Vier Stunden. So lange stand die Formel 1 in der Saison 2022 bereits aufgrund von Regen-Verschiebungen vor Rennen still. Auf Monaco und Singapur folgte in Japan die längste Verschiebung. Die Kritik an der Rennleitung kam danach gleich im Doppelpack: Erst, weil sie bei starkem Regen einen stehenden Start auf Intermediates zuließ. Dann, weil sie nach zwei Stunden Wartezeit erst weiterfahren ließ - und die Fahrer sofort auf Intermediates wechselten.

Vonseiten der Formel-1-Fahrer ist aber nicht die Rennleitung im Hauptfokus, sondern Einheits-Reifenlieferant Pirelli. Der aktuelle Regenreifen wurden schon nach Monaco von Sebastian Vettel kritisiert, nach Japan untermauerte Vettel diese Kritik. Und diesmal schaltete sich Weltmeister Max Verstappen mit ein. Er bietet Pirelli sogar einen Reifentest an.

Formel-1-Regenreifen sorgen für Fahrer-Frust

Was genau ist nun das Problem mit den Pirelli-Regenreifen? "Der Regenreifen ist der richtige Reifen für diese Bedingungen, aber er ist so langsam, dass du unter Druck stehst, auf den nächsten Reifen zu wechseln", erklärt Vettel. Daher ziehen alle immer sofort Intermediates auf. Selbst wenn die Strecke eigentlich im Grenzbereich liegt.

So geschehen in Japan. Auf den Sichtungsrunden war die Strecke gerade noch ausreichend für Intermediates. Der Regen hielt danach an, trotzdem entschieden sich alle für Intermediates, und mussten nach der ersten Runde gestehen: Es war zu viel Wasser für das Inter-Profil.

Verstappen: Regenreifen langsam und verdrängen nicht

Zugleich haben die Fahrer aber auch nicht das Gefühl, dass die Regenreifen wirklich viel Wasser verdrängen. "Deshalb versucht jeder immer so schnell auf Intermediates zu wechseln, weil es einfach so viel schneller ist", bestätigt Max Verstappen. Der Regenreifen macht in Summe einfach selten Sinn. So auch in Japan. Nach zwei Stunden Verzögerung entschied die Rennleitung auf einem Start hinter dem Safety Car, was zugleich eine Verpflichtung der Regenreifen beinhaltete. Trotzdem kamen zwei Autos sofort beim Restart an die Box, und in den zwei darauffolgenden Runden folgte fast das ganze restliche Feld.

"Und wir waren sofort mindestens fünf Sekunden schneller, das ist einfach zu viel", meint Verstappen. "Deshalb will keiner mit dem Regenreifen fahren. Und wenn es so regnet wie in dem Moment, als die rote Flagge rauskam, wäre es trotzdem noch immer schwierig zu fahren."

Die drei Rennen mit starkem Regen sprechen 2022 eine deutliche Sprache. In Japan startete man stehend, alle setzten auf Intermediates, es war zu nass, und ein Unfall und ein zweistündiger Abbruch folgten. In Monaco wurde der Start um eine Stunde verschoben und alle wurden zu Regenreifen verpflichtet. In der zweiten Runde wechselten schon die ersten auf Intermediates, und die Spitze fuhr nur deshalb länger, weil es keine Lücken zum Boxenstopp gab. In Singapur wurde der Start um eine Stunde verzögert, und trotzdem begannen alle auf Intermediates.

Eben das Problem mit den Regenreifen macht es für die Rennleitung wiederum so schwer, die Situation zu beurteilen. Sie kann zwar einen Start auf Regenreifen verpflichten, aber danach niemand davon abhalten, auf Intermediates zu wechseln. Daher die naheliegende Schlussfolgerung: Es sind die Regenreifen, welche die Situation unberechenbar und die Rennleitung infolgedessen unsicher machen.

Pirelli fehlt Test-Zeit, Verstappen will helfen

Früher war das anders, beklagt Verstappen: "Wenn du das mit von vor 20 Jahren vergleichst, das wäre kein Problem gewesen." Nur hat Pirelli heute ein Problem beim Entwerfen der Regenreifen, nämlich die Test-Zeit. Es gibt inzwischen nur mehr eine Reifenmischung, die auf jeder Strecke funktionieren muss, und nur sehr wenig Referenz-Tests.

So wurde zum Beispiel zu Saisonbeginn bei den Testfahrten in Barcelona die Strecke bewässert, aber nur für einen Teil des letzten Nachmittags. Auch in diesem Szenario fuhren die Teams überwiegend mit dem Intermediate. Sonst gibt es wenige Test-Tage. Meist werden Teams für dezidierte Regen-Tests auf Strecken abgestellt, die bewässert werden können, wie etwa den Circuit Paul Ricard, aber Reifen-Tests in der modernen Formel 1 sind stark begrenzt.

Bei den Barcelona-Testfahrten wurde die Strecke nur kurz und leicht bewässert, Foto: LAT Images
Bei den Barcelona-Testfahrten wurde die Strecke nur kurz und leicht bewässert, Foto: LAT Images

"Es muss eine Lösung geben", fordert Verstappen, der sich nach Japan hilfsbereit zeigt. "Vielleicht können wir mehr Test-Tage im Nassen organisieren und zusammenarbeiten, um Reifen zu finden, mit denen man wenigstens die Chance hat, im Nassen zu fahren. Anstatt zwei Runden mit Regenreifen zu fahren, auf Intermediates zu wechseln und es ein Regenrennen nennen. Denn ein Regenrennen wird normalerweise bei starkem Regen gefahren."