Im Formel-1-Qualifying in den USA bot sich am Samstag ein ungewohntes Bild. Zunächst sah es danach aus, als würde Carlos Sainz durch die Strafe für Charles Leclerc die Pole Position vom Teamkollegen erben. Doch der Spanier war am Ende nicht auf derartige Geschenke angewiesen. Den Showdown entschied er gegen Leclerc und Weltmeister Max Verstappen kurzerhand aus eigener Kraft für sich. Die dritte Pole seiner Karriere ist für Sainz eine ganz besondere. Von Leclerc gibt es neidlose Anerkennung.

"Wenn du von derart kleinen Abständen sprichst, kannst du es als Fahrer hinterher immer noch besser machen, wenn du deine Runde aus dem Q3 im Nachhinein siehst. Carlos hat den besseren Job gemacht und verdient es, auf der Pole zu stehen", so Leclerc, dem dieses Kunststück in der laufenden Saison bereits neun Mal gelungen ist. Der Stallgefährte hingegen war oft nah dran und hatte das Nachsehen. In Silverstone setzte er sich im Regen ein Mal durch. Die zweite Pole in Spa gab es durch Verstappens Grid Penalty geschenkt.

"Das Jahr ist schon lang und ich hatte von Beginn an Schwierigkeiten mit dem Auto. Es ging Schritt für Schritt vorwärts. In den letzten fünf bis sieben Rennen hatte ich das Gefühl, schon sehr nahe am Limit zu sein, aber die Pole im Trockenen kam nie so ganz zustande", erklärt Sainz, für den die knappen Niederlagen am Samstag zur frustrierenden Gewohnheit geworden waren. "Es war mit den beiden Jungs [Leclerc und Verstappen] schon vor der Sommerpause eng, aber aus irgendeinem Grund hat immer diese halbe Zehntelsekunde gefehlt."

Sainz feiert Befreiungsschlag mit Pole Position

Beim 19. Qualifying des Jahres drehte er den Spieß endlich um. Mit der Winzigkeit von 0,065 Sekunden setzte er sich diesmal gegen Leclerc durch. Und auch mit Verstappen war es bei nur neun Hundertstelsekunden eine knappe Kiste. "Ich wollte wirklich eine [Pole] klar machen und heute was es toll, sie endlich zu holen und das abzuhaken", freut sich Sainz. Der Schlüssel zum Erfolg war für ihn letztendlich der mentale Ansatz.

"Ich habe einfach weitergemacht und darauf vertraut, dass es eines Tages passieren wird. In den Trainings probierte ich unterschiedliche Dinge, um das Auto besser auf mich anzupassen, habe am Fahrstil gearbeitet und am Setup. An manchen Wochenenden hat es nicht hingehauen, an anderen schon und das hat für mich den Unterschied gemacht, sodass ich weiter Fortschritte machen konnte", so der 28-Jährige. "Ich denke, den Glauben nicht zu verlieren und das Vertrauen zu haben, dass es klappt, waren der Schlüssel - und natürlich eine saubere Runde."

In den USA hat im Qualifying von der ersten Runde an alles gepasst. Bereits im Q1 setzte sich Sainz mit einer deutlichen Bestzeit durch. "Ich hatte ein gutes Gefühl mit dem Auto. Es ging einzig darum, es bis zum Q3 aufzubauen und da die Runde zusammenzukriegen. Es war ziemlich tricky, denn es gab viel Wind und du wusstest in manchen Kurven nicht, was dich erwartet. Du musstest einfach darauf vertrauen, dass das Auto den Grip hat", erklärt der Pole-Setter.

Leclerc kündigt Aufholjagd an, Sainz lauert auf Sieg

Leclerc machte einen Fahrerfehler in der letzten Kurve für seinen Misserfolg verantwortlich. Einen großen Unterschied macht die verpasste Pole Position für ihn aber sowieso nicht. Aufgrund des Einsatzes eines sechsten Motors sowie eines sechsten Turboladers, muss er im Grid zehn Plätze weiter hinten als Zwölfter Aufstellung nehmen. "Ich werde versuchen, in den ersten paar Runden so schnell wie möglich Plätze gutzumachen, damit ich in den Kampf dort vorne einsteigen kann", kündigt er an.

Sainz hat von der Pole Position aus seinen zweiten Grand-Prix-Sieg fest im Visier. "Wir werden alles versuchen, um vorne zu bleiben und das Rennen zu gewinnen", sagt er. Mit Verstappen an seiner Seite in Startreihe eins, wird das bekanntermaßen ein schwieriges Unterfangen. "Wir müssen realistisch sein. Wir wissen, was Red Bull am Sonntag drauf hat. Sie sind die Favoriten, denn sie sind mit dem Reifenmanagement und der Ausführung des Rennens sehr gut."

Sainz warnt vor Ferrari-Schwäche im Rennen

Die Rennperformance ist nach dem ungewöhnlichen Freitag durchaus ein Fragezeichen. Aufgrund des Reifentests für Pirelli, gab es im zweiten Training im Grunde keine Longruns. Bei der Scuderia gab es sie jedoch, weil Leclerc im FP1 für Testfahrer Robert Shwartzman das Cockpit räumte und in der zweiten Sitzung deshalb alle Reifen fahren durfte, um die im ersten Training verpasste Streckenzeit zu kompensieren.

"Wir haben den Run im FP2, den sonst keiner hat, weil ich im FP1 nicht gefahren war. Also konnten wir den Medium-Reifen nutzen und haben da ein paar Daten", so der 25-Jährige. Im dritten Training konnte er aufgrund eines kaputten Reifens keinen Longrun fahren, doch mit Blick auf das Rennen ist er unbesorgt. "Im FP3 hatten wir weniger Daten, aber alles in allem denke ich nicht, dass uns das irgendwie beeinträchtigt."

Was Ferrari hingegen schon beeinträchtigen könnte, ist die Natur des eigenen Autos. Im Rennen gelang es den Roten zumeist nicht, an die starken Leistungen des Qualifyings anzuknüpfen. Vier Siege aus zwölf Pole Positions sprechen eine deutliche Sprache. "Wir hatten dieses Wochenende viel Reifenabbau über das gesamte Feld und wir wissen, dass wir da manchmal mehr Schwierigkeiten als Red Bull oder Mercedes haben", mahnt Sainz. "Das müssen wir im Auge behalten. Aber die Pace war gut. Es gibt keinen Grund, nicht zuversichtlich zu sein und um den Sieg zu kämpfen." Das ganze Rennen der Formel 1 heute in den USA gibt es hier im Liveticker.