2023 bekommt Aston Martin nicht nur einen neuen Fahrer. Fernando Alonsos Willkommensgeschenk von Teambesitzer Lawrence Stroll ist gleich eine neue Fabrik: Das Team plant kommenden März einzuziehen. Aber: Der 2021 ausgerufene Fünfjahresplan verläuft nicht nur durch das Porpoising des AMR22 holprig, auch 2022 bleibt bislang der erhoffte Erfolg aus. Was allerdings nach Lawrence Strolls Plan verläuft, ist der Bau der neuen Aston-Martin-Fabrik. "We climb together" stimmt so zumindest auf der Baustelle.

Aston Martin: Keine Eingangstür, keine Zeit für Unordnung

"Wir sind zu 60% fertig", meint Guy Austin, der das Bauprojekt leitet. "Heute wären wir schon gerne durch die Eingangstür gegangen, aber meine Leute installieren sie noch." Keine Tür, dafür eine 'Straße', die durch die gesamte Fabrik führt. Der Gang ist insgesamt 160 Meter lang und bietet ein schnelles Verbindungssystem der verschiedenen Trakte.

Im östlichen Teil der Fabrik befindet sich die Verbundstoffabteilung, mit insgesamt vier Autoklaven. Durch die Elektronikabteilung geht es zur Werkstatt der Ingenieure im ersten Stock. Genug Raum für gute Ideen gibt es durch separate Räume, unter anderem für Werkstoffprüfungen, Inspektionen oder einzelne Bauteile wie Bremsen und Kuppeln. Die örtliche Nähe zur Rennwerkstatt soll die Belieferung erleichtern: "Die Jungs haben zwischen den Rennen nicht viel Zeit, die Autos auseinanderzubauen und wieder zusammenzusetzen", erzählt Austin. Keine Zeit für Unordnung. "Das Gebäude ist wie eine Maschine, die so effizient wie möglich sein soll!" Das war vermutlich auch beim diesjährigen AMR22 der Plan.

750 Bäume und eine Wildblumenwiese zu Vettels Ehren

An 350 Schreibtischen im Technikerbüro arbeiten die Ingenieure schon am Design des nächsten Weltmeisterautos, darunter Topstars wie Andy Green und Dan Fallows. Um den ehemaligen Aerodynamik-Chef von Red Bull rankten sich diese Saison schon einige Spekulationen. Grüne Red Bull gab es beim nächsten Rennen nicht nur bei Aston Martin, sondern auch als Verpflegung bei Fallows Ex-Team. Guy Austin hätte auch gerne das Büro von Boss Lawrence Stroll präsentiert, das ist aber derzeit noch eine ähnlich große Baustelle wie der AMR22. Kein Büro und nur 20 Punkte sind keine optimalen Voraussetzungen. Ein Parkplatz bietet Platz für Renntrucks und 600 Mitarbeiter.

Viel grün, nicht nur bei der Teamfarbe des Formel-1-Teams, Foto: Aston Martin Racing
Viel grün, nicht nur bei der Teamfarbe des Formel-1-Teams, Foto: Aston Martin Racing

Auch ohne Sebastian Vettel verschreibt sich Aston Martin der Nachhaltigkeit. 750 frisch gepflanzte Bäume sorgen für gute Luft und gutes Klima. Auch eine Wildblumenwiese wird es in Silverstone geben, die perfekte Szenerie, um seine Mittagspause und die Schönheit Northamptonshire zu genießen. Das Team ist besonders stolz auf die hohe Recyclingquote von 95%. Bienenhotels gibt es nach eigenen Angaben keine.

Panikalarm bei Aston Martin?

Eine Besichtigung der Windtunnel-Baustelle ist derzeit nicht möglich. Ein Pfahlbohrer bohrt dort 18 Meter tiefe Bohrlöcher, 550 an der Zahl: Hier herrscht akute Absturzgefahr. Das würde zwar zum Aston-Martin-Teammotto ("We climb together") passen, ist trotzdem nicht unbedingt gute PR. Mit dem neuen Windtunnel will das Team auch aerodynamisch neue Maßstäbe setzen. Motor, Getriebe und Hinterradaufhängung bezieht das Team weiterhin von Mercedes. "Wir versuchen, unsere Ambitionen mit unserem Fünfjahresplan in Einklang zu bringen", erzählte Technikchef Andy Green zu Saisonbeginn. Gemeinsam mit dem Bau der neuen Fabrik und der Personaloffensive bringe die Dreifachbelastung das Team an seine Grenzen. "Die Expansion ist ein schwieriger Prozess, den es zu bewältigen gilt."

"Langsam tritt Panik auf!", schließt Guy Austin halb im Scherz seine Führung durch die Baustelle, die einmal ein Weltmeisterauto produzieren soll. Hoffentlich keine Panik tritt beim Team in der Sommerpause nach schwieriger ersten Saisonhälfte und Rang neun in der Konstrukteurswertung auf. 2020 unter Racing Point noch Vierter, verbesserten sich seit der Übernahme von Lawrence Stroll nur die Finanzen merklich zum Positiven. Aber: Mit neuer Fabrik, neuem Personal und neuer Fahrerpaarung im nächsten Jahr folgt vielleicht der ersehnte Aufwind. Theoretisch hätte Aston Martin laut seinem Fünfjahresplan sowieso noch bis 2026 Zeit, Weltmeister zu werden. Oder, wie Fernando Alonso sagen würde: "El Plan."