Max Verstappen hat sich als 25-Jähriger 2022 nun schon seinen zweiten Formel-1-Titel geschnappt, und inzwischen 32 Siege, 18 Poles und schon für das Alter fast unglaubliche 159 Starts auf den Buckel, liegt damit schon auf Platz 37 in der ewigen Bestenliste und nur mehr zwei GPs hinter F1-Legenden wie Mika Häkkinen und Ayrton Senna.
Als Jahrhundert-Talent war er immer verschrien, aber eben auch aufgrund seines Alters begleiteten Verstappen jahrelang genauso viele Kritiker wie Unterstützer. Wer reihte sich einst in welchem Lager ein? Ein Blick zurück: So kommentierte die Formel-1-Welt die bisherige Karriere des Red-Bull-Piloten.
Verstappen-Debüt 2014 spaltet die Formel 1
Dass Verstappens Debüt in der Formel 1 kontrovers aufgenommen werden würde, war nicht überraschend. Der damals 16-jährige fuhr 2014 in Japan sein erstes Training. Da war sein Aufstieg aus dem Kart-Sport noch nicht einmal ein Jahr her. So spektakulär war sein Aufstieg gewesen, dass sich die Nachwuchs-Programme allesamt um ihn stritten. Red Bull gewann - auch, weil das Team unter Motorsportchef Dr. Helmut Marko bereit war, ihn sofort 2015 ins F1-Cockpit zu setzen.
Marko gehörte stets zu Verstappens größten Unterstützern. "Er hat in diversen Rennen gezeigt, dass er seinen Kopf verwenden kann. Ich hatte einige Gespräche mit ihm, und man sieht, wie reif er ist." Risiko sah Marko nie. "Das ist klein Glücksspiel - wir wissen, was wir machen."
Die Konkurrenz nahm es nicht so locker. Mercedes bot Verstappen nur einen GP2-Platz. "Er ist sicher Formel-1-Material und vielleicht ein Star der Zukunft", so Toto Wolff damals zur 'APA'. "Ob es gut für die Formel 1 ist, einen 17-Jährigen fahren zu lassen, das ist eine andere Frage. Die Formel 1 ist kein Spielplatz, wo du jemanden entwickelst."
Mit dieser Meinung war er nicht allein. Doppel-Weltmeister Mika Häkkinen sprach sich offen dagegen aus: "Du kommst nicht in die F1, um zu lernen, du musst bereit sein." Jacques Villeneuve, Weltmeister von 1997 und lange Verstappens führender Kritiker, stimmte zu: "Du nimmst keinen 16-Jährigen, der noch nicht einmal auf der Universität war, im besten Krankenhaus als Doktor her, selbst wenn er sehr gut und intelligent ist."
Aktive Formel-1-Fahrer vertrauten auf Verstappen
Auch FIA-Präsident Jean Todt äußerte Zweifel: "Ich persönlich denke, er ist zu jung." Die FIA führte später als Konsequenz das Superlizenz-Punktesystem ein, wodurch ein Fahrer mehrere Jahre erfolgreich in Junior-Serien ableisten muss, um eine F1-Lizenz zu bekommen.
Viele der aktiven Fahrer in der Formel 1 nahmen es hingegen locker. "Alter ist denke ich nur eine Zahl in deinem Reisepass", so Fernando Alonso schon damals. "Manche sind mit 17 bereit, andere mit 28 - wir wissen es nicht. Wir müssen erst einmal schauen, wie sich Verstappen nächstes Jahr schlägt. Aber so kann jeder bereit sein."
Sebastian Vettel schlug in die gleiche Kerbe: "Er ist noch jung, aber er hat schon Erfahrung und ist schnell - sonst wäre er nicht hier. Ich glaube nicht, dass er viel Rat braucht." Selbst die Vorsichtigeren aus dem aktiven Spitzenfeld mahnten bloß, erst einmal abzuwarten. "Mit 20 war ich nicht bereit, eher mit 23, aber jeder ist anders", meinte Jenson Button, Weltmeister von 2009.
Verstappen wird vom Barcelona-Hero zu Bad Boy
Das Warten zahlte sich aus. Verstappen glänzte in der ersten Saison, und 2016 beförderte ihn Red Bull quasi über Nacht nach dem Russland-GP vom Nachwuchs-Team Toro Rosso ins Hauptteam, wo er prompt bei seinem Debüt in Barcelona gewann. Für die Mehrheit der F1-Welt waren die Zweifel da ausgeräumt. "Verstappen ist ein Jahrhunderttalent", kündigte F1-Legende und Dreifach-Weltmeister Niki Lauda an. "Ich habe noch nie jemanden erlebt, der mit so einem Zug das Auto wechselt und das Rennen gewinnt. Das hat es noch nie gegeben und wird es auch nie mehr geben."
In den darauffolgenden zwei Jahren kehrte die Kritik aber schärfer denn je zurück. Verstappens aggressives Zweikampf-Verhalten erinnerte eher an unerfahrene Nachwuchs-Piloten als an einen Weltmeister. Zwar rückten die meisten nicht vom Barcelona-Urteil ab, doch mahnte etwa Lauda im Verlauf der Saison: "Ein junger Mann, der ein Jahrhunderttalent ist, muss seinen Kopf einschalten und darf andere nicht gefährden."
"Der gehört zurück in die Schule, das ist vollkommen falsch", kritisierte Lauda spät in der Saison 2016, nachdem Verstappen mehrfach mit späten Blocks auf der Geraden aufgefallen war. "So kann man nicht Formel 1 fahren und Rennen gewinnen." Jacques Villeneuve biss sich besonders gerne fest, auch, weil in seinen Augen die Formel-1-Stewards zu nachsichtig mit Verstappen umgingen: "Er hat diesen Schutzschild über sich, was ihm erlaubt, so arrogant zu sein und den anderen nicht den nötigen Respekt zu zollen."
Verstappens Bad-Boy-Image wurde aber keinesfalls universell verurteilt. "Er ist für mich ein Refresher", so etwa Toto Wolff. "Ein junger Kerl, den ich sehr mag. Er kommt hier rein, keine Angst, kein Respekt. Er fährt die Ellenbogen aus und erinnert mich an die Großen wie Lewis [Hamilton] und Ayrton Senna. Ich befürchte nur, dass alles irgendwann heftig in der Mauer endet."
Verstappen feiert 2018 den großen Durchbruch
Das tat es zu Beginn der Saison 2018 dann tatsächlich. Eine Serie von Unfällen und Kollisionen, unter anderem mit Lewis Hamilton, Sebastian Vettel, und mit Teamkollege Daniel Ricciardo, sorgte für Frust. "Er hat noch nicht die Geduld und macht Dinge an manchen Orten, wo es zu riskant ist", analysierte Vierfach-Weltmeister Alain Prost. Nico Rosberg ermahnte: "Irgendwann muss man auch mal eine Umdrehung herunterschrauben."
Selbst bei Red Bull klang 2018 ein bisschen Frust durch, nachdem Verstappen dann auch in Monaco ein siegfähiges Auto im Training schrottete. Jacques Villeneuve ließ sich zur gewagten These hinreißen: "Um so schnell zu sein wie Ricciardo muss er mehr Risiko eingehen. Das heißt: Er ist nicht so gut wie Ricciardo." Dumme Fehler nannte es Helmut Marko, fügte aber auch an: "Was wir tun können und auch machen: Ihn aus der Öffentlichkeit so viel wie möglich herauszuhalten und nochmals einzubläuen: 'Wir brauchen ein Resultat.'"
Als Verstappen 2018 dann in Österreich begann, kam die große Wende hin zum kompletten Rennfahrer. Es war ein großer Durchbruch für den Niederländer, der seither 28 seiner 32 Siege feierte. Von da an bis zum Türkei-GP 2020 beendete er jedes Rennen, bei dem er keinen Defekt erlitt, unter den Top-5. Seit dem USA-GP 2019 hat er nur vier Zielankünfte abseits des Podiums vorzuweisen.
An dem Punkt verstummte selbst Jacques Villeneuve: "Seit Monaco [2018] ist er nicht mehr derselbe Fahrer. Sein Glück war, dass er Red Bull und Helmut Marko hatte, die ihn beschützt und ihm Zeit gegeben haben, erwachsen zu werden."
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