Gut Ding will Weile haben. Nach diesem Leitspruch sind Formel-1-Reglements immer gut. Besonders das Motoren-Reglement der Zukunft. Seit 2014 gilt die aktuelle Motoren-Formel. Anfangs war die Turbo-Hybrid-Ära ein wahres Desaster: Teams gingen aufgrund der hohen Kosten pleite, die Zuverlässigkeit war für Hersteller geradezu peinlich, außer Mercedes konnte niemand gewinnen und obendrauf waren die Triebwerke viel zu leise. Die meisten Probleme lösten sich über die Jahre selbst, doch eigentlich wollte man schon mehrfach in das Technische Reglement eingreifen.

Die MGU-H sollte spätestens 2021 verschwunden sein, die Motoren dadurch wieder weniger komplex, preiswerter und lauter werden. Doch tatsächlich hat sich das Reglement seit 2014 kaum verändert. 2025 sollte dafür eine neue Ära anbrechen. Die Pandemie und Meinungsverschiedenheiten machten aus 2025 schließlich 2026. In der Formel-1-Sommerpause wurden die Regeln endlich final abgesegnet. Mit alten und neuen Herstellern war es eine Sisyphus-Arbeit. 78 Seiten Technik, 62 Seiten Finanzen, 14 Seiten Sport - auf insgesamt 154 Seiten Regelwerk musste man sich nur für die Motoren einigen.

Ziel: 100 Prozent Klimaneutralität

Herzstück ist das Technische Reglement. Es bleibt auf Verbrennungs-Seite beim 1,6-Liter V6-Motor mit einem Turbolader. Während die MGU-K bleiben darf, fällt die MGU-H mit mehreren Jahren Verspätung tatsächlich weg. Die Kurbelwelle bleibt elektrifiziert, der Turbolader nicht. Außerdem entfällt die variable Ansaugbrücke. Das Volumen des Luftsammlers wird also nicht mehr an die jeweilige Drehzahl angepasst. Insgesamt wurde die Power Unit also etwas simplifiziert. Aber das neue Reglement geht noch deutlich weiter. Wichtigste Neuerung beim Verbrenner ist das neue Benzin. Alle Komponenten müssen zu 100 Prozent aus nachhaltigen Quellen kommen. Biomasse ist nur erlaubt, wenn sie nicht zulasten der Nahrungskette geht. Müll darf zur Herstellung genutzt werden, aber auch vollständig synthetisches Benzin ist möglich. Prämisse: Kein fossiles CO2 darf in einem Formel-1-Motor freigesetzt werden. Bestenfalls ist die Lösung skalierbar und findet ihren Weg in die Serie.

Das ist technisch nicht nur für die Benzinlieferanten eine Herausforderung. Auch auf Motorenseite muss es für die neuen Treibstoffe Anpassungen geben. Deshalb teilt das neue Reglement den Verbrennungsmotor in zwei Bereiche. Der untere Teil besteht aus Motorblock, Kurbelwelle, Pleuel, Nebenaggregaten und Pumpen. Hier sind die Regeln extrem restriktiv und lassen kaum Spielraum für Entwicklung; Dimensionen und Materialien sind größtenteils vorgeschrieben. Im Wesentlichen bleibt hier alles beim Alten. Beim oberen Teil sieht es anders aus. Kolben und Zylinderkopf sind maßgeblich für die Verbrennung.

Der Brennraum muss perfekt auf das entsprechende Benzin angepasst sein. Deshalb gibt es hier mehr konstruktive Freiräume. Ein großer Streitpunkt war lange Zeit das Material der Kolben. Hier heißt der Kompromiss Technologieoffenheit. Sowohl bestimmte Stahl- als auch Aluminium-Legierungen sind erlaubt. Einzig das Mindestgewicht von 300 Gramm muss eingehalten werden. Durch den Wegfall der MGU-H gewinnt der Ladedruck an Bedeutung. Bislang unreglementiert, sind ab 2026 maximal 4,8 bar Ladedruck erlaubt. Das maximale Verdichtungsverhältnis sinkt von 18:1 auf 16:1.

Verbrenner und E-Motor leisten gleich viel

Die Leistung des Verbrennungsmotors wird mit den neuen Regeln abnehmen. Bislang ist der Benzinfluss der limitierende Faktor. Das bleibt auch in Zukunft so, allerdings wird anders gemessen. Aktuell gilt die Grenze von 100 Kilogramm pro Stunde ab einer Drehzahl von 10.500 Umdrehungen pro Minute. 2026 zählt nicht mehr Masse oder Volumen, sondern Energie. 3.000 Megajoule pro Stunde dürfen dem Brennraum zugeführt werden. Das entspricht einer Leistung von 833 Kilowatt. Weil gut die Hälfe davon in Wärme statt in Vortrieb umgesetzt wird, werden noch rund 400 Kilowatt von der Kurbelwelle in Richtung Getriebe geschickt. Das sind knapp 550 PS und damit etwa 300 PS weniger als die Verbrennungsmotoren heute in der Formel 1 leisten.

Die Systemleistung aber bleibt konstant, weil die MGU-K deutlich stärker wird. Ihre Leistung steigt von 120 kW (163 PS) auf 350 kW (475 PS). Der E-Anteil an der Systemleistung steigt damit von knapp 20 Prozent auf fast 50 Prozent. Das erhöht die Effizienz und senkt den Verbrauch, bringt aber auch Probleme - oder Herausforderungen mit sich. Wenn mehr elektrische Leistung abgegeben werden darf, muss die elektrische Energie auch eingespeist werden. Die MGU-H fällt als Stromlieferant aber weg.

Während eines Rennwochenendes wird fleißig am Motor geschraubt, Foto: LAT Images
Während eines Rennwochenendes wird fleißig am Motor geschraubt, Foto: LAT Images

Dafür darf die MGU-K die Kurbelwelle stärker abbremsen. Bislang dürfen nur 2 Megajoule pro Runde an der Hinterachse rekuperiert werden. 2026 sind es 9 Megajoule. Gleichzeitig bleibt die Batteriekapazität aber bei 4 Megajoule. Heißt: Die Batterie muss pro Runde durchschnittlich mehr als zweimal komplett ge- und entladen werden. Im Rennbetrieb können pro Runde maximal 9 Megajoule von der MGU-K eingenommen und ausgegeben werden. Im Qualifying können 13 Megajoule verfeuert werden, wenn die Batterie zu Beginn der Runde voll ist.

Aber selbst 13 Megajoule reichen auf den meisten Strecken nicht, um bei Vollgas jedes Mal die volle Leistung abzugeben. 13 Megajoule sind 13.000 Kilowatt-Sekunden. Bei 350 kW E-Leistung sind das gut 37 Sekunden volle Power. Aktuell reicht der Energiespeicher für 33,3 Sekunden volle E-Power, dazu kommt ein Beitrag der MGU-H. Die Zeit der vollen Leistungsabgabe ist ähnlich, es gibt aber einen gravierenden Unterschied: Wenn 2026 die E-Power ausbleibt, bleiben nur noch 550 Verbrenner-PS übrig.

Das Energiemanagement wird deshalb deutlich wichtiger. So soll es im Rennen auch mehr Action geben, weil Piloten die Energie unterschiedlich einsetzen. Aber es besteht auch die Gefahr, dass die Autos am Ende von langen Geraden verhältnismäßig langsam fahren. Rundenzeit-optimiert wird die Leistung in den Beschleunigungsphasen eingesetzt. Deshalb laufen im Hintergrund bereits die Arbeiten am Chassis-Reglement für 2026 auf Hochtouren. Es gilt, die Autos aerodynamisch effizienter zu machen. Also weniger Luftwiderstand, bei ähnlichem Abtrieb.

Bis mindestens 2030 will die Formel 1 nach diesem Reglement fahren. Dafür wurde bereits ein entsprechender Homologationsfahrplan ausgearbeitet. Bestimmte Komponenten werden zu festgelegten Zeitpunkten eingefroren. Schon 2026 gibt es den ersten Freeze. Teilweise ist die Entwicklung aber länger freigegeben, teilweise gilt ein Freeze auch nicht bis 2030, sondern nur für zwei Jahre. Damit der Kampf der Motorenhersteller nicht eskaliert, gibt es aber noch zahlreiche andere Maßnahmen.

Formel-1-Motorenprüfstandszeiten

Stunden pro Jahr20222023/ 2024/ 202520262027202820292030
Verbrennungsmotor 20263005400 (über 3 Jahre)700400400400400
Hybridsystem20262003400 (über 3 Jahre)500400400400400

Jeder Hersteller darf nur noch je drei Prüfstände für Einzylindermotoren, drei Prüfstände für Power Units, einen Prüfstand für den gesamten Antriebsstrang, einen Prüfstand für das gesamte Auto (ohne Aerodynamik) und zwei Hybrid-Prüfstände benutzen. Gleichzeitig sind die Prüfstandsstunden reglementiert. Die Anzahl der Motorkomponenten bleibt limitiert. Je drei Verbrennungsmotoren, drei Turbolader und drei Auspuffsysteme sind erlaubt, von Batterie und MGU-K gibt es pro Fahrer und Saison nur zwei Exemplare. Im ersten Jahr des Reglements gibt es von jedem Bauteil ein zusätzliches Exemplar straffrei.

Um eine Kosteneskalation zu vermeiden, werden erstmals auch die Budgets der Motorenhersteller gedeckelt. Schon 2023 gilt die Obergrenze von 95 Millionen US-Dollar. Wie bei den Team-Budgets gibt es auch hier zahlreiche Ausnahmen. Der aktuelle Betrieb für die alte Motorengeneration ist komplett ausgenommen. Auch Kundenteams zählen nicht zum Budget. Marketing und Co. gehen ebenfalls nicht vom Budget weg. Für Investitionen in die Infrastruktur gibt es ein zusätzliches Budget. 2026, wenn die neue Generation dann im Einsatz ist und keine Parallelprogramme mehr laufen, steigt der Etat auf 130 Millionen US-Dollar. Für neue Hersteller gibt es eine kleine Ausnahme: 2023 gibt es 10 Millionen extra, 2024 noch einmal, 2025 immerhin noch 5 Millionen. Ab 2026 gelten für alle die gleichen Finanz-Regeln.