Das Rennen um den Vizeweltmeistertitel in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft spitzt sich zu: Es wird eng zwischen Ferrari und Mercedes, nur 19 Punkte liegen zwischen der Scuderia und den Silberpfeilen. Vor allem in den letzten Rennen scheint Mercedes immer mehr die Oberhand zu gewinnen. Fehlende Updates bei der Scuderia und ein früher Fokus auf 2023 könnten sich rächen. Aber: Ferrari hatte keine Wahl.
Binotto: Mit besserer Reifenwahl hätte Mercedes schon viel früher gewonnen
"Es war für uns keine Überraschung, dass sie hier in Brasilien so schnell waren", meinte Mattia Binotto über die Pace von Mercedes. "Wenn du dir die letzten paar Rennen anschaust." Schon in Austin und Mexiko wäre der W13 das schnellste Auto im Feld gewesen. Dort leistete sich Mercedes aber jeweils unübliche Strategie-Patzer. "Mit einer anderen Reifenwahl hätten sie eines dieser Rennen schon gewinnen können."
Grund: Mercedes entwickelte das Auto konstant über das Jahr hinweg. In den USA folgte das letzte große Update inklusive neuem Frontflügel. "Sie haben ein neues Aero-Paket in Austin gebracht. Das scheint gut zu funktionieren, glaube ich", so der Ferrari-Teamchef. Zusätzlich wurde der W13 um etwa fünf Kilo leichter, was sich ebenfalls in der Rundenzeit zu Buche schlägt.
"Davon profitieren sie jetzt enorm", weiß Mattia Binotto. Ferrari hingegen setzte seine Weiterentwicklung des F1-75 seit dem neuen Unterboden in Japan auf Eis. Seitdem keine Updates mehr für das aktuelle Auto, dafür voller Fokus auf 2023. Bereuen würde das trotz Mercedes' Aufholjagd niemand in Maranello. "Ich bin nicht besorgt über die verbesserte Performance (von Mercedes). Ich weiß, dass wir die Entwicklung gestoppt haben", meint der 53-Jährige. Allerdings nicht ganz freiwillig.
Geldprobleme bei Ferrari verhinderten Weiterentwicklung
"Wir hatten keine Wahl", verrät Binotto. "Uns ging einfach das Geld aus." Um das Budget-Cap nicht zu überschreiten, stellte Ferrari die Entwicklung des diesjährigen Boliden vorzeitig ein. "Wir waren einfach am Limit des Caps und hatten so keine Möglichkeit mehr, das Auto weiterzuentwickeln." Ferrari musste mit dem arbeiten, was zur Verfügung stand.
"Das gefährdet aber auf keinen Fall die Entwicklung unseres nächstjährigen Autos", beruhigt Binotto Ferrari-Fans. "Das wirkt sich darauf gar nicht aus." In der zweiten Saisonhälfte verebbte die Hoffnung auf einen WM-Titel der Scuderia 2022. Charles Leclerc schloss in Spa aufgrund der scheinbaren Übermacht Red Bulls mit seinen Titelträumen ab.
Mercedes-Übermacht keine Überraschung für Ferrari
"Aber wir haben entschieden, die aktuelle Entwicklung zu stoppen", betont der Ferrari-Teamchef nochmals. Einige Unterboden-Updates am F1-75 gingen in die falsche Richtung und verschlechterten statt verbesserten die Performance des Ferraris. Vor allem der Reifenverschleiß stieg rapide an.
Priorisiert wird 2023, mit dem Ziel, einen WM-Titel zurück nach Maranello zu bringen. "Du hättest zusätzlich zur normalen Entwicklung weitere Teile produzieren müssen, um sie zur Strecke zu bringen", erklärt Mattia Binotto. "Das konnten wir uns einfach nicht leisten." Zu viele Extra-Kosten für das begrenzte Budget. Laut Binotto vier Millionen pro Jahr für die Entwicklung. Das gilt es klug einzusetzen.
Sainz warnt vor Entwicklungs-Weltmeister Mercedes
"Ich denke nicht, dass wir einen Schritt zurück gemacht haben", dementierte Carlos Sainz in Brasilien eine abfallende Ferrari-Performance. Stattdessen habe Mercedes sich verbessert. "Sie haben einfach einen besseren Job bei der Entwicklung ihres Autos gemacht und erzeugen mehr Abrieb."
Der Ferrari-Pilot ist beeindruckt vom Team aus Brackley: "Die Geschwindigkeit, mit der sie bei Mercedes Updates entwickeln, ist unübertroffen." Egal ob Mercedes dominiert, oder wie 2022 mit dem falschen Fuß in die Saison startet. "Sie sind immer das Team, das am meisten entwickelt!"
"Wir müssen einen guten Winter haben. Nicht nur das, wir müssen das Auto nächstes Jahr auch innerhalb der Saison gut entwickeln", mahnt Carlos Sainz. Sonst wird es wieder nichts mit der erhofften Weltmeisterschaft. "Mit einem perfekten Jahr könnte es möglich sein." Problem dabei: "Aber dafür musst du eben erst einmal ein perfektes Jahr schaffen."
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