatz zu ändern. Schon Samstagabend in Bahrain haben wir unterschiedliche Dinge probiert und sind bei der Entwicklung in andere Richtungen gegangen, weil wir realisierten, dass wir vielleicht zu weit gegangen waren", erklärt Russell.

Eine darauffolgende Krisensitzung ließ keinen anderen Weg offen, als das Konzept des Boliden aufzugeben und mit sofortiger Wirkung eine andere Richtung einzuschlagen. Laut Russell sind die Ingenieure in Brackley zumindest auf dem Papier schon näher an der Konkurrenz, als sie es bei der langwierigen Entwicklung je waren.

"Wie wir schon mehrfach sagten, haben wir in den vergangenen zwei oder drei Wochen womöglich mehr Fortschritte gemacht als im gesamten Winter, wo wir eindeutig im falschen Bereich entwickelt haben. Es geht definitiv in die richtige Richtung", so der Grand-Prix-Sieger, dessen Team den WM-Titel aber trotz positiver Tendenzen in der Fabrik schon nach zwei der 23 Saisonrennen abgeschrieben hat.

Mercedes schreibt WM ab und geht All-in

"Wir haben dieses Jahr erst zwei Rennen absolviert, aber ist das realistisch, wenn wir uns die Abstände anschauen? Nein, ist es nicht", stellte Mercedes-Teamchef Toto Wolff unlängst klar. Auch Russell beschäftigt sich nicht mit Gedanken an die Weltmeisterschaft. "Es geht darum, die Erwartungen zu managen und sich nur auf sich selbst zu konzentrieren und die Entwicklung", so der 25-Jährige.

Die fehlende Flexibilität war die Hauptursache der Fehlentwicklungen am F1 W14. "Wir haben über den Winter alle geglaubt, dass wir das Richtige tun, weil es eine Evolution dessen war, was wir im Verlauf des Vorjahres gemacht hatten. Wir alle hatten die Verbesserungen gesehen und als Team am Ende des Jahres ein Rennen gewonnen und wieder an der Spitze gekämpft", erklärt Russell.

Wolff fiel es nach Saudi-Arabien nicht schwer, sich vom über Monate hinweg verfolgten Konzept loszusagen. Dabei scheut Mercedes sich auch nicht davor, Inspiration bei Red Bull zu finden. "Ich weiß nicht, ob man es Red-Bull oder Aston-Martin-Konzept nennen kann. Letztendlich, selbst wenn es wie ein britischer Doppeldeckerbus aussieht, wenn es schnell ist, würden wir es tun", so der Österreicher.

Russell verspricht große Änderungen am Mercedes

In der Kürze der Zeit beschränken sich die Erfolge auf Erkenntnisse und neue Ansätze. Auf Updates werden die Mercedes-Piloten in Australien nicht zurückgreifen können. "Es werden große Änderungen kommen, aber dieses Wochenende wird am Auto noch nichts zu sehen sein. Du kannst nicht so schnell neue Teile bringen, aber in absehbarer Zeit wird es große Änderungen geben, die sich hoffentlich in der Rundenzeit niederschlagen werden", sagt Russell.

Für das Rennen in Melbourne würde ihm eine Wiederholung des Jeddah-Wochenendes genügen: "Wenn wir hier nochmal auf Platz vier fahren oder um das Podest kämpfen können, würde es das Potential unseres Autos wohl übertreffen. Aston Martin wird hier sehr stark sein. Sie scheinen in den mittelschnellen Kurven das beste Auto zu haben und hier in Melbourne gibt es davon einige. Wenn wir mit Aston Martin und Ferrari kämpfen können, wäre das ein gutes Wochenende."