Sebastian Vettel auf seiner Abschiedstournee, vier Rennen noch bis zur Rennfahrer-Rente. Vier aufeinanderfolgende Weltmeistertitel, jüngster Weltmeister aller Zeiten: Die Rekordliste eines Sebastian Vettels ist lang. Warum sich trotzdem niemand an ihn erinnern wird, und was der Tod der Queen damit zu tun hat.
Sebastian Vettel, der vergessene König Charles der Formel 1?
"Man wird sich nur so lang an dich erinnern, bis die letzte Person, die sich an dich erinnert, tot ist", wurde Sebastian Vettel gleich zu Beginn seines hausinternen Interviews für Aston Martin 'Uncut' philosophisch. "Das sagte mir einmal jemand." An den jüngsten Weltmeister aller Zeiten, der vier Jahre lang die Königsklasse in Grund und Boden gefahren ist? Schwer vorstellbar, und doch ist der Deutsche überzeugt davon. "Es wird einen Punkt geben, an dem sich niemand mehr an mich erinnert. Nichts währt ewig."
"Großbritannien hat jetzt einen neuen König. Aber das ist nicht der erste König Charles, davor gab es noch zwei andere", zieht Sebastian Vettel zur Verteidigung seines gewagten Statements einen Vergleich zur britischen Thronfolge. "Kann sich noch wer an die erinnern?" Geschichte-Fans sicher, ebenso werden Vettel-Fans vermutlich noch lange an ihr Idol denken. Karl II. war übrigens unter anderem dafür bekannt, dass er so ein hässliches Kind gewesen sein sollte und dann am Ende ohne Erben starb.
Mit drei Kindern kann zumindest das Sebastian Vettel nicht passieren. Aber für den 35-Jährigen ist vergessen zu werden, gar nicht so schlimm: "Leute können selbst entscheiden, ob sie sich an mich erinnern. Wenn sie das nicht tun, bin ich auch nicht beleidigt", meint der Heppenheimer. "Es ist auch nicht wichtig für mich, wie mich Leute im Gedächtnis behalten." Ausnahme: Vettel würde gerne für seine Freundlichkeit im Umgang mit Menschen unvergessen bleiben.
Vettels Erfolgsrezept: Abhängen mit alten Leuten
Im Angesicht der nahenden Rente blickt Sebastian Vettel noch einmal nostalgisch auf seine Laufbahn zurück: "Ich musste früher als meine Freunde erwachsen werden. Ich habe meine Rennfahrerkarriere sehr ernst genommen, dadurch hatte ich viel mit Erwachsenen zu tun." Das hätte ihn damals vor allem im Alter von 19 Jahren sehr geprägt: "Ich verbrachte viel Zeit mit 30, 40, oder 50-Jährigen", berichtet Vettel von seiner Jugend. "Mit alten Leuten abzuhängen war aber nicht irgendwie dumm oder langweilig. Es zwang mich nur, früh reif zu werden."
Die Liebe zum Rennsport ist auch mit 35 Jahren noch da. "Ich liebe den Sport noch immer. Ich liebe das Rennfahren noch immer", erklärt Vettel. Die Entscheidung seine Karriere zu beenden, traf er schweren Herzens. Die zwei Jahre mit Aston Martin: Herausfordernd für den einstigen Gewinner von dreizehn Rennen in einer Saison. "Das Auto war leider nicht so konkurrenzfähig wie wir gehofft haben."
Vettel und Aston Martin: Das gescheiterte Projekt
2022 hätte besser werden sollen. Zuletzt zumindest etwas im Aufwind, liegt Aston Martin noch immer auf P7 in der Konstrukteurs-, Sebastian Vettel selbst auf P11 der Fahrerwertung. "Dieses Jahr wollten wir uns signifikant verbessern. Aber wir haben versagt", gibt ein enttäuschter Vettel zu. "Ich zeige nicht mit dem Finger auf jemanden und sage, dass wir einen schlechten Job gemacht haben."
Die neue Fahrzeuggeneration wäre eine Chance für einen Neustart gewesen. "Aber wir sind wie viele andere Teams in eine Falle getappt." Die Falle hat einen Namen: Porpoising. Laut Teamchef Mike Crack der limitierende Faktor für eine bessere Performance ihres Aston Martins. "Und jetzt haben wir bis 2026 diese Regeln. Teams, die jetzt gut damit klarkommen, haben einen beinahe uneinholbaren Vorsprung", meint Sebastian Vettel. "Und mit dem Budget Cap kannst du nicht einfach wild Geld und Ressourcen verpulvern, um aufzuholen."
Vettel verteidigt Hinterbänkler-Teams: Arbeiten genauso hart wie Red Bull
"Ich bin nur realistisch. Wir hatten große Hoffnungen, aber wir scheiterten", verteidigt sich der Aston-Martin-Pilot. Trotzdem sei die letzte Zeit kein kompletter Griff ins Klo gewesen. "Es waren keine verschwendeten zwei Jahre, obwohl die Resultate uns nicht wirklich genutzt haben." An die Aussicht vom hinteren Mittelfeld musste sich Vettel erst gewöhnen: "Ich war es nicht gewohnt, am Ende des Feldes zu fahren. Das war eine ganz neue Erfahrung für mich. Manchmal sehr schwierig, aber mir ist dabei viel klargeworden."
Klargeworden, dass das Hinterherfahren und von der Spitze träumen nichts für ihn ist. "Wenn du vorne fährst, siehst du nur was vorne passiert. Wenn du hinten fährst, siehst du natürlich hautsächlich was hinten passiert, träumst aber immer davon, vorne mitzufahren." Und bricht eine Lanze für die Hinterbänkler-Teams: "Du weißt es nicht zu schätzen, wie hart auch die Teams am Ende des Feldes arbeiten. Nur weil du keine großen Resultate einfährst, heißt das nicht, dass du nicht genauso hart arbeitest."
Vettel: Egoistisch, selbstsüchtig, süchtig nach Siegen?
Als eines seiner Highlights nennt er den zweiten Platz in Baku 2021. "Wir haben in anderen Rennen auch gut performt, aber da wurden wir Zehnter, und keinen hat es interessiert." Nicht einmal ihn selbst. "Zehnter zu werden macht gibt mir einfach nichts, weil ich weiß, wie es ist, Erster zu werden. Aber das ist eigentlich ganz gut so."
Nach wie vor zählen für Vettel nur Siege. "Das klingt jetzt egoistisch und selbstsüchtig, aber es ist so: Gewinnen ist das, was mich antreibt!" Auch nach 53 Siegen nicht langweilig. "Man wird es zwar gewohnt. Aber wenn du dann länger nicht gewinnst, denkst du immer daran, wie gut es sich wieder einmal anfühlen würde."
Keine Vettel-Tipps als Abschiedsgeschenk für Alonso
Trotzdem sei er selbst mit einem siegfähigem AMR22 nicht sicher, ob er der Königsklasse erhalten bliebe. Zu hoch der Toll an die Familie. "Und einmal gewinnen heißt nicht, dass du es wiederholt schaffst." Vor allem nicht bei der starken Konkurrenz. Vettel-Nachfolger Fernando Alonso zählt mit Lewis Hamilton zu seinen härtesten Gegnern. Letzte Tipps für den Thronfolger seines Cockpits? "Fernando braucht keine Tipps. Ich bin mir gar nicht sicher, ob er Rat annimmt. Aber er braucht sowieso keinen."
Zum Abschluss, und da er für seine Nettigkeiten in Erinnerung behalten werden will, meint Sebastian Vettel noch: "Obwohl die Ergebnisse keinen Spaß gemacht haben: Die Arbeit mit dem Team hat es definitiv!" Falls er doch noch mehr für seine Vita machen will: USA, Mexiko, Brasilien und Abu Dhabi warten auf unvergessliche Vettel-Erlebnisse.
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