Satte 80 Punkte beträgt der Rückstand von Ferrari-Pilot Charles Leclerc auf Titelverteidiger Max Verstappen im Red Bull. Ferrari-Teamkollege Carlos Sainz ist weitere 22 Punkte dahinter und hat damit schon mehr als vier Rennsiege Rückstand aufgerissen. Der F1-75 hat bisher gute Pace gezeigt, doch Team und Fahrer begingen zu viele Fehler.

Einige Punktverluste resultierten auch aus dem Willen der Scuderia zur Gleichberechtigung beider Piloten. Besonders in Silverstone wurde Charles Leclerc, der trotz Frontflügelschaden schneller fuhr als Sainz, strategisch nicht bevorzugt, sodass der Spanier seinen ersten Grand-Prix-Erfolg feiern konnte. Leclerc wiederum wurde nur Vierter und machte kaum Boden auf Max Verstappen gut, der mit einem lädierten Red Bull nur Siebter wurde.

 Muss Ferrari einen Fahrer bevorzugen?, Foto: LAT Images
Muss Ferrari einen Fahrer bevorzugen?, Foto: LAT Images

Angesichts des großen Rückstands, sollte Ferrari da nicht anfangen, alles auf eine, vermutlich monegassische, Karte zu setzen? Wenn es nach Renndirektor Laurent Mekies geht, wird die Stallorderfrage medial heißer gekocht als in der Ferrari-Kantine: "Ich denke, es ist richtig zu sagen, dass dieses Thema außerhalb von Ferrari mehr diskutiert wird als teamintern."

Ferrari historisch wegen Teamorder vorbelastet

Ferrari hat in seiner Geschichte einige Erfahrung mit Stallorder gemacht und musste dafür harte Kritik einstecken. Zwei der berühmtesten Funksprüche der Formel-1-Geschichte beruhen auf Ferrari-Stallregie. "Let Michael pass for the championchip", hieß die Ansage des damaligen Teamchefs und heutigen FIA-Präsidenten Jean Todt an Rubens Barrichello beim Österreich Grand Prix 2001. Der Brasilianer ließ Michael Schumacher auf der Zielgeraden vorbei und überließ ihm Platz zwei. Ein Jahr später wiederholte sich das Spiel - nur diesmal ging es um den Sieg. Das Publikum reagierte sofort mit einem gellenden Pfeifkonzert.

Michael Schumacher gewann 2002 in Österreich und wurde ausgepfiffen, Foto: LAT Images
Michael Schumacher gewann 2002 in Österreich und wurde ausgepfiffen, Foto: LAT Images

Auch acht Jahre später geriet die Scuderia ins Kreuzfeuer der Kritik. 2010 führte Felipe Massa das Rennen in Hockenheim vor Teamkollege Fernando Alonso an. Stallorder war damals nicht erlaubt, was Ferrari zu einer indirekten Aufforderung an Massa zwang. "Fernando is faster than you", wurde zum geflügelten Wort unter Formel-1-Fans. In der Pressekonferenz nach dem Rennen fragte der drittplatzierte Lokalmatador Sebastian Vettel, ob er gehen dürfe, denn die versammelten Journalisten durchlöcherten nur die beiden Ferrari-Piloten mit Fragen zur Stallorder.

3 Gründe für das Ferrari-Versagen! Bald hinter Mercedes?: (15:38 Min.)

Mekies gibt zu: Ferrari-Stallorder unter bestimmen Bedingungen möglich

Stallregie ist mittlerweile wieder erlaubt, doch hat sich der aktuell zweite der Konstrukteurswertung bisher nicht auf eine Nummer 1 für den Kampf um die WM-Krone 2022 festlegen wollen. Mekies macht jedoch klar, dass Ferrari als Team über den Interessen der beiden Piloten steht. "Aber ernsthaft gesprochen: Wir sind da immer ganz klar. Wir haben das Ziel des bestmöglichen Resultats für das Team. Ferrari kommt immer zuerst", betonte der Franzose in Diensten der Scuderia.

Am Ende gab der Renndirektor jedoch zu, dass auch in Maranello über klare Verhältnisse, wie sie bei Rivale Red Bull mit Verstappen als Nummer 1 herrschen, nachgedacht wird. Dies ist jedoch an eine Bedingung geknüpft: "Natürlich wird es einen Punkt geben, an dem wir uns mehr auf einen Fahrer konzentrieren müssen, im Vergleich zu dem anderen, falls die Position in der Meisterschaft das erfordert."

Laurent Mekies schließt Stallorder bei Ferrari nicht aus, Foto: LAT Images
Laurent Mekies schließt Stallorder bei Ferrari nicht aus, Foto: LAT Images

Wann kommt die Stallorder? Mekies: Sobald es richtig ist

Zumeist lautet bei dieser Sichtweise die Devise: Sobald ein Fahrer mathematisch nicht mehr Weltmeister werden kann, wird der andere unterstützt. Mekies widersprach dem jedoch, ohne Ferraris Entscheidungsgrundlage zu benennen: "Das bedeutet nicht zu warten, bis es nur noch mathematisch möglich ist, sondern die Entscheidung am Punkt der Saison zu treffen, an dem du glaubst, es sei das richtige."

Wann ist jedoch der richtige Zeitpunkt gekommen? Im Moment liegen die beiden Piloten 22 Punkte auseinander und damit innerhalb von nur einem Sieg. Der schnellere der beiden Piloten war zumeist Leclerc, doch zuletzt zeigte er auch einen gravierenden Fahrfehler bei seinem Ausfall in Frankreich. Der etwas langsamere Sainz hingegen hat sich nach schwachem Saisonbeginn gefangen und zeigte fehlerfreie Leistungen.