Aston Martin legte während der Saison 2022 eine kleine Wiederauferstehung hin. Von ganz unten gekommen, kämpfte sich das Team des mittlerweile zurückgetretenen Sebastian Vettel im Saisonverlauf wieder in die Top 10 nach vorne. Natürlich entspricht WM-Platz sieben mit 55 eingefahrenen Punkten am Ende nicht dem Anspruch der Edelmarke, doch Teamchef Mike Krack sieht der Zukunft trotzdem positiv entgegen, denn die Richtung stimmt.

Aston Martin erlebte einen katastrophalen Saisonstart. Die ersten drei Rennen unter komplett neuem Reglement beendete das Team als einziges der 10 Rennställe der Königsklasse ohne jeglichen Punkt. Das Auto litt sehr am Porpoising-Phänomen, das alle positiven Vorhersagen aus dem Windkanal zunichtemachte. Der Auftritt in Melbourne war das größte Debakel. Nicht nur fehlende Pace und Zuverlässigkeitsprobleme gab es im Albert Park zu bemängeln, sondern auch die Fahrer lieferten unnötige Unfälle. Die Bilanz: Viel Schrott und keine Punkte.

In Melbourne ging es auf dem Motorroller zurück in die Garage, Foto: LAT Images
In Melbourne ging es auf dem Motorroller zurück in die Garage, Foto: LAT Images

Zwar gelangen dann ab dem vierten Grand Prix in Imola erste Punkteplatzierungen, hinter sich lassen konnten die grünen Boliden in der Wertung dennoch nur das klare Schlusslicht Williams. Bis zur Saisonmitte schien der neunte Platz in der WM wie einzementiert. Doch dann folgte eine unerwartete Aufholjagd in Saisonhälfte Zwei. Die Punkteergebnisse wurden häufiger. Sebastian Vettel fuhr nach seiner Rücktrittserklärung befreit auf und auch Lance Stroll gelang zweimal mehr als nur ein Punkt für zehnte Plätze, deren sechs er 2022 anhäufte.

Vettel in Führung bringt Aston-Martin-Fabrik zum Jubeln

Diese Aufholjagd war nicht nur gut für das Punktekonto, sondern auch für die Moral, wie Mike Krack weiß: "Die Stimmung im Team ist sehr positiv. Zuhause im Kontrollzentrum und auch an der Strecke sind alle sehr fokussiert. Wir haben in 10 Rennen mehr als 30 Punkte geholt, der Trend ist also auf unserer Seite. Es gibt einen guten Teamgeist und positive Energie, sowohl in der Fabrik als auch vor Ort. Das stimmt mich sehr zuversichtlich."

Mike Krack gelang mit seinem Team eine Trendwende, Foto: LAT Images
Mike Krack gelang mit seinem Team eine Trendwende, Foto: LAT Images

In Austin durfte Sebastian Vettel sogar zwei Runden lang das Rennen anführen. Sein ehemaliger Teamchef berichtet, was das dem Team bedeutete: "Ich habe ein paar Jubelbilder aus der Fabrik erhalten, als wir in Führung waren. Das ist etwas, dass bei den Mitarbeitern emotional ankommt. Das ist sehr wichtig. Auch wenn das Aufgrund der Boxenstopps war, so heißt es für sie dennoch: Wir sind jetzt auf der anderen Seite des Feldes angekommen, zumindest manchmal. Ich hoffe so etwas bringt noch einmal zusätzliche Energie."

In Austin durfte Vettel sogar noch einmal Führungsluft schnuppern, Foto: LAT Images
In Austin durfte Vettel sogar noch einmal Führungsluft schnuppern, Foto: LAT Images

Alfa Romeo auch für Krack eigentlich außer Reichweite

Die hintere Hälfte des Feldes kannte Aston Martin von Saisonbeginn an zur Genüge. Von einer Führung durfte damals nicht einmal geträumt werden. Auch der luxemburgische Teamchef hätte nicht auf das Comeback der grünen Renner gesetzt: "Wenn ihr mir erzählt hättet, dass wir noch mit Alfa [Romeo, Anm. d. Red.] kämpfen werden, dann hätte ich euch nicht geglaubt. Ich erinnere mich noch, als wir in Melbourne in Trümmern lagen." Dennoch gelang der Umbruch. Für den 50-jährigen ist es ein Beweis für mentale Stärke des Teams: "Es zeigt mir, dass man niemals aufgeben sollte, und das haben wir auch niemals. Das ist das Positive. In den schlimmsten Stunden sind wir zusammengewachsen."

Tatsächlich fehlte gegen Alfa Romeo am Ende nur ein gutes Einzelergebnis. Der fünfte Platz von Valtteri Bottas in Imola rettete Hinwill Platz Sechs in der Wertung vor den Punktgleichen Konkurrenten aus Silverstone. Dennoch ist die Aufholjagd Aston Martins beeindruckend. Nach 11 von 22 Rennen stand es noch 51 zu 18 für Alfa Romeo. Die Gegner Briten hießen damals AlphaTauri und Haas.

Aston Martins Erfolgsrezept? Kein falscher Stolz: Schwächen schonungslos analysiert

Wie ist Aston Martin das gelungen? Für den Teamchef war die Herangehensweise klar, es musste alles schonungslos untersucht werden: "Es geht nicht um unseren Stolz, sondern um harte Arbeit. Du musst deine Schwächen analysieren. Das Team war vorher nicht faul, aber wenn du so startest, dann gibt es nur einen Weg raus und das ist, die eigenen Schwächen zu erkennen. Die musst du Schritt für Schritt ausmerzen." Und das ist offenbar gelungen.

Fernando Alonso wird 2023 neuer Teamkollege von Lance Stroll, Foto: LAT Images
Fernando Alonso wird 2023 neuer Teamkollege von Lance Stroll, Foto: LAT Images

Die größte Schwäche des Aston Martin war 2022 eindeutig die Pace über eine Runde im Zeittraining, da keine Temperatur im Reifen generiert werden konnte. Im Rennen wiederum profitierte der AMR22 häufig von seinen reifenschonenden Eigenschaften, doch das brachte zumeist nichts ein, wenn im Qualifying schon in Q1 Schluss war. Als es in Saisonhälfte zwei ein paar Mal ins Q3 ging, da zeigte dies auch im Rennen Wirkung: "Was sehr wichtig ist und oft unterschätzt wird, ist das Fahren in sauberer Luft. Wenn dir ein gutes Qualifying gelingt, dann kannst du in sauberer Luft im Rennen fahren und die Reifen ohne Störung managen. Lance [Stroll, Anm. d. Red.] hat mir das bestätigt, dass dann alles viel einfacher wird, als wenn du die ganze Zeit in Zweikämpfe verwickelt bist."

Von Q1 ins Q3, diesen Weg will Aston Martin auch 2023 weitergehen. Krack sieht bereits gute Ansätze: "Es gibt einige Entwicklungsrichtungen, die wir an unserem Auto bereits für nächstes Jahr ausprobiert haben. Sie waren positiv." Dennoch gehören großspurige Ankündigungen nicht zum Stil des Luxemburgers. Er will die aktuelle Herangehensweise beibehalten: "Das bedeutet natürlich nicht, dass wir nächstes Jahr automatisch weiter vorne sein werden. Wir müssen da bescheiden bleiben und einfach versuchen, den nächsten Schritt zu gehen." Dieser soll dann mit Fernando Alonso am Steuer gelingen.