2022 lief für Mercedes nicht nach Plan. Mit acht Konstrukteurstiteln starteten die Silberpfeile zuversichtlich in die Saison, wurden aber schnell auf den harten Boden der Realität befördert. Weit weg von Red Bull und Ferrari, Kreuzschmerzen durch hoppelnde Autos und aerodynamisches Hochrisikogebiet. Auch mit dem Motor lief nicht immer alles rund, bei der eigentlichen Paradedisziplin der Silberpfeile.

Mercedes-Motor 2022: Die Party ist vorbei

"In einer normalen Saison schaust du einfach was aus Hywels Welt und dem Motor kommt, was der Windtunnel und die Simulationen hergeben und hast dann ein ziemlich klares Bild, wie unsere Performance sein wird", berichtet Mike Elliot im Mercedes-Saisonrückblick. Nicht so 2022. "Das ist die erste Saison, an die ich mich erinnern kann, wo wir ein Problem hatten, das wir nicht vorhergesagt haben."

Es folgte eine Saison mit vielen Auf und Abs, und das nicht nur wegen des Porpoisings. "Wir hatten zu Saisonbeginn auch ein paar Wackler bei der Powerunit", gesteht Toto Wolff. Auch das quasi Neuland für Mercedes. Die Turbohybrid-Ära dominierte der Motor aus Brixworth (mit und ohne Partymodus). Erstmals in der neueren Geschichte produzierte der deutsche Rennstall nicht die beste Powerunit.

Zwei große Baustellen in Brixworth

Die Fahrbarkeit und das Deployment wurden als die Hauptprobleme charakterisiert. In Zeiten des Engine-Freezes, wo eigentlich nur an der Zuverlässigkeit gearbeitet werden darf, ein Problem. "Es gab zwei große Baustellen zu Saisonbeginn. Einerseits wussten wir, dass die PU eingefroren wird", erklärt Thomas. Ein großes Entwicklungspaket wurde im Winter durchgedrückt. "Zweitens änderte sich der Treibstoff. Wir wussten, dass uns und andere das treffen wird." Wie beim Chassis gestaltete sich eine genaue Vorhersage über das Ausmaß des Verlustes schwierig.

"Als wir auf die Strecke kamen war es etwas enttäuschend", gibt der Motorenchef zu. Zusätzliches Problem: "Wir wussten, dass wir es nicht mit der Hardware lösen konnten, wie sonst immer." Bis 2025 sind die Motoren eingefroren. Nur aus Gründen der Zuverlässigkeit, Sicherheit und Kostenersparnis kann der Freeze umgangen werden. Oder für Mini-Änderungen an der Installation.

Mercedes gegen Ferrari in Abu Dhabi, aber nicht um die WM-Krone, Foto: LAT Images
Mercedes gegen Ferrari in Abu Dhabi, aber nicht um die WM-Krone, Foto: LAT Images

Eine neue Welt für Mercedes

"Wir müssen mehr Performance herausholen und für bessere Fahrbarkeit sorgen. Und das, während das Auto entwickelt wird. So kommen wir aus dieser Lage wieder heraus." Mercedes ließ sich nicht beirren. Wie schon 2019 (als Ferrari mit dem illegalen Wundermotor daherkam) legte das Team aus Brixworth alle Ressourcen zusammen: "Wir sagten alle: Wie machen wir das jetzt in dieser neuen Welt?" Die Aufregung mobilisierte das ganze Team: "Wie können wir die PU entwickeln, obwohl wir an der Hardware nichts verändern dürfen?"

Zusatzschwierigkeit: Motor und Chassis hängen zusammen, sie müssen in einer Symbiose entwickelt werden. "Wenn du mehr Performance willst, musst du PU und nicht-Hardware noch wunderschöner aneinander anpassen." Durch Packaging können die Chassis-Kollegen unterstützt werden. Besonders in der zweiten Saisonhälfte hätte das aber gut funktioniert. Aber nicht gut genug für Strecken wie Spa oder Monza. "Selbst der Motor konnte uns nicht durch die unsichtbare aerodynamische Wand helfen."

Zuverlässigkeitsprobleme für Mercedes gab es 2016, aber nicht 2022, Foto: Sutton
Zuverlässigkeitsprobleme für Mercedes gab es 2016, aber nicht 2022, Foto: Sutton

Mercedes robbt sich mit Mini-Schritten zurück

Mercedes profitierte dabei von den fünf neuen Software-Versionen, die 2022 noch erlaubt waren. Ab 2023 dürfen die Teams nur ein Update pro Saison bringen. Vor allem am Energiemanagement wurde gearbeitet, für eine bessere Fahrbarkeit.

"Wir versuchten durch kleine Zugewinne an jeder Strecke ein kleines bisschen mehr Performance zu kreieren", erzählt Thomas vom Mercedes-Masterplan für 2022, der gleich nach dem Bahrain-Wochenende beschlossen wurde. "Gleichzeitig durften wir die Zuverlässigkeit nicht gefährden." Gut für Mercedes: Das konnte vorab am Prüfstand getestet werden.

Mercedes: Nicht schnell, aber zuverlässig

Mercedes hatte 2022 zwar nicht den besten Motor, aber den zuverlässigsten. Im Durchschnitt verbrauchten Lewis Hamilton und George Russell die wenigsten Motorenteile. 3,37 Verbrennungsmotoren im Schnitt, Honda auf Rang zwei schon mit fünf Aggregaten. Auch bei Turbolader, MGU-H, MGU-K, Batterie, den Steuergeräten und dem Auspuff verbrauchte Mercedes die wenigsten. Nur einmal mussten Russell (Singapur) und Hamilton (Monza) aufgrund eines PU-Wechsels vom Ende des Feldes starten.

ICETCMGU-HMGU-KESCEEX
Mercedes3,373,373,373,252,252,253,5
Honda54,254,254,252,752,757
Ferrari5,665,1654,332,333,168,16
Renault64,54,54446,5

W13: Schlecht für Lewis Hamilton und den Motor

Das Hoppeln des W13 beeinträchtigte nicht nur Hamiltons Rücken, sondern auch den Motor. "Ähnlich unbehaglich wie Lewis und George nach dem Rennen fühlt sich die PU", scherzt Hywel Thomas. Deutlich sichtbar sind die Abnutzungen am Motor vom heftigen Aufschlagen am Boden. Oder brutal formuliert vom Chef aus Brixworth: "Der Motor bekam jedes Mal eine ordentliche Tracht Prügel ab."

Keine Tracht Prügel hofft Mercedes im nächsten Jahr zu bekommen. "Wenn wir all unser neu gewonnenes Wissen verwenden, sind wir glaube ich gut aufgestellt", meint technische Direktor Mike Elliot. "Wie Niki immer gesagt hat: Du lernst mehr aus Rückschlägen als aus Erfolgen."