80 Punkte Rückstand auf den Führenden Max Verstappen hat Charles Leclerc mittlerweile in der Fahrerwertung, Ferrari fehlen auf Red Bull 97 Zähler. Nach Raketenstart zu Saisonbeginn beginnt die italienische Maschinerie immer mehr zu stottern: Gerade dann, wenn es im WM-Kampf in die heiße Phase gegangen wäre. Viel Kritik hagelte es auch für Mattia Binotto, viele fordern einen Wechsel in der Ferrari-Chefetage. Binottos Führungsstil und ein Ferrari-WM-Titel, passt das (noch) zusammen?

Ferrari: In guten wie in schlechten Zeiten

"Besser könnte die Stimmung im Ferrari-Lager nicht sein. Leute wie Charles, Carlos, Mattia pushen das Team in allen möglichen Situationen", beschrieb Laurent Mekies in Ungarn die derzeitige Situation bei Ferrari. Im Gegensatz dazu die Stimmung außerhalb: Vor allem italienische Pressestimmen lasen sich nach den letzten drei Rennwochenenden mit fahrerischen Fehlern und strittigen Teamentscheidungen eher wie Dantes Inferno.

Charles Leclerc als tragischer Held der Formel 1 Saison 2022, Foto: LAT Images
Charles Leclerc als tragischer Held der Formel 1 Saison 2022, Foto: LAT Images

Laurent Mekies sieht trotzdem keinen Grund für etwaige Personalrochaden. "Du hast gute Momente und schlechte Momente. Ich denke, den Unterschied macht unser Führungsstil", lobt der Ferrari-Sportdirektor seinen Teamboss Mattia Binotto. "Was auch immer passiert, du musst es schaffen, den Reset-Knopf zu drücken und das Team zusammenzuhalten."

Vor allem nach Ungarn keine leichte Aufgabe für Teamchef Mattia Binotto. Charles Leclerc kritisierte die Strategie und vor allem den Einsatz des harten Reifens, Binotto verteidigte die Entscheidungen seines Teams. Überhitzte Gemüter bei Ferrari? Nicht laut Laurent Mekies. Es müsse zwischen Momentaufnahmen im Cockpit und der allgemeinen Stimmung im Team unterschieden werden. Denn: "Wenn sie aus dem Auto aussteigen, sind sie nach einer Stunde im Analyse-Modus. Keine negativen Emotionen, eher spornt es die Fahrer noch mehr an!"

Mattia Binotto und Laurent Mekies lassen sich nicht einmal von der italienischen Presse aus der Ruhe bringen, Foto: LAT Images
Mattia Binotto und Laurent Mekies lassen sich nicht einmal von der italienischen Presse aus der Ruhe bringen, Foto: LAT Images

Teamkultur bei Ferrari als Geheimwaffe

"Wir lernen daraus. Dann gehen wir mit einem Lächeln und noch mehr Motivation ins nächste Rennen", erzählt Laurent Mekies von der Teamkultur bei Ferrari. Druck aufgrund der WM würde dabei keine Rolle spielen. "Wir haben dieses Jahr schon einige Punkte verloren. Wir hatten Probleme mit der Zuverlässigkeit und es gibt einige Dinge, in denen wir uns verbessern müssen", gibt der Ingenieur zu. "Und ja, wir arbeiten hart daran!"

Sitzt Mattia Binotto auf seiner Position so schief wie der Turm von Pisa? Wenn es nach ihm geht, nicht: "Wir müssen nichts verändern. Wir müssen nur verschiedene Dinge ansehen und daraus lernen", analysierte Binotto nach dem Ungarn-Wochenende nüchtern die Situation. Vor allem die Bilanz der ersten Saisonhälfte zeige, dass das Team aus Maranello auf einem guten Weg sei und noch über viel Potenzial verfüge. "Wir gewinnen und verlieren zusammen!"

Ferrari gelang mit zwei Siegen in den ersten drei Rennen ein nahezu perfekter Saisonstart, Foto: LAT Images
Ferrari gelang mit zwei Siegen in den ersten drei Rennen ein nahezu perfekter Saisonstart, Foto: LAT Images

Maximaler Druck kein Problem für Ferrari

Vergleiche mit den WM-Kämpfen 2017 und 2018, wo Fahrer und Team unter dem WM-Druck zu zerbrechen schienen, will das Team aus Maranello nicht hören. "Das erhöht nicht den Druck. Wir leben in einer Leistungsgesellschaft, der Druck ist immer am Maximum", meint Vize-Teamchef Laurent Mekies. "Genauso mögen wir das, der Druck ist positiv und gibt uns Ansporn, uns von Rennen zu Rennen zu verbessern!"

Viel Ansporn für die Sommerpause für Ferrari. Theoretisch kann die Scuderia noch immer alle verbleibenden Rennen gewinnen, muss für einen WM-Titel aber auf Fehler von Max Verstappen und Red Bull hoffen. Der Traditionsrennstall hält es mit der WM wie mit der italienischen Post: Aufgeben tut man nur einen Brief.