Wir schreiben den 7. Januar 2019, Maurizio Arrivabene ist nicht mehr länger Teamchef in Maranello. Sein Nachfolger steht aber schon fest: Mattia Binotto, bis dahin technischer Direktor beim springenden Pferd und einst Motoren-Ingenieur in der Schumacher-Ära, tritt seine Nachfolge an.

Knapp vier Jahre später, um genau zu sein am 29.11.2022, ist die Ära Binotto schon wieder vorbei. Und das, obwohl 2022, das erste Mal seit Amtsantritt des Italieners, wieder ein aus eigener Kraft siegfähiges Auto in Maranello produziert wurde, das sogar um den WM-Titel mitfahren konnte. Ein Rückblick auf die Binotto-Ära.

2019: Ein aufgehender Formel-1-Stern in Maranello

Zum Amtsantritt von Mattia Binotto im Januar 2019 ist Ferrari seit elf Jahren ohne WM-Titel in der Formel 1, Binotto soll das ändern. 2019 ist aber nicht nur der Beginn der Ära des Italieners, sondern diese geht einher mit dem Beginn der Ära eines noch jungen Monegassen, einem gewissen Charles Leclerc. Das erste Amtsjahr des neuen starkes Mannes in Maranello beginnt durchaus positiv. Zwar ist der Ferrari nicht mehr so konkurrenzfähig wie noch 2017 und 2018, jedoch reicht es, um Mercedes vor allem Mitte der Saison Probleme zu bereiten.

Vor allem der starke Motor der Scuderia versetzt die Konkurrenz ins Staunen. Das Aggregat aus Maranello lässt selbst den in den Vorjahren so dominanten Mercedes-Motor mit Leichtigkeit hinter sich. So kann Ferrari 2019 ebenfalls das erste Mal seit langem das Heimrennen durch Charles Leclerc in Monza gewinnen. Doch gegen Ende der Saison bahnt sich schon das an, was 2020 folgen sollte. Gerüchte um einen illegalen Motor machen die Runde im Fahrerlager, auch die Performance von Ferrari nimmt ab. Maranello stehen schwere Zeiten bevor.

Mercedes Ausgestochen: Charles Leclerc gewinnt im ersten Jahr unter Binotto den Heim-GP in Monza vor den Tifosi, Foto: Ferrari
Mercedes Ausgestochen: Charles Leclerc gewinnt im ersten Jahr unter Binotto den Heim-GP in Monza vor den Tifosi, Foto: Ferrari

2020: Die größte Ferrari-Krise seit den 1980ern

Am Ende der der Wintertestfahrten in Barcelona wird die Formel 1 von einem Erdbeben erfasst. Die FIA beendet die Untersuchung der Ferrari Power Unit der aus dem Jahre 2019 mit einem Paukenschlag: Der Motor entsprach 2019 nicht dem Reglement. Die Strafe für die Scuderia wird hinter verschlossenen Türen geregelt und bleibt unbekannt. Unter den anderen neun Teams macht sich Verärgerung breit, die nur durch den Ausbruch der Corona-Pandemie und die Absage des Saisonstarts in Melbourne erstickt wird. Eine Sache wird jedoch deutlich: Ohne den Wundermotor aus vorigen Jahren ist die Scuderia nicht mehr konkurrenzfähig.

Ära beendet: Binotto beendet die Ära-Vettel schon bevor die Saison 2020 überhaupt angefangen hat, Foto: LAT Images
Ära beendet: Binotto beendet die Ära-Vettel schon bevor die Saison 2020 überhaupt angefangen hat, Foto: LAT Images

Ferrari schreibt die schlechteste Saison seit 1980. Platz 6 in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft, 50 Punkte hinter Renault, nur 131 Zähler insgesamt, kein einziger Sieg und nur drei Podestplätze in Spielberg, Silverstone und Istanbul. Auch die Ära-Vettel neigt sich dem Ende zu. Der Vertrag des ehemaligen Teamleaders wurde nicht mehr verlängert. Für die Kommunikation dieser Entscheidung geriet Binotto in die Kritik von Medien und Fans. Die Formel-1-Saison 2020 war für Ferrari ein Jahr zum Vergessen.

2021: Auf Ferrari-Krise folgt leichter Aufschwung

Nach dem Seuchenjahr 2020 muss Ferrari 2021 zuerst Rehabilitation betreiben. Das gelingt der Scuderia auch. Von Platz 6 aus dem Vorjahr kämpft sich das springende Pferd wieder auf Platz 3 in der Konstrukteurs-Wertung zurück, wenn auch fernab von den Top-Teams Red Bull und Mercedes. Charles Leclerc kann sogar zu Beginn des Jahres in Monaco und Aserbaidschan zwei Pole-Positions für sich verbuchen. Ein Sieg sollte dem Monegassen jedoch nicht gelingen.

Pole trotz Unfall: Leclerc setzte den SF-21 im letzten Q3-run in die Mauer, die Pole holte er trotzdem, Foto: LAT Images
Pole trotz Unfall: Leclerc setzte den SF-21 im letzten Q3-run in die Mauer, die Pole holte er trotzdem, Foto: LAT Images

Auch Binottos Entscheidung, Sebastian Vettel durch Carlos Sainz zu ersetzen, schien sich auszuzahlen. Der Spanier schlägt Platzhirsch Leclerc schon in seinem ersten Jahr bei Ferrari in der Fahrerwertung knapp. Die Scuderia scheint sich wieder auf dem Aufschwung zu befinden und bereitet sich mit voller Kraft auf das neue Reglement 2022 vor. Mit mehr Entwicklungsressourcen ausgestattet als die Konkurrenz, die zudem bis zuletzt erbittert um die beiden WM-Titel fightet, geht Ferrari gut vorbereitet in den Winter.

2022: Wieder Titelfähig und doch enttäuschend

Die Vorbereitung zahlt sich zu Beginn der Formel-1-Saison 2022 aus: Ferrari stellt zum Start der neuen F1-Zeitrechnung das konkurrenzfähigste Auto der Ära Binotto auf die Räder. Der F1-75 scheint vor allem zu Beginn der Saison das schnellste Auto zu sein. Ein Doppelsieg zum Auftakt in Bahrain sowie ein weiterer durch Charles Leclerc bei der F1-Rückkehr nach Australien bringen die Roten nach drei Rennen wieder ganz nach vorne. Ferrari führt sowohl die Team- als auch die Fahrerwertung komfortabel an.

Verbrannt: Die Titelchancen für Ferrari verbrannten vor Binottos Augen, genauso wie Carlos Sainz' Ferrari beim Österreich Grand Prix, Foto: LAT Images
Verbrannt: Die Titelchancen für Ferrari verbrannten vor Binottos Augen, genauso wie Carlos Sainz' Ferrari beim Österreich Grand Prix, Foto: LAT Images

Am Vormittag des 29.11.2022 erreicht die Formel-1-Welt die Nachricht, dass Mattia Binotto seinen Platz als Teamchef in Maranello räumt. Die Saison hatte vielversprechend begonnen, doch am Ende reichte es für die Roten 'nur' knapp zum zweiten Platz in der Konstrukteurs-WM vor Mercedes. Red Bull und Max Verstappen dominierten die Saison und mussten sich nach der Sommerpause nur einmal geschlagen geben - und zwar Mercedes, nicht Ferrari. Die Italiener konnten den beiden Siegen in Bahrain und Australien nur noch zwei weitere Erfolge in Silverstone und Spielberg folgen lassen. Charles Leclerc beendete die Saison über 100 Punkte hinter Weltmeister Max Verstappen und Ferrari musste sich Red Bull mit 205 Punkten Rückstand geschlagen geben. Es sollte der Schlusspunkt für die Ära Binotto sein.