Technischer Direktor Dan Fallows war vor seiner Anstellung bei Aston Martin jahrelang Leiter der Aerodynamik-Abteilung bei Red Bull. Und das sehr erfolgreich: Neun gewonnene Titel sprechen für sich. Was der Brite von Adrian Newey und bei Gartenarbeiten gelernt hat und warum seine Ehefrau seine Zeichenunterlagen am liebsten beim Fenster hinauswerfen würde.

Besser als Red Bull oder Ferrari: Der Aston-Martin-Weg

"Es geht nicht darum, etwas auf Red-Bull-Art oder Ferrari-Art zu machen. Man muss einen besseren Weg finden, den Aston-Martin-Weg", lautet die Devise von Dan Fallows. Im Juni 2021 beendete er den 'Red-Bull-Weg' und schloss sich nach neun Monaten Zwangspause ('Gardening Leave') den Mannen von Lawrence Stroll an. "Ich wollte einfach eine neue Herausforderung", erklärt der Ingenieur im teameigenen Interview für Aston Martins 'Undercut'. "Wenn du zu lange an einem Ort bleibst und erfolgreich bist, machst du immer das Gleiche. Das wird irgendwann langweilig!"

Dan Fallows war insgesamt 16 Jahre bei Red Bull, Foto: Red Bull Content Pool
Dan Fallows war insgesamt 16 Jahre bei Red Bull, Foto: Red Bull Content Pool

Aston Martin liegt zurzeit auf dem vorletzten Rang der Konstrukteursmeisterschaft, 520 Punkte hinter seiner alten Liebe und Klassenprimus Red Bull. Bereuen würde Fallows den Schritt von Milton Keynes nach Silverstone trotzdem nicht. "Bisher war es eine faszinierende Reise. Und ich bin erst seit einigen Monaten hier." Beeindruckt hätte ihn von Anfang an die familiäre Atmosphäre beim Rennstall. "Das Überraschendste ist, dass sich Aston Martin F1 noch immer wie ein Rennteam anfühlt. Jeder unterstützt hier jeden."

Aston Martins Erfolgsrezept: Kommunikation und klares Ziel vor Augen

"Wenn ein Team in kurzer Zeit so stark wächst, kann es schnell unüberschaubar werden und die Abteilungen reden nicht mehr miteinander", warnt Fallows. "Wir müssen zusehen, dass uns das nicht passiert." Nicht nur Dan Fallows wurde von Stroll Senior engagiert, auch Andrew Alessi (Red Bull), Eric Blandin (Mercedes) und Luca Furbatto (Alfa Romeo) sind nur einige prominente Namen, die direkt von der Konkurrenz rekrutiert wurden. "Man muss in zwei Dinge investieren", stellte Aston Martins Technikchef Andrew Green zu Beginn der Saison klar. "In die Leute und in die Werkzeuge."

Aston Martin tritt 2023 mit Fernando Alonso statt Sebastian Vettel in der Königsklasse an, Foto: LAT Images
Aston Martin tritt 2023 mit Fernando Alonso statt Sebastian Vettel in der Königsklasse an, Foto: LAT Images

Zur perfekten Ausführung des Fünfjahresplans von Aston Martin fehlt aber noch ein Detail. "Von Anfang an ein klares Ziel vor Augen haben, was man auf der Rennstrecke erreichen will", meint Dan Fallows. "Schon beim Designen des Autos." Dafür sei er nun verantwortlich: Nicht nur eine Herausforderung, sondern eine großartige Möglichkeit. "Teil von etwas zu sein, dass sich vom Mittelmaß zu etwas Spektakulärem entwickelt."

Aston Martin, das grüne Red Bull

Bei Red Bull manchmal noch im Schatten Adrian Neweys, genießt Dan Fallows bei Aston Martin uneingeschränkte Aufmerksamkeit und das Vertrauen der Chefetage. "Es ist unglaublich aufregend, wenn dir jemand so viel Vertrauen schenkt", streut Fallows seinem neuen Arbeitgeber Rosen. "Mir wurde im Wesentlichen gesagt: Hier ist ein Formel-1-Team, verwandle es in das, was du willst, hol dir die Leute, die du willst, führe es so, wie du willst und mach es erfolgreich - setz dein Zeichen."

"Einer der aufregendsten Etappen der Reise bei Red Bull war die Entwicklung seit Jaguar", erinnert sich der 49-Jährige. Fallows startete seine Formel-1-Karriere als Senior Aerodynamiker bei Jaguar. Nach einem kurzen Stint bei Dallara kehrte er 2006 zurück nach Milton Keynes. "Plötzlich hatten wir so viel mehr Budget, mehr Ressourcen und eine neue technische Stärke in der Organisation."

Dan Fallows muss bei Aston Martin ohne Adrian Newey ein siegfähiges Auto konstruieren , Foto: LAT Images
Dan Fallows muss bei Aston Martin ohne Adrian Newey ein siegfähiges Auto konstruieren , Foto: LAT Images

Fallows: Keine Spur von Arroganz bei Newey

Eine neue technische Stärke namens Adrian Newey, von dem Dan Fallows viel lernen konnte. "Wir alle wissen, wie talentiert er als Designer ist. Aber was die Leute nicht wissen: Wie bescheiden er ist", meint Fallows. "Keine Spur von Arroganz!" Das sei besonders als Aerodynamiker wichtig. Egal wie überzeugt man von der eigenen Idee ist: Wenn jemand eine bessere hat, müsse man das akzeptieren und den Kurs ändern. "Das ist das Wichtigste, was ich von Adrian gelernt habe." Die Design-Philosophie bei Aston Martin unterscheide sich allerdings grundlegend von Red Bull.

In seinem 'Gardening Leave', dem meist sechsmonatigen Zwangsurlaub nach einem Teamwechsel innerhalb der Formel 1 hat sich Dan Fallows viele Gedanken über die vergangenen acht Jahre als Chef der Aerodynamik bei Red Bull gemacht. Auch über seine gemachten Fehler. Besonders bei seinem Führungsstil will der Brite einen neuen Weg einschlagen. Früher habe er Teammitgliedern oft zu viel Verantwortung und Freiheiten gelassen.

"Das kann dazu führen, dass sich die Person nicht ausreichend unterstützt fühlt", erklärt Dan Fallows. Ein kleines Eingreifen, eine lenkende Hand zur richtigen Zeit sei manchmal gut für Mitarbeiter. "Damit sie nie das Gefühl haben, zu weit vom richtigen Weg abzuweichen." Fehler sind dabei ausdrücklich erlaubt. "Ich möchte den Menschen Raum geben, Fehler zu machen. Keine Angst vor Fehlern haben und daraus lernen." Aber eben nicht zu viel Raum.

Aerodynamik-Ideen im Ehebett

Aerodynamiker kommen oft an ungewöhnlichsten Orten zu ihren Ideen. Bei Adrian Newey war lange der Familienurlaub in Barbados ein künstlerischer Höhepunkt. Nicht in der Karibik, aber im Ehebett finden neue Updates den Weg zu Dan Fallows. "Normalerweise um drei Uhr früh", meint der Aerodynamiker. "Das macht meine Frau verrückt: Wenn ich mitten in der Nacht mit einer neuen Idee aufwache." Manche Ideen seien natürlich Blödsinn, aber manche träfen ihn wie der Blitz.

"Das ist eigentlich sehr interessant, wie Menschen am besten arbeiten und zu ihren Ideen kommen", so Dan Fallows. Jeder sei anders. "Bei mir ist es aus irgendeinem Grund mitten in der Nacht. Bei manchen, wenn sie spazieren gehen oder laufen." Fast nie, wenn sie stundenlang auf einen Bildschirm starren. Deshalb finden sich am neuen Fabriksgelände von Aston Martin Inspirationsquellen in Form von 750 gepflanzten Bäumen und einer Wildblumenwiese.

Gesucht: Der Aston-Martin-Weg, der auch Rennen gewinnt

Viele neue Einfälle für einen besseren Aston Martin in der nächsten Saison? "Wir glauben, dass der AMR23 viel konkurrenzfähiger sein wird als das diesjährige Auto", meint Dan Fallows. Das Auto für 2023 ist auch das erste aus der Hand des ehemaligen Red-Bull-Ingenieurs.

Lawrence Stroll hat viel zu tun beim Bau seiner neuen Fabrik, Foto: Aston Martin Racing
Lawrence Stroll hat viel zu tun beim Bau seiner neuen Fabrik, Foto: Aston Martin Racing

"Ich bin zuversichtlich, dass wir mit dem AMR23 einen großen Schritt nach vorne machen können." Vom (hinteren) Mittelfeld zur Spitze. "Wir müssen unseren eigenen Weg finden. Den Aston-Martin-Weg. Einen Aston-Martin-Weg um Grands Prix zu gewinnen!" Mit vielen nächtlichen Aerodynamik-Einfällen, Fernando Alonso und einer Blumenwiese zur Inspiration.